# taz.de -- Kanzler bereist Südamerika: Olaf Scholz auf Partnersuche | |
> Kanzler Scholz trifft in Brasilien auf den neuen Präsidenten Lula, mit | |
> dem das Mercosur-Handelsabkommen in greifbare Nähe rückt. Die Hürden sind | |
> hoch. | |
Bild: Kanzler Scholz wirbt bei seinem Besuch in Buenos Aires für mehr wirtscha… | |
Buenos Aires taz | Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner | |
Südamerikareise am Montag in Brasilien Station macht, stehen der Schutz des | |
Amazonas und das EU-Mercosur-Abkommen ganz oben auf der Liste. Beide Themen | |
sind eng miteinander verbunden. Jahrelang hatte die Abholzung des | |
Regenwaldes unter dem rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro die | |
Unterzeichnung des Freihandelsabkommen zwischen der EU und der | |
südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur blockiert. Mit Lula da | |
Silva im Amt soll das Abkommen nun zügig unter Dach und Fach gebracht | |
werden. | |
2019 hatten sich EU und Mercosur nach über 20-jährigen Verhandlungen auf | |
ein Abkommen geeinigt, das aber nicht ratifiziert wurde. Der Mercado Común | |
del Sur, kurz Mercosur, war 1991 von Argentinien, Brasilien, Paraguay und | |
Uruguay gegründet worden. Venezuela war 2012 als fünfter Mitgliedstaat | |
beigetreten, ist aber seit 2016 suspendiert. Sollte das Abkommen mit der EU | |
umgesetzt werden, würde eine der größten Freihandelszone der Welt mit rund | |
780 Millionen Menschen entstehen. | |
„Die neue demokratische Regierung unter Lula wird in der EU als Chance | |
wahrgenommen, um das Mercosur-Abkommen abzuschließen“, sagte die grüne | |
Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner, der taz. | |
Bei Zusatzverhandlungen werde es um verbindliche Nachhaltigkeitskriterien | |
gehen, die die EU-Anti-Entwaldungsverordnung berücksichtigen. | |
Anfang Dezember, noch vor Lulas Amtsantritt, hatte sich die EU auf ein | |
neues Gesetz geeinigt, das den Verkauf von Rindfleisch, Sojabohnen, Palmöl, | |
Holz, Kakao und Kaffee verbietet, deren Produktionen mit der Entwaldung in | |
Verbindung stehen. Importunternehmen müssen nachweisen, wann und wo diese | |
Waren hergestellt wurden, und „nachprüfbare“ Informationen vorlegen, dass | |
sie nicht auf Flächen angebaut wurden, die nach 2020 abgeholzt wurden. | |
## Lula setzt sich für die Ratifizierung ein | |
Das Gesetz kommt der Agrarlobby entgegen, die massive Verluste durch | |
Importe aus dem Mercosur befürchtet. Wenigstens soll die Messlatte sehr | |
hoch hängen, wenn das Abkommen doch nicht verhindert werden kann. Auch die | |
zahlreichen Umweltgruppen und Nichtregierungsorganisationen, die das | |
Abkommen seit Jahren kritisieren und ablehnen, kündigten an, sie werden die | |
Einhaltung des Gesetzes mit Argusaugen überwachen, sollte es in Kraft | |
treten. | |
Bei seinem Amtsantritt hatte da Silva einen verstärkten Schutz des Amazonas | |
angekündigt. Um dies gegen die mächtige Front von Großgrundbesitzern, | |
Viehzüchtern und Goldgräbern durchzusetzen, braucht er Verbündete. Auch | |
deshalb war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Lulas Amtseinführung | |
am 1. Januar angereist; die Bundesregierung gab noch am selben Tag 35 | |
Millionen Euro [1][für den Schutz des Amazonas frei]. „Es ist dringend und | |
äußerst notwendig, dass der Mercosur ein Abkommen mit der EU schließt“, | |
hatte Lula während seines [2][Besuchs in Argentinien anlässlich des | |
Celac-Treffens erklärt]. Amtsvorgänger Bolsonaro hatte die | |
Wirtschaftsgemeinschaft vernachlässigt, was auch an der gegenseitigen | |
Missachtung zwischen ihm und Argentiniens Präsidenten Alberto Fernández | |
lag. | |
## Mercosur-Staaten sind sich uneins | |
Während sich so die zwei Großen des Mercosur über Jahre blockierten, | |
kündigte Uruguay im Juli 2022 [3][einseitige Verhandlungen mit China über | |
ein Freihandelsabkommen an]. Ein Vorgang, der offen gegen die Statuten des | |
Mercosur verstößt, die für solche Alleingänge entweder gemeinsame | |
Verhandlungen aller vier Mitgliedstaaten oder deren Zustimmung verlangen. | |
Um dies zurechtzurücken, reiste Lula vergangene Woche nach Montevideo. | |
Uruguay ist auch Mitglied der von US-Präsident Joe Bidens initiierten | |
Americas Partnership for Economic Prosperity, der elf Staaten angehören, | |
darunter Mexiko, Kolumbien und Peru. Mit ihr soll Chinas Einfluss in | |
Lateinamerika zurückgedrängt werden. Dass Argentinien und Brasilien nicht | |
dabei sind, steht im Einklang mit Lulas Politik, neue Bündnisse als | |
Mercosur und nicht einzeln einzugehen. Auch wegen Bidens neuer | |
Partnerschaft hat es die EU nun eilig. „Aus geopolitischer Sicht ist uns | |
ein baldiger Abschluss des Abkommens wichtig, um die Beziehungen mit | |
unseren demokratischen lateinamerikanischen Partnern zu vertiefen und | |
auszubauen“, sagte Staatssekretärin Brantner. | |
Innerhalb Mercosur ist es keineswegs ausgemacht, dass alle an einem Strang | |
ziehen werden. Ein Beispiel ist die argentinische Autoindustrie, die der | |
Motor der Industrieproduktion des Landes ist. Der Zollschutz der Autobauer | |
vor zu vielen Importen aus der EU segelte bisher bequem im Windschatten der | |
Regenwaldabholzungen. | |
29 Jan 2023 | |
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[1] https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/deutschland-gibt-35-mill… | |
[2] /Gipfeltreffen-in-Lateinamerika/!5911417 | |
[3] /Vor-dem-Mercosur-Treffen-in-Paraguay/!5869292 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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