# taz.de -- Kampagne gegen Attila Hildmann: Stummgeschaltet | |
> Aktivist:innen haben fast alle Kanäle von Attila Hildmann lahmgelegt. | |
> Ein Vertrauter hatte monatelang Beweise gegen ihn gesammelt. | |
Bild: Attila Hildmann so wie er es mag: beim Verkünden seiner Verschwörungser… | |
Seit mittlerweile anderthalb Jahren verbreitet der [1][Imbissbesitzer | |
Attila Hildmann] Hass im Netz: Er postet Hakenkreuze, leugnet den Holocaust | |
und beschimpft Personen des öffentlichen Lebens mit antisemitischen | |
Schmähungen. Über 100.000 Abonnent:innen lesen zeitweise seine | |
rechtsextremen Inhalte in der Messenger–App Telegram. Nun hat Hildmann den | |
Zugang zu seinen Webseiten und seinen Haupttelegram-Kanälen verloren und | |
damit seine größte Möglichkeit der Machtausübung: sein Sprachrohr. | |
Wo sonst vegane Kochbücher verkauft werden, erscheint nun die bekannte | |
weiße Maske der Hacker-Gruppierung Anonymous. Auch gibt es dort eine Art | |
Bekennervideo zu sehen, in dem eine Computerstimme sagt: „Hallo | |
Deutschland, hallo Attila Hildmann.“ | |
[2][Die Gruppe „Anonymous Germany“], die schon früher mit Hackerangriffen | |
auf Rechtsextreme und verschwörungsideologische Akteure Webseiten lahm | |
gelegt hatte, arbeitet bereits seit Mai 2020 an der Kampagne „Operation | |
Tinfoil“, also Operation Alufolie. Mit Unterstützung aus den USA, Kanada | |
und vielen weiteren Ländern will das deutsche Kollektiv damit laut eigenen | |
Angaben gegen Verschwörungserzähler kämpfen. Damit „am Ende nicht aus einem | |
Verschwörungsmythos eine Verschwörung gegen den Staat und die freiheitlich | |
demokratische Grundordnung der Staaten erwächst“. | |
## Zum Rundumschlag ausgeholt | |
In zahlreichen Aktionen hat sich das Kollektiv seitdem mit der deutschen | |
„Querdenken“-Bewegung auseinandergesetzt und unter anderem Tausende | |
[3][Mitgliederdaten der verschwörungideologischen Partei „Die Basis“ | |
erbeutet.] Im Juni vergangenen Jahres entfernten sie beispielsweise knapp | |
2.200 Mitglieder aus einem Telegram-Kanal namens „Demokratenchat“, nachdem | |
sie diesen gehackt hatten. Außerdem veröffentlichten sie interne Text- und | |
Sprachnachrichten aus dem Adminchat von Hildmann und seinen Unterstützern. | |
In den Tagen zuvor hatte Attila Hildmann immer wieder die Mitglieder seiner | |
Telegram-Gruppe dazu aufgefordert, sich als Admin für die Gruppe | |
„Demokratenchat“ zu bewerben. Diesem Aufruf folgten damals auch Mitglieder | |
vom Anonymous Kollektiv, um dann nicht nur Mitglieder zu löschen, sondern | |
den Chat auch mit über 1.000 Memes zu fluten, die sich über Hildmann lustig | |
machten. | |
Nun aber hat das Kollektiv zum Rundumschlag ausgeholt, mit Unterstützung | |
aus dem direkten Umkreis von Attila Hildmann. Laut Anonymous ist [4][„The | |
Final Chapter“] angebrochen. Am 18. August meldete sich ein User über den | |
Matrix-Server des Kollektivs. Er wolle mit einem Admin sprechen. Es sei | |
dringend. | |
Nach eigenen Angaben betreute er mehr als ein Jahr lang die Social | |
Media-Auftritte Hildmanns und kümmerte sich um die allgemeine IT-Sicherheit | |
des Verschwörungsideologen. Damit wurde er der perfekte Informant für | |
