# taz.de -- Altenheim gegen Betriebsratsgründung: Ver.di muss draußen bleiben | |
> Der Altenheim-Betreiber Egestorff-Stiftung hat der Gewerkschaft Ver.di | |
> Hausverbot erteilt. Die will dort Betriebsratswahlen durchführen. | |
Bild: Die Uhr läuft ab für Altenheime ohne Betriebsrat | |
BREMEN taz | Allerorts finden im Mai Betriebsratswahlen statt – so auch | |
beim Altenpflege-Betreiber Egestorff-Stiftung. Dort ist das etwas Neues, | |
denn als ehemaliges Mitglied des Diakonischen Werks hatte die ES bisher | |
eine Mitarbeitervertretung (MAV) nach kirchlichem Arbeitsrecht. Bloß: Seit | |
Januar ist die Stiftung nicht mehr Mitglied im Diakonischen Werk und somit | |
auch nicht mehr der Kirche zugehörig. Dennoch erteilte sie am Donnerstag | |
der Gewerkschaft Ver.di Hausverbot. | |
„Im April habe ich der Egestorff-Geschäftsführung schriftlich mitgeteilt, | |
dass wir die Einladung zur Wahlversammlung für die Betriebsratswahl am 3. | |
Mai aushängen wollen“, sagt Ver.di-Sekretärin Kerstin Bringmann. Am | |
vergangenen Mittwoch habe sie den entsprechenden Aushang dann per Mail an | |
Geschäftsführerin Melanie Löwemann geschickt. Die habe am Donnerstag | |
zurückgemailt, „dass sie das mit der Betriebsratswahl nicht einsehe, weil | |
es erst noch ein Gespräch mit Kirchenvertretern gebe, in dem geklärt werden | |
sollte, ob die Stiftung nicht doch der Kirche zugehörig sei“. | |
Bringmann, ohnehin auf dem Weg zur Egestorf-Stiftung, um die Einladung | |
auszuhängen, habe vor Ort direkt das Gespräch mit der Geschäftsführerin | |
gesucht: „Ich habe ihr erklärt, dass die Wahl eine Wahlvorstandes noch | |
keine Betriebsratswahl sei und dass die immer noch abgeblasen werden könne, | |
sollten Stiftung und Kirche sich wieder annähern.“ | |
## Klage gegen Hausverbot | |
Es nützte nichts, im Gegenteil: Löwemann erteilte ihr Hausverbot und | |
untersagte ihr, die Einladung auszuhängen. „Ich darf künftig nur noch das | |
MAV-Büro betreten – das ist rechtswidrig, denn das Zugangsrecht einer | |
Gewerkschaft zum Betrieb ist verfassungsrechtlich geschützt“, sagt | |
Bringmann. | |
Ver.di-Rechtsanwalt Bernhard Baumann-Czichon wird jetzt gerichtliche | |
Schritte gegen die Stiftung einleiten: „Die Debatte darüber, ob hier | |
kirchliches oder weltliches Arbeitsrecht anzuwenden ist, ist sachlich ja | |
noch zu verstehen“, sagt er. „Aber das Verweigern des Zutrittsrechts und | |
die Verhinderung der Betriebsratswahl deuten darauf hin, dass die | |
Geschäftsführung sowohl die Nerven als auch die Orientierung verloren hat.“ | |
Dabei scheint die Sachlage klar zu sein, denn selbst die zuständige | |
Bremische Evangelische Kirche (BEK) hat bereits im März deutlich gemacht, | |
dass die Stiftung nicht mehr zu ihr gehört und dies vor knapp zwei Wochen | |
im Gespräch mit der taz auch [1][bestätigt]. „Es überrascht mich, dass sie | |
nun offenbar glaubt, dass trotzdem weiterhin das | |
Mitarbeitervertretungsgesetz gilt“, sagte Siegbert Wesner, juristischer | |
Referent bei der BEK. Das aber scheint die ES zu glauben: Sie hat | |
Widerspruch gegen die Entscheidung der BEK eingelegt. | |
Anfragen der taz bezüglich des Hausverbots mochte die Stiftung nicht | |
beantworten, stattdessen leitete ihr Sprecher eine interne Mitteilung an | |
die Mitarbeiter der Stiftung von Freitagnachmittag weiter. Dort heißt es: | |
„Nach unserer Auffassung ist die Egestorff-Stiftung (…) eine kirchliche | |
Einrichtung. Als solche ist sie in der Pflicht, eine Mitarbeitervertretung | |
zu wählen und keinen Betriebsrat, da nach § 118, Abs.2 das | |
Betriebsverfassungsgesetz in kirchlichen Einrichtungen nicht anzuwenden | |
ist.“ Man befinde sich „zu dieser Frage derzeit in guten und konstruktiven | |
Gesprächen mit Vertretern der Bremischen Evangelischen Kirche“. | |
## „Ungeklärte Rechtslage“ | |
Auch eine Rechtfertigung für das Hausverbot findet sich in dem Schreiben: | |
„Zu unserem Bedauern drängt die Gewerkschaft Ver.di allerdings darauf, | |
trotz der ungeklärten Rechtslage die Wahl eines Wahlvorstandes für eine | |
Betriebsratswahl kurzfristig durchzuführen. Diese Aktivitäten haben bereits | |
jetzt zu einer spürbaren Unruhe unter Mitarbeitern und Bewohnern geführt – | |
und es war zu befürchten, dass die Situation in den nächsten Tagen durch | |
den angekündigten öffentlichen Druck von Ver.di weiterhin angeheizt wird.“ | |
Allerdings habe man zugestimmt, die MAV-Räumlichkeiten zur Wahl eines | |
Wahlvorstandes zur Verfügung zu stellen, lege jedoch „Wert auf die | |
Feststellung, dass mit der Bereitstellung von Räumlichkeiten nicht | |
automatisch Betriebsratswahlen zugestimmt wird“, heißt es in dem Schreiben | |
weiter. | |
„Immerhin stimmen sie schon einmal der Wahlversammlung zu“, sagt Kerstin | |
Bringmann. An der Rechtswidrigkeit des Hausverbots ändere das allerdings | |
nichts. | |
4 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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