Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krieg in Gaza: Es muss auch ohne Israel gehen
> Mit Netanjahu wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben. Nötig ist
> jetzt eine Initiative der internationalen Staatengemeinschaft.
Bild: Benjamin Netanjahu bei einer Sicherheitsunterweisung in Nord-Gaza, 25.12.…
Zum Jahreswechsel wartet die Welt auf Zeichen aus dem Nahen Osten: dass der
von der Hamas provozierte Krieg bald beendet wird; dass Israel den
Gazastreifen nicht mehr wie bisher flächendeckend bombardiert; dass
Israelis und Palästinenser bereit sind, zu einer politischen Lösung zu
kommen. Doch bislang wartet die internationale Staatengemeinschaft
vergeblich.
Stattdessen gab Israels Premier Benjamin Netanjahu [1][via Wall Street
Journal weiterhin eine harte Linie vor]: Die Hamas müsse vernichtet, Gaza
entmilitarisiert und die palästinensische Gesellschaft entradikalisiert
werden. Erst dann seien die Kriegsziele seines Landes erreicht.
Netanjahu geht es um sein politisches Überleben. Seine Worte sind gerichtet
an seine rechtsextreme Klientel im Land und an jene Teile seiner Regierung,
die dem Dogma anhängen, es könne ein sicheres Israel ohne einen eigenen
palästinensischen Staat geben. Aber wenn das die Positionierung ist, wird
es mit dem Israel Netanjahus absehbar nicht den Hauch einer politischen
Lösung geben.
Denn die Hamas kann vielleicht im Gazastreifen militärisch niedergerungen,
absehbar aber nicht als Organisation zerstört werden. Als Ableger der
ägyptischen Muslimbruderschaft existiert sie unabhängig von der
militärischen Struktur. Die politische Führung der Hamas sitzt weitgehend
ungefährdet und auskömmlich finanziert in Katar. Und selbst wenn es der
israelischen Armee tatsächlich gelingen sollte, die Führung der Hamas um
Jahja Sinwar zu töten, würde sich daran nichts ändern. Hamas als Idee einer
religiösen, dschihadistischen Bewegung wird für eine lange Zeit
weiterleben.
Eine Entmilitarisierung von Gaza, Netanjahus zweite Bedingung, würde selbst
beim derzeitigen israelischem Kriegskurs noch viele Monate, vielleicht
Jahre dauern. Die militärische Kapazität der Hamas ist angegriffen, aber
nicht vernichtet. Und da die israelische Armee unter gefühlt jedem zweiten
Gebäude in Gaza militärische Strukturen oder Waffendepots findet, wäre eine
vollkommene Entmilitarisierung nur dann möglich, wenn man den ganzen
Küstenstreifen [2][dem Erdboden gleichmachte] und danach auch noch umgrübe,
um alle Tunnel zu vernichten.
Entmilitarisierung kann also nur eine Metapher dafür sein, die militärische
Befehlsstruktur der Hamas zu zerstören. Im Büro von Joaw Galant, dem
israelischen Verteidigungsminister, hängt angeblich ein Poster: Mit
Fahndungsfotos soll die militärische Struktur der Hamas in Gaza dargestellt
sein.
Diejenigen, die die israelische Armee seit dem 7. Oktober getötet oder
gefangen genommen hat, sind demnach mit einem X markiert. Auf diesem Poster
ist das eigentliche Kriegsziel Israels in wenigen Bildern verdichtet: Es
geht darum, so viele Köpfe aus der Spitze der Hamas wie möglich zu töten –
natürlich auch die beiden militärischen Köpfe der Hamas in Gaza, Jahja
Sinwar und Mohammed Deif. Dass Israel den Krieg in Gaza beendet, bevor
Sinwar und Deif gefangen oder getötet sind, ist unwahrscheinlich. Doch
selbst dieses Ziel liegt noch in ungewisser Ferne, auch wenn Israels
Militär jetzt Chan Junis und den südlichen Gazastreifen ins Visier genommen
hat.
## Neuer Hass wird gesät
Und wie ist es um das dritte Kriegsziel, der Deradikalisierung der
palästinensischen Gesellschaft, bestellt? In den palästinensischen Gebieten
wie in der Unterstützungsbewegung weltweit tönt der Schlachtruf des
globalisierten Antisemitismus „From the river to the sea“. Es ist diese
Gesinnung, aus der der 7. Oktober folgte.