Anonymous. Denn jetzt wollte er aussteigen, er sei kein Nazi, Hildmann aber | |
schon, so sagt er es in mehreren Chatgesprächen mit dem Kollektiv. | |
Der Mann, der im Internet Kai E. genannt wird, steht dazu, dass er | |
Verschwörungsgläubiger ist. Er sei aber kein Rassist und glaubt an die | |
Pandemie. Drosten allerdings vertraut er nicht, denn die PCR-Tests dienten | |
nur dazu, die Zahlen hochzutreiben. Zunächst hatte er Hildmann für „einen | |
korrekten Dude“ gehalten, der in der Pandemie auch mal andere Ansichten | |
ausspricht. Er wollte ihn unterstützen, mit seinem technischen Know-How. | |
Seitdem er aber Hakenkreuze verbreitet und sich ständig antisemitisch | |
äußert, will er sich von ihm loslösen. Und dafür hat er die vergangenen | |
Monate laut Anonymous Deutschland Daten gesammelt. | |
## Der enge Vertraute „Kai E.“ | |
So übergab „Kai E.“ dem Kollektiv Zugangsdaten von mehr als zwanzig | |
Mail-Accounts und Seiten von Hildmann wie attilahildmann.de und | |
attilahildmann.com. Nicht nur haben die Hacker die Telegram-Kanäle von | |
Hildmann vorerst übernommen, sie haben auch seine Webseiten defacet, | |
spielen dort also nun eigene Inhalte. Auf seiner Webseite | |
[5][attilahildmann.de] beispielsweise ist das sich drehende Logo von | |
Anonymous zusehen, darunter ein Video von einem Mann mit typischer | |
Anonymous-Maske und verzerrter Stimme. | |
Zudem kündigte das Kollektiv an, die konkreten Inhalte aus den E-Mails in | |
den kommenden Tagen an Behörden und Presse weiterzuleiten. Unter anderem | |
soll aus den Daten hervorgehen, welche Unternehmen trotz Hildmanns | |
öffentlicher Radikalisierung mit ihm weitergearbeitet haben und welche | |
Personen, die öffentliche Ämter bekleiden, in Chats ihre Hilfe und | |
Mitarbeit angeboten haben sollen. | |
Am Montagabend hat sich auch Atilla Hildmann zu dem Vorfall geäußert und | |
bestätigt, dass ein früherer Unterstützer seine Daten weitergegeben hat. In | |
einer Audionachricht auf einem neu eingerichteten Kanal auf Telegram | |
erklärte der 40-Jährige: „Es war ja keine Hack-Aktion, es war eine | |
Überläuferaktion. Da wurde nichts gehackt, da hatte nur jemand Zugang zu | |
allen Daten und hat sie an den Mossad, BND und Antifa gegeben.“ | |
Hildmann befindet sich schon seit einiger Zeit mutmaßlich in der Türkei. Im | |
Februar war er aus seinem Haus im brandenburgischen Wandlitz geflüchtet, um | |
der Berliner Staatsanwaltschaft zu entgehen. Mit dabei wohl auch: Kai. | |
Zuvor war Haftbefehl wegen des Verdachts der Volksverhetzung, öffentlicher | |
Aufforderung zu Straftaten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gegen | |
Hildmann erlassen worden. Bislang war unklar, wie Hildmann die Flucht | |
gelingen konnte und wer ihn zuvor gewarnt hatte. | |
Nun soll es konkrete Hinweise dazu geben, dass die Informationen zum | |
Haftbefehl tatsächlich aus der Berliner Justiz durchgestochen worden sein | |
sollen. Auch erheben die Hacker weitere schwere Vorwürfe gegen die Polizei: | |
Der Informant „Kai“ soll demnach mutmaßlich justiziable Videos von der | |
Hildmann-Plattform wtube.org an die Behörden weitergeleitet haben. Bisher | |
