# taz.de -- Kampf gegen Hamas im Libanon: Sorge vor Eskalation | |
> Im Libanon wurde der Hamas-Vizechef getötet. Er war auch für den Aufbau | |
> eines militärischen Netzwerks im Westjordanland zuständig. | |
Bild: Ort der Explosion: In dem mutmaßlichen Hamas-Büro in einem südlichen V… | |
BERLIN taz | Am Dienstagabend wurde der Vizechef des politischen Flügels | |
der Hamas, Saleh al-Aruri, bei einem Drohnenangriff in einem südlichen | |
Vorort von Beirut [1][gezielt getötet.] Medienberichten zufolge soll dort | |
das Hamas-Büro neben einer Apotheke und einem Süßigkeitenladen liegen. | |
Zusammen mit ihm wurden sechs weitere Hamas-Mitglieder getötet. Das | |
israelische Militär kommentierte den Angriff nicht, doch kaum jemand | |
bezweifelt, dass Israel für die Tötung verantwortlich ist. | |
Der hochrangige Hamas-Funktionär war unter anderem für den Aufbau eines | |
militärischen Netzwerks im Westjordanland zuständig. Seit seiner | |
Entlassung nach einer 20-jährigen Haftstrafe lebte er im Exil. Seit 2017 | |
war er im Libanon, wo er die Beziehungen zwischen Hamas und der vom Iran | |
gelenkten Hisbollah stärkte. Mit dem Kopf der Hisbollah, Hassan Nasrallah, | |
war er zudem in engem Kontakt. | |
Der Anschlag weckt nun Sorge vor einer weiteren Eskalation des Krieges. | |
Anschläge Israels auf Beirut gelten als rote Linie für die Hisbollah. Das | |
„Verbrechen“ werde „niemals ungestraft bleiben“, erklärte die Miliz. D… | |
libanesische Regierung stehe Medienberichten zufolge mit der Hisbollah im | |
Kontakt, um sie von einer möglichen Gegenreaktion abzuhalten. Hamas-Chef | |
Ismail Haniyeh nannte die Tötung aus seinem Exil in Katar einen | |
„terroristischen Akt“, sowie eine „Verletzung der libanesischen | |
Souveränität“ und eine „Erweiterung der israelischen Feindseligkeiten geg… | |
die Palästinenser“. | |
Die Hamas im Libanon steht unter der Kontrolle der Hisbollah. | |
Analyst*innen zufolge stimmen sich die Kämpfer mit der Hisbollah ab, | |
wenn sie vom Libanon aus Raketen abschießen. Im israelischen Militär | |
entstand während des Krieges zwischen Israel und dem Libanon 2006 die | |
sogenannte Dahie-Doktrin, nach der als Kollektivstrafe Wohngebiete zerstört | |
werden sollen, wenn von dort jemand Schüsse auf Israel abgibt. | |
Mögliche Eskalation im Westjordanland | |
Im Libanon werden mit dem Anschlag Erinnerungen an den Krieg geweckt, als | |
Israel die südlichen Vororte von Beirut, die sogenannte Dahie, | |
flächendeckend bombardierte. Dort liegt auch das Informationszentrum der | |
Hisbollah. Sie ist dort die stärkste politische Kraft, auch weil sie den | |
Sozialstaat ersetzt. Während Analyst*innen die Dahie und den Süden als | |
„Hisbollah-Hochburgen“ bezeichnen, betonen Intellektuelle und | |
Kulturschaffende, solche Analysen spalteten den Libanon. | |
„Jeder, der die Beiruter Vororte als Hisbollah-Hochburg bezeichnet, trägt – | |
bewusst oder unbewusst – dazu bei, die dortigen Bewohner als ‚Zivilisten‘ | |
auszuschließen, ihre Tötung zu legitimieren und Spaltung zu säen“, schrieb | |
der libanesische Künstler [2][Bassem Saade auf X.] „Wie brechen wir den | |
Zyklus von Gegenschlag und Rache?“, fragte die libanesische Architektin | |
Mayssa Jallad auf Instagram. | |
Israel bereite sich auf „jedes Szenario“ vor, erklärte das israelische | |
Militär, und damit nicht nur auf einen Vergeltungsschlag der Hisbollah, | |
sondern auch auf eine mögliche Eskalation im Westjordanland. Dort wurde | |
