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# taz.de -- Ein Tennismatch in Wandlitz: Sport neben Honecker-Villa
> Manchmal muss man auch deswegen raus aus Berlin, weil einem da die
> richtige Bleibe fehlt. Eine Tennishalle zum Beispiel. In Wandlitz gibt es
> die.
Bild: Ein Hauch von Geschichte umweht uns: Wandlitzsee bei Berlin
Wir lassen Berlin langsam hinter uns und erreichen, in Richtung Norden
fahrend, Brandenburg. Die ersten Deutschlandfahnen in den Vorgärten wehen
im Wind. Nach fast einer Stunde erreichen wir unser Ziel: Wandlitz.
[1][Joseph Goebbels hatte hier einst seinen Wohnsitz]. Und in der DDR
machten es sich die Parteibonzen in der Gemeinde gemütlich. Walter
Ulbricht, Egon Krenz und Erich Honecker besaßen hier, umgeben von viel
Wald, ihre Villen. In einem gut abgesicherten Areal hatten sie Zugang zu
Vielem, wovon der gemeine Ossi nur träumen konnte, wahrscheinlich gab es
sogar Bananen.
Und zweifelhafte Gestalten zieht der Ort bis heute an: bis vor Kurzem lebte
auch der durchgeknallte ehemalige [2][Vegan-Gastronom Attila Hildmann]
hier, der inzwischen untergetaucht ist. Wahrscheinlich konnte er so seine
geistige Nähe zu Goebbels noch besser spüren.
Ein Hauch von Geschichte umweht uns also bei der Ankunft. Aber wir sind
nicht hier als Hobbyhistoriker und auch nicht, weil es gerade wieder sehr
angebracht ist, den Spuren von Diktaturen und komplett Irren zu folgen.
Sondern wegen was ganz anderem: um Tennis zu spielen im Sportzentrum
Wandlitz. Da wir in einem popeligen Verein im Osten Berlins beheimatet
sind, der sich keine Tennishalle für den Winter leisten kann, müssen wir
hierher für ein Punktspiel gegen einen anderen popeligen Ostberliner Verein
ohne Halle.
Ein ganz schöner Aufwand, bei dem man sich schon fragt, ob sich der lohnt.
Vor allem dann, wenn man wie ich gleich sein Einzel und sein Doppel
verliert und damit ganz offiziell zum Depp des Tages gekürt wird.
Der Wandlitzer See soll sehr schön sein, die Gaststätte Goldener Löwe
könnte locken. Aber dafür bleibt keine Zeit. Wir werden dazu genötigt, den
ganzen Tag in einer zugigen Tennishalle zu verbringen, in der sich der
Belag schon ein wenig wellt und es durch die Decke tropft. „Ich könnte mir
jetzt auch gut vorstellen, einfach nur auf der Couch zu liegen“, sagt einer
unserer Gegner. Ich verstehe ihn nur zu gut.
Um die Halle herum ist überall Wald, es riecht nach Natur. Man kann gut
nachvollziehen, was die SED-Kader damals hier anziehend fanden und warum
die Gegend heute ein beliebtes Erholungsgebiet ist.
Bei so einem Punktspiel schwingt man nicht nur den Schläger, sondern sitzt
auch viel herum und feuert die anderen aus seinem Team an. Dabei wird nicht
nur dezent geklatscht, sondern auch gebrüllt. Es fallen Begriffe wie
„Bombenaufschlag“ und „Mörder-Slice“, bis einem auffällt, dass diese …
nicht so angebracht sind. Zwischendurch sickert dann noch die Nachricht
durch, dass der Wahnsinnige im Kreml jetzt sogar mit einem Atomkrieg droht.
Was nicht gerade dabei hilft, sich auf seine Vorhand zu konzentrieren.
An Hildmanns Villa fahren wir auf der Rückfahrt nicht mehr vorbei. In
Wandlitz wird gerade dazu aufgerufen, Wohnraum für Geflüchtete aus der
Ukraine zur Verfügung zu stellen. Ich bin mir sicher, Hildmanns Bude wäre
für diesen Zweck das Richtige.
14 Mar 2022
## LINKS
[1] /Geschichtstraechtiger-Ort-bei-Berlin/!5700822
[2] /Interne-Infos-an-Attila-Hildmann/!5811968
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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Zeitgeschichte
Fahrrad
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