Ohne eine Deradikalisierung der palästinensischen Gesellschaft kann es ganz
offenkundig keine politische Lösung geben. Aber der Krieg in Gaza bewirkt
nur eines: Der Schlachtruf schwillt an. Das Israel Netanjahus ist an einem
Prozess der Deradikalisierung auf absehbare Zeit nicht beteiligt. Wohl nur
dessen Sturz könnte Hoffnung darauf bergen.
Die Welt kann weiter lange auf Zeichen aus Israel warten. Nentanjahu hat
vielfach dokumentiert, wie er sich eine politische Lösung vorstellt: ohne
Palästinenser. Das neue Jahr braucht deshalb möglichst schnell eine
Initiative der internationalen Staatengemeinschaft, [3][die über folgenlose
UN-Resolutionen hinausgeht], einem angegriffenen Israel Solidarität
zusichert und deutlich macht, dass eine politische Lösung nur darin
bestehen kann, beiden Völkern Raum zu geben. Sie muss konkrete Schritte
beinhalten. Man kann der Welt Härte und Konsequenz gegen die Hamas
vermitteln, aber nur, wenn es für alle anderen Palästinenser Hoffnung und
eine Perspektive gibt.
Erst wenn dieser Prozess – im Zweifel zunächst auch ohne israelische
Beteiligung – durch die internationale Staatengemeinschaft in Gang gesetzt
ist, wird aus Netanjahus Dreiklang eine Politik, die die Idee eines
Friedens im Nahen Osten in sich trägt.
29 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.wsj.com/articles/benjamin-netanyahu-our-three-prerequisites-for…
[2] /Israelische-Geiseln/!5980359
[3] /Resolution-gegen-den-Krieg-in-Nahost/!5981754
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel Defense Forces (IDF)
Benjamin Netanjahu
GNS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schlagloch
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Israelische Armee
## ARTIKEL ZUM THEMA
Völkermord-Verfahren gegen Israel: Die Botschaft aus Den Haag
Der Internationale Gerichtshof hat Israel zur Beendigung der Blockade Gazas
aufgefordert. Der Genozid-Vorwurf kann nicht einfach abgetan werden.
Israels Krieg in Gaza: Das laute Schweigen der Deutschen
Mit der Haltung zum Nahost-Krieg verrät Deutschland seine Werte. Statt den
Kurs zu hinterfragen, verstehen sich Medien als Hüter der „Staatsräson“.
Kampf gegen Hamas im Libanon: Sorge vor Eskalation
Im Libanon wurde der Hamas-Vizechef getötet. Er war auch für den Aufbau
eines militärischen Netzwerks im Westjordanland zuständig.
Westliche Werte: Zahltag für den Westen
Die trotzige Zurückweisung berechtigter Fragen funktioniert nicht mehr. Die
Verteidigung der Freiheit muss auch Selbstkritik einschließen.
Iran und der Westen: Säbelrasseln im Roten Meer
Die Spannungen zwischen dem Westen und Iran sowie seinen Verbündeten
steigen. Großbritannien droht, Iran verlegt ein Kriegsschiff vor den Jemen.
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Angriff auf Hamas-Büro in Beirut
Bei einem israelischen Drohnenangriff in einem Beiruter Vorort werden vier
Menschen getötet, darunter laut Sicherheitskreisen auch der Vize-Chef des
Hamas-Politbüros.
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Südafrika wirft Israel Genozid vor
Israel steht angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg
international zunehmend in der Kritik. Jetzt wird sogar das Weltgericht
angerufen.
Resolution gegen den Krieg in Nahost: Bisher ohne Wirkung
Laut humanitären Helfern verschlechtert sich die Lage in Gaza – trotz
UN-Sicherheitsratsresolution. Israel sieht die Schuld bei
Hilfsorganisationen.
NS-Geschichte und Gaza: Wer Gaza sagt, muss Dresden sagen
Deutsche Täter sind keine Opfer, hieß es nach den Bombardements deutscher
Städte 1943. Wie hängt das mit der Wahrnehmung von Gaza zusammen?
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: IDF durchsucht Schifa-Klinik
Die israelische Armee rückt ins Innere des Schifa-Krankenhauses in Gaza
vor. Laut den USA nutzt die Hamas Krankenhäuser für militärische Zwecke.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.