# taz.de -- Vor dem Mercosur-Treffen in Paraguay: Streit nach Alleingang Urugua… | |
> Das Land will ein Freihandelsabkommen mit China und übergeht die | |
> Mercosur-Partnerstaaten. Brasilien könnte einlenken, Argentinien bleibt | |
> skeptisch. | |
Bild: Ist für ein Freihandelsabkommen zwischen China und Uruguay: Präsident L… | |
BUENOS AIRES taz | Vor dem Gipfeltreffen der südamerikanischen | |
Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur am Donnerstag in Paraguay sorgt ein | |
Alleingang Uruguays für eine prickelnde Atmosphäre: Überraschend kündigte | |
[1][Präsident Luis Lacalle Pou] vergangenen Mittwoch den Beginn formeller | |
Verhandlungen über die Einrichtung eines Freihandelsabkommens zwischen | |
China und Uruguay an. | |
Eine im September 2021 begonnene Machbarkeitsstudie sei gerade erfolgreich | |
abgeschlossen worden, so Lacalle Pou, was das chinesische | |
Handelsministerium tags darauf bestätigte. Man lege jetzt „großen Wert auf | |
den Aufbau von Freihandelsbeziehungen mit Uruguay“, so Ministeriumssprecher | |
Shu Jue Thing. | |
Bereits vor einem Jahr war Uruguay in Sachen [2][Freihandelsabkommen mit | |
China vorgeprescht], was zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen | |
Argentiniens Präsident Alberto Fernández und Luis Lacalle Pou führte. Auch | |
diesmal schlägt Lacalle Pous Initiative hohe Wellen. „Solch ein Vorhaben | |
muss vom Mercosur gebilligt werden, sonst verstößt es gegen das | |
Konsensprinzip“, wetterte Argentiniens Außenminister Santiago Cafiero | |
Anfang der Woche. | |
Auch in Paraguay verweist man auf die Statuten des Mercosur. „Uruguay hat | |
eine Entscheidung getroffen, die nicht auf einem Konsens beruht“, erklärte | |
Raúl Cano, der Vizeminister für Wirtschaftsbeziehungen. Bei externen | |
Verhandlungen müssten zudem alle vier Vertragsstaaten anwesend sein, so | |
Cano. | |
## Absagen zweier assoziierter Staaten | |
Wie aufgeladen die Atmosphäre ist, zeigen die kurzfristigen Absagen der | |
Präsidenten von Bolivien und Chile. Eigentlich wollten Luis Arce und | |
Gabriel Boric als Staatsoberhäupter zweier assoziierter Mercosur-Staaten am | |
Gipfel teilnehmen. Nach Lacalle Pous Ankündigung zogen sie sich diskret | |
zurück. | |
Ganz anders reagierte dagegen [3][Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro]. | |
Noch vor einer Woche hatte Bolsonaro eine Gipfel-Teilnahme kategorisch | |
ausgeschlossen. Am Wochenende ruderte er dann sanft zurück. „Ich würde hier | |
im Morgengrauen aufbrechen, um am späten Nachmittag zurückzukehren. Eine | |
eintägige Reise zu Ehren von Marito (Paraguays Präsident, Anmerkung d. | |
Red), der wie ich Fallschirmspringer ist“, so Bolsonaro. Ob er tatsächlich | |
kommt, ist offen. | |
## Verwunderung auch in Uruguay | |
Überrascht hat Lacalle Pou mit seinem Vorstoß auch im eigenen Land. „Wir | |
wissen nichts und sie wollen uns nichts sagen“, beklagte sich der | |
Vorsitzende der Handelskammer Uruguay-China in Montevideo, Gabriel Rozman. | |
Ohnehin verstehe man den gesamten Verhandlungsprozess nicht, so Rozman. | |
Kopfschütteln und Besorgnis gibt es auch bei den Gewerkschaften: „Das | |
Problem geht tiefer, weil es die seit Jahren voranschreitende | |
Deindustrialisierung Uruguays weiter vertiefen wird“, so Danilo Dárdano vom | |
Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT. | |
Ganze Sektoren würden schließen, weil es unmöglich sei, mit China zu | |
konkurrieren. „Sie werden uns schlicht liquidieren“, so Dárdano. Statt | |
Freihandelsabkommen auszuhandeln, sollte der Mercosur gestärkt werden. „Für | |
ein Auto beispielsweise können wir in Brasilien den Motor herstellen, in | |
Argentinien die Karosserie und in Uruguay die Reifen“, so Dárdano. | |
## Uruguay leistet Überzeugungsarbeit | |
Davon unbeirrt setzt Uruguays Präsident auf den Freihandel mit China. | |
Tatsächlich ist es Lacalle Pou gelungen, die Ablehnungsfront im Mercosur | |
aufzuweichen. „Ich bin schon lange davon überzeugt, dass Uruguay Paraguays | |
natürlicher Zugang zum Meer ist“, sagte er im Mai beim Staatsbesuch in | |
Paraguays Hauptstadt Asunción und stellte dem Binnenstaat den Bau eines | |
eigenen Verladehafens an der Atlantikküste in Aussicht. | |
Im Juni erklärte er sich zum wiederholten Male bereit, den brasilianischen | |
Wunsch nach Senkung des gemeinsamen Außenzolls auf Importe aus | |
Nicht-Mercosurstaaten zu unterstützen. Als Gegenleistung steht am | |
Donnerstag die Flexibilisierungsfrage auf der Tagesordnung. Die Aussicht | |
auf eine mögliche Senkung des Außenzolls könnte Bolsonaro letztlich zur | |
Anreise bewegen. | |
## Ablehnung aus Argentinien | |
All dem steht Argentiniens Präsident ablehnend gegenüber. Alberto Fernández | |
sperrt sich gegen die Senkung des Außenzolls sowie die Aushöhlung des | |
Konsensprinzips. Ersteres zum Schutz der ohnehin angeschlagenen Industrie | |
im eigenen Land. Und letzteres aus Prinzip. Aber auch, weil er in der | |
kommenden Woche zum Staatsbesuch nach Washington reist. | |
Bei US-Präsident Joe Biden muss er um Lockerungen bei der Schuldentilgung | |
beim Internationalen Währungsfonds bitten, manche sagen gar betteln. Und | |
ohne das Okay aus Bidens Finanzministerium geht da nichts. Da kommt es | |
nicht gut, China gerade den Zugriff auf Südamerika erleichtert zu haben. | |
20 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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