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# taz.de -- Aktivistin zur Landwirtschaft im Libanon: „Lokal und zirkulär au…
> Inflation und Klimakrise lassen Bäuer*innen im Libanon umdenken, sagt
> Yara Ward. Die ökologische Landwirtschaft werde zur echten Alternative.
Bild: Kleinbäuerliche Landwirtschaft wird wieder hip im Libanon. In einem Dorf…
taz: Yara Ward, bei der „[1][Alternativen Grünen Woche]“ haben Sie zum
Thema „Agrarökologische Transformation in Krisenzeiten“ referiert. Wie
läuft das in Ihrer Heimat im Libanon?
Yara Ward: Besser als vor der Krise. Mittlerweile sind die Bäuer*innen
offener dafür. Das war vor einigen Jahren anders. Damals war die
industrielle Landwirtschaft noch sehr profitabel. Mittlerweile haben wir
aber die höchste Inflationsrate nach Venezuela. Unsere [2][Währung hat seit
2019 etwa 60-mal ihren Wert gegenüber dem Dollar verloren].
Was verändert das?
Unsere Landwirtschaft ist extrem abhängig vom Import industrieller und
chemischer Produktionsmittel wie Dünger, Pestizide oder Hybridsamen. Viele
Bäuer*innen können sich diese Produkte jetzt kaum mehr leisten und sind
gezwungen, sich bei den Firmen zu verschulden, die sie herstellen, weil sie
keine Kredite bei Banken oder dem Staat bekommen. Die Abhängigkeit nimmt so
immer weiter zu. Wenn es dann aufgrund der Klimakrise Dürren oder
Starkregen gibt, geht schnell die ganze Ernte verloren. Das bedeutet große
Verluste. Und plötzlich sind die Bäuer*innen maßlos überschuldet und
finden keinen Ausweg mehr. Viele begehen Suizid. Es ist schrecklich. Die
Alternative ist, die Produktion umzustellen.
Wie erleben Sie [3][die Klimakrise im Libanon?]
Wie viele andere Orte auf der Welt haben wir trockenere Sommer und
feuchtere Winter. Eigentlich sollte uns das nicht viel ausmachen. Wir haben
fruchtbare Böden, Wasser, Berge, perfektes Wetter. Wir sind nicht in der
Golfregion oder der Arktis. Wir müssten also besonders resilient sein.
Stattdessen sind wir besonders vulnerabel.
Weshalb?
Die Probleme sind hausgemacht. Unsere korrupten Eliten haben die
Landwirtschaft auf industrielle Monokultur ausgerichtet. Viele
Bäuer*innen arbeiten seit Jahrzehnten konventionell. Ihre Böden nehmen
nicht mehr ausreichend Feuchtigkeit auf. Wenn es viel und stark regnet,
erodieren die oberen, fruchtbaren Bodenschichten. Sie lösen sich ab und
fließen zum Teil ins Meer. Für die Bäuer*innen ist das eine Katastrophe.
Und Agrarökologie kann diese Probleme lösen?
Ja, [4][weil der Ansatz die Probleme direkt angeht] und das
Ernährungssystem zirkulär neu denkt: weniger importabhängig, fokussiert auf
die lokale Produktion und Resilienz. Dabei geht es nicht nur um
Anbauprinzipien, sondern auch um Marktzugänge. Lokale Märkte können
Bäuer*innen helfen, mehr Geld für ihre Produkte zu bekommen, Schulden zu
überwinden und die Abhängigkeiten von der industriellen Landwirtschaft zu
lösen. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Verbesserung der Bodenqualität.
Das trägt dazu bei, unser Ökosystem wieder zu stabilisieren, sodass es
resilienter auf Extremwetterereignisse reagieren kann.
In Deutschland gab es in den letzten Wochen große Proteste von
Landwirt*innen. Haben Sie davon etwas mitbekommen?
Ja. Und ich denke, die Landwirt*innen protestieren für die falschen
Ziele. Ich verstehe, dass sie ihre Subventionen aufrechterhalten wollen. Es
ist wie eine Droge und sie sind abhängig. Aber das ist falsch. Sie sollten
für ein anderes System, eine andere Landwirtschaft demonstrieren. Das
aktuelle System ist absurd.
Weshalb?
Es basiert auf einem massiven Im- und Export von Lebensmitteln. Das ist
ökologisch absurd. Zudem ist das System, also der neoliberale Kapitalismus,
fragil. Das sagen viele und die Entwicklung im Libanon beweist, dass es
stimmt: In Krisenzeiten ist unsere Wirtschaft schwach. Das gilt natürlich
nicht für den CEO von Monsanto, sondern eben für 80 Prozent der
Weltbevölkerung.
Auch hierzulande verdichten sich die Krisensymptome. Was könnten die
deutschen Bäuer*innen von Ihnen lernen?
Zentral ist, sich auf das Lokale zu fokussieren. Es braucht lokale
Lieferketten, lokalen Konsum, lokalen Anbau. Und das alles muss zirkulär
gedacht sein. Nur so kann die Landwirtschaft eine Krisenresilienz
entwickeln. Die lokalen Zirkel dürfen aber nicht geschlossen sein. Sie
müssen miteinander kommunizieren und sich austauschen, also im Sinne der
Zapatistas: „Think global, act local!“
International zu denken ist gerade angesichts des Nahostkonflikts schwer.
Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?
Viele Menschen fühlen eine große Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit. Das
merken wir auch in unserer Arbeit. Und erst kürzlich war einer unserer
Bauern an der israelischen Grenze physisch betroffen. Er musste fliehen,
weil sein Dorf von der israelischen Armee bombardiert wurde. Insgesamt
haben wir in den Grenzregionen eine agrarökologische Anbaufläche von 600
Fußballfeldern verloren. Dort standen uralte Olivenbäume. Die Flächen
wurden von illegalen Phosphorbomben getroffen.
25 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.boell.de/de/landwirtschaft-anders-unsere-gruene-woche-2024
[2] /Wirtschaftskrise-im-Libanon/!5950423
[3] /Klimaaktivist-ueber-Mittleren-Osten/!5934016
[4] /Globale-Ernaehrungssicherheit/!5915324
## AUTOREN
Tobias Bachmann
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lokale Projekte vor Ort fördern. Die Höfe vor Ort müssen eigene Lösungen
finden.
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