# taz.de -- EU-Abkommen mit Mercosur-Staaten: Handelsvertrag gegen das Klima | |
> Nach der Wahl in Brasilien wollen die EU und Mercosur das auf Eis gelegte | |
> Freihandelsabkommen angehen. Nur: Wie passt das zu den Öko-Versprechen? | |
Bild: Jubelnde Lula-Fans: Brasiliens künftiger Präsident will den Handelsvert… | |
BERLIN taz | Kaum ist Luiz Inácio Lula da Silva gewählt, steht die | |
EU-Kommission schon in den Startlöchern, um das Freihandelsabkommen | |
zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund [1][Mercosur] neu | |
anzugehen. „Wir freuen uns darauf, mit den brasilianischen Behörden sowie | |
mit den anderen Mercosur-Ländern zusammenzuarbeiten, um den laufenden | |
Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen“, sagte eine | |
Kommissionssprecherin der taz. | |
Nach der Wahlniederlage von Jair Bolsonaro, dem rechtsextremen bisherigen | |
Präsidenten Brasiliens, könnte es schnell gehen mit einem Abkommen, das im | |
Falle eines Vetragabschlusses die größte Freihandelszone der Welt bilden | |
könnte. Die EU werden sich dem Abkommen schon im nächsten Jahr annehmen, | |
glaubt die EU-Abgeordnete Manuela Ripa (ÖDP). „Denn im Jahr 2024 finden | |
Europawahlen statt, und vielen Akteuren wird viel daran gelegen sein, das | |
Abkommen vorher unter Dach und Fach zu bringen, um Verzögerungen zu | |
vermeiden.“ | |
## Abkommen nicht mit „Green Deal“ vereinbar | |
Über zwei Jahrzehnte hatten die Mercosur-Saaten, zu denen Argentinien, | |
Uruguay, Paraguay und Brasilien gehören, und die EU das Handelsabkommen | |
verhandelt. Bis zuletzt blockierten Länder wie Deutschland das Abkommen. | |
Zuvor sei die EU zögerlich gewesen, ein Abkommen mit einer Regierung zu | |
schließen, die so eklatante Menschenrechte und Umweltschutz missachtet wie | |
die unter Bolsonaro, erklärt Lutz Weischer von Germanwatch. | |
„Grundsätzlich steigt mit Lulas Wahlsieg die Wahrscheinlichkeit, dass es | |
ein Abkommen geben wird.“ Was nicht unbedingt eine gute Nachricht sei. Das | |
Abkommen ziele darauf, [2][dass mehr Autos aus Europa in die | |
Mercosur-Staaten exportiert werden] und mehr Soja und Rindfleisch in die | |
EU. Sprich: eine Nachfragesteigerung von zwei Produkten, die mit an der | |
Klimakrise beteiligt sind, kritisiert Weischer. Einige | |
Umweltschutzorganisationen gehen sogar weiter: Das Abkommen sei mit dem | |
„Green Deal“, den europäischen Plänen zum Klimaschutz, nicht vereinbar. | |
Weil es die Klima- und Nachhaltigkeitsambitionen der EU untergrabe, hat | |
Manuela Ripa von der Fraktion der Grünen/EFA gegen das Abkommen gestimmt. | |
Schon jetzt importiere die EU ein Viertel der Agrarprodukte aus Südamerika | |
und befördere eine Landwirtschaft, die eigentlich eine wichtige | |
Stellschraube sein müsste, um CO₂-Emissionen zu verringern, sagte Ripa der | |
taz. | |
„Ganz abgesehen von den verheerenden Folgen für den Klimawandel, würde das | |
Mercosur-Abkommen den Einsatz von Pestiziden und Umweltgiften fördern“ – | |
entgegen dem, was die EU mit dem Green Deal eigentlich möchte. Schon 2019 | |
hat die EU-Kommission zusätzliche Umweltmaßnahmen verhandelt. Nicht genug, | |
so Ripa: „Eine vollständige Neuverhandlung des EU-Mercosur-Textes ist | |
erforderlich, wenn es den Entscheidungsträgern mit dem nachhaltigen Handel | |
ernst ist.“ | |
## Lula will abkommen neu aufrollen | |
Währenddessen rät der Veband der deutschen Wirtschaft, das | |
EU-Mercosur-Abkommen schnell zu ratifizieren: Auch andere große | |
Wettbewerbsnationen wie China seien in der Region aktiv, warnt Klemens | |
Kober vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Sie haben ein | |
starkes Interesse daran, vorhandene Lücken zu nutzen, wirtschaftliche | |
Vorteile abzuschöpfen und Regeln nach eigenen Vorstellungen zu setzen.“ | |
Nach seinem Wahlsieg machte Lula deutlich, dass er den unterschriftsreifen | |
Vertrag nicht einfach absegnen werde: Er kündigte an, das Abkommen neu mit | |
der EU verhandeln zu wollen. Das Abkommen noch einmal aufzurollen sei eine | |
Chance, sagt auch Weischer von Germanwatch. Organisationen erhoffen sich in | |
einem überarbeiteten Abkommen durchsetzbare und sanktionierbare Klauseln | |
zum Pariser Abkommen, Biodiversitätsabkommen und Menschenrechtsabkommen – | |
hoffentlich nicht nur ein „angeklebtes grünes Kapitel“. | |
7 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ann Esswein | |
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