habe er dazu aber keine Reaktion erhalten. | |
## Twitter sperrt Anonymous Deutschland | |
Nur wenige Stunden, nach dem das Anonymous-Kollektiv die Kontrolle über | |
Websites und Telegram-Kanäle von Attila Hildmann übernommen hatte, sperrte | |
[6][Twitter das Konto des Kollektivs]. Zunächst war unklar warum. | |
Mittlerweile hat Twitter sich jedoch auf Anfrage von t-online geäußert. Ein | |
Sprecher des Netzwerks erklärte, dass das Konto dauerhaft gesperrt wurde, | |
da gegen drei Richtlinien der Plattform verstoßen wurde: die Richtlinie zur | |
Verbreitung von gehacktem Material, die Richtlinie zu privaten | |
Informationen und gegen die Richtlinie zu Plattformmanipulation und Spam. | |
„Es ist nicht erlaubt, private Informationen anderer Personen ohne deren | |
Erlaubnis zu tweeten“, so der Sprecher. „Dazu gehören auch Inhalte, die | |
illegal erworben oder gehackt wurden. Sie dürfen auch nicht damit drohen, | |
private Informationen preiszugeben, oder andere dazu auffordern, dies zu | |
tun.“ | |
Den Freudenjubel über die gelungene Aktion lässt sich das Kolletiv | |
allerdings trotzdem nicht nehmen: „Eines sollte aber jedem klar sein, der | |
Anonymous kennt: die Arbeit endet nicht. Wer glaubt, das Anonymous | |
Kollektiv wäre dadurch in seiner Arbeit eingeschränkt, der irrt. Sehr | |
sogar. Wer glaubt, es käme bei Anonymous auf einen Account an, der irrt. | |
Sehr sogar. Wer glaubt, Anonymous sei jemals zum Schweigen zu bringen, der | |
irrt. Sehr sogar“, heißt es auf ihrer Webseite. | |
Unter dem Hashtag #FreeAnonNewsDE fordern schon mehrere Hundert Befürworter | |
des Kollektivs die Sperrung aufzuheben. „Twitter sperrt Anonymous, weil sie | |
den rechten Hassprediger Attila Hildmann und dessen Netzwerke lahmgelegt | |
haben. Schaltet den Twitter-Account wieder frei“, fordert beispielsweise | |
die Piratenpartei auf der Social-Media-Plattform. | |
## Und jetzt? | |
Wie es weitergeht, kann wohl zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen. Klar | |
ist: Wenn sich die Vorwürfe gegen staatliche Akteure und Personen des | |
öffentlichen Lebens bewahrheiten, könnte es zu beruflichen Konsequenzen, | |
aber auch zu gesellschaftlichen Ächtung führen. Gleichzeitig bleibt die | |
Frage, was nun die nächsten Schritte von Attila Hildmann sein werden. | |
Die Zahl seiner Follower:innen sind schon in den vergangenen Monaten | |
stetig gesunken, nun fehlt ihm auch noch die Plattform. Momentan ist er | |
kaum in der Lage mit seinen veganen Kochbüchern Geld zu verdienen. Nachdem | |
diverse Buchhandlungen sowie der Online-Versandhandel Amazon sie bereits | |
aus dem Sortiment genommen haben, kann er sie nun nicht mal mehr auf seinen | |
eigenen Seiten verkaufen. Hildmann scheint bis auf Weiteres stumm gestellt. | |
15 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Attila-Hildmann/!t5709029 | |
[2] /Anonymous/!t5022860 | |
[3] /Attila-Hildmanns-Telegram-Account/!5775338 | |
[4] https://anonleaks.net/2021/optinfoil/attila-hildmann-the-final-chapter/ | |
[5] https://www.attilahildmann.de/ | |
[6] https://twitter.com/anonnewsde?lang=de | |
## AUTOREN | |
Malaika Rivuzumwami | |
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