israelischen Medienberichten zufolge für Mittwoch zu einem Generalstreik | |
und Zusammenstößen mit dem israelischen Militär aufgerufen. Auch ist | |
möglich, dass den noch rund 120 im Gazastreifen festgehaltenen israelischen | |
Geiseln etwas angetan wird. | |
Hisbollah hält sich bisher zurück | |
Vor der Tötung al-Aruris herrschte angesichts stattfindender Verhandlungen | |
in Israel leise Hoffnung, dass die Hamas ihren Standpunkt geändert habe und | |
zu einem weiteren Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische | |
Gefangene bereit sein könnte. Doch nach der Explosion in Beirut brach Hamas | |
die Gespräche ab. Arabische diplomatische Quellen sagten der israelischen | |
Tageszeitung Haaretz, dass sich die Gespräche nun darauf konzentrierten, | |
eine Eskalation an der israelisch-libanesischen Grenze zu verhindern. | |
[3][Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah] will am Mittwochabend vor die Presse | |
treten, seine Rede wird mit Spannung erwartet. Seine Worte wiegen mehr als | |
die der Regierung. Diese ist seit Mai 2022 provisorisch im Amt. Seit über | |
einem Jahr gibt es keinen Präsidenten. Zwar kämpfen Milizen der Hisbollah | |
an der Grenze zu Israel seit dem Ausbruch des Krieges mit dem israelischen | |
Militär. Auf beiden Seiten der Grenze gab es bereits zivile Tote und | |
Verletzte, viele haben ihre Häuser evakuiert. | |
Doch bislang ist die angespannte Situation an der Grenze [4][nicht weiter | |
eskaliert.] Nasrallah machte in vorherigen Reden seit Beginn des | |
Gaza-Krieges deutlich, dass die Hisbollah die Hamas unterstütze, aber nicht | |
an der Frontlinie stünde. In seiner letzten Rede forderte er einen | |
Waffenstillstand und erklärte, der Kampf werde in Gaza entschieden. Und | |
das, obwohl Israel in den Augen der Hisbollah rote Linien überschritten | |
hatte, wie die Bodenoffensive in Gaza oder Angriffe auf Zivilist*innen | |
im Libanon zeigten. | |
Die Frage ist, ob sich [5][Nasrallah ein weiteres Mal zurückhält,] in den | |
Krieg einzutreten. Er könnte etwa argumentieren, die Tötung sei ein Angriff | |
auf ein palästinensisches, nicht libanesisches Ziel. Auf dieses Argument | |
beruft sich auch Mark Regev, ein Berater des israelischen Premierministers | |
Benjamin Netanjahu, in dem Versuch, zu deeskalieren: Israel habe nicht die | |
Verantwortung für diesen Anschlag übernommen, aber „wer auch immer es getan | |
hat, es muss klar sein: Dies war kein Angriff auf den libanesischen | |
Staat“. Aus den USA kam bislang keine Reaktion. Medienberichten zufolge | |
sollen sie erst während der Operation über die Tötung informiert worden | |
sein. | |
Nach dem 7. Oktober soll die israelische Regierung Medienberichten zufolge | |
einen Präventivschlag auf die Hisbollah im Libanon erwogen haben. Die USA | |
hätten jedoch Zweifel angemeldet. Die dpa meldet, dass die USA auf den | |
getöteten Hamas-Anführer Saleh al-Aruri ein Kopfgeld in Höhe von | |
umgerechnet etwa 4,5 Millionen Euro ausgesetzt hatten. Eine Belohnung bis | |
zu dieser Höhe versprach das US-Außenministerium für Hinweise zu seiner | |
Person. | |
3 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Toetung-von-Hamas-Anfuehrer-Saleh-al-Aruri/!5979915 | |
[2] https://twitter.com/bassemsaade?lang=en | |
[3] /Rede-von-Hisbollah-Chef-Nasrallah/!5972272 | |
[4] /Lage-im-Suedlibanon/!5966616 | |
[5] /Hisbollah-Chef-will-Waffenstillstand/!5972269 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
Judith Poppe | |
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