Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jugendheim „Neustart“ in Brandenburg: Aufnahmestopp und harte A…
> Brandenburg erteilt der Einrichtung „Neustart“ zum zweiten Mal harte
> Auflagen. Aktuelle Bewohner bestätigen einige der Vorwürfe gegen das
> Personal.
Bild: Kein Neustart in Jänschwalde
Hamburg taz | Das brandenburgische Jugendministerium hat für das Kinderheim
„Neustart“ bei Jänschwalde einen Aufnahmestopp verfügt und zum zweiten Mal
in Folge Auflagen erteilt. Es handle sich um Maßnahmen zur „Sicherung des
Kindeswohls“, die keine Vorverurteilung bedeuteten. Die taz hatte am 21.
September über Vorwürfe berichtet, die fünf ehemalige Bewohner erhoben.
Unter anderem waren sie eingangs [1][in ihren Zimmern isoliert, hatten
Milchglasfolie an den Fenstern und tagsüber keine Matratze auf dem Bett.]
Sie berichteten von strengen Frage-Ritualen, abgeschlossen Türen und
einzelnen Übergriffen.
Das Heim des Arbeiter-Samariter-Bunds Lübben liegt im Wald bei Jänschwalde
und hat rund 30 Plätze für Kinder- und Jugendliche im Alter von zwölf bis
achtzehn Jahren. Aufnahmestopp heißt, dass dort bis zur Klärung der
Vorwürfe keine Kinder aufgenommen werden. Auch wird einem Mitarbeiter
vorerst der Umgang mit den Kindern untersagt.
Zudem darf das „Chip-System“, mit dem Jugendliche sich bei Wohlverhalten
persönliche Freiheiten wie länger telefonieren oder sich schminken dürfen
erkaufen mussten, nicht mehr angewendet werden. Derartige Methoden wurden
jüngst vom Deutschen Ethikrat kritisiert. Mit sofortiger Wirkung
auszusetzen sei auch das „Anklopf-Verfahren für den Gang der
untergebrachten Kinder und Jugendlichen zur Toilette“, schreibt das von der
SPD-Politikerin Britta Ernst geleitete Ministerium für Bildung, Jugend und
Sport (MBJS) in Potsdam. Dort liegt seit Montag ein Brief vor, in dem ein
Jugendlicher dieses entwürdigende Verfahren detailliert beschreibt. Er
musste für einen Toilettengang sechs oder sieben Fragen stellen.
Bereits vor einer Woche hatte das MBJS als Reaktion auf den taz-Artikel
[2][mehrere Auflagen erteilt und deren Umsetzung am 25. September mit einem
unangekündigten Besuch kontrolliert.] So wurde die an den Fenstern
angebrachte Milchglasfolie durch Gardinen ersetzt. Ferner schrieb das
Ministerium „Die feste Verankerung der Stühle am Boden wurde entfernt“ und
die Schränke in den Aufnahmezimmern seien für die dort untergebrachten
Kinder und Jugendlichen „inzwischen frei zugänglich und nicht mehr
verschlossen.“ Auch seien die Türen nach draußen beim Besuch offen gewesen.
## Vorwürfe teilweise bestätigt
Einen Tag später, am 26. September, haben Ministeriumsmitarbeiter zudem
noch im Heim lebende Jugendliche ohne die Erzieher befragt. „Teilweise
werden Vorwürfe aus dem Pressebericht bestätigt“, schreibt das MBJS.
Eine Frage ist, warum der Heimaufsicht Milchglasfolie und festgeschraubte
Stühle nicht schon früher bei Besuchen aufgefallen sind. Die Einrichtung
war häufig in der Lokalpresse, unter anderem weil Jugendliche wegliefen und
gesucht wurden. Und Mitarbeiter des Landkreises Spree-Neiße, der dieses
Heim selber nutzt, waren zuletzt Ende Juni vor Ort.
Im politischen Raum gibt es so kurz nach der Brandenburg-Wahl kaum
Reaktionen. Die jugendpolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Dannenberg,
sagte auf taz-Nachfrage, sie sei erschüttert. „Ich erwarte rückhaltlose
Aufklärung durch das Ministerium. Wie kann so was passieren? Wer hat da
versagt?“ Man müsse auch genau recherchieren, inwiefern die nach dem
Haasenburg-Skandal eingeführten Kontrollmechanismen versagten, und schauen,
wie es in anderen Heimen des Landes läuft. Dannenberg: „Es braucht eine
öffentliche und fachliche Debatte über derartige Erziehungsmethoden – die
als Schwarze Pädagogik zu bewerten sind.“
In der SPD gibt es noch keine Fachsprecher. Aus der Fraktion war zu
vernehmen, dass man die Grundsätze der bestehenden Konzepte in den Kinder-
und Jugendeinrichtungen des Landes Brandenburg noch einmal betrachten
wolle. SPD-Ministerpräsident Hartmut Woidke hatte „Neustart“ noch im April
besucht und die dortige Arbeit gelobt.
3 Oct 2019
## LINKS
[1] /Misshandlungen-im-Kinderheim/!5624827
[2] /Schikanen-in-Kinderheim-in-Brandenburg/!5630174
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Jugendheim
Schwarze Pädagogik
Übergriffe
Kinderheim
Jugendheim
DDR
Jugendheim Friesenhof
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinderheim in Brandenburg: Neustart nicht gelungen
Dem Kinderheim „Neustart“ droht die Schließung. Nun stellt sich auch noch
heraus: Ein Rechtsextremer arbeitete dort als Erzieher.
Jugendheim in Brandenburg: In der pädagogischen Einöde
Erinnerung an DDR-Werkhöfe: Erneut gibt es Hinweise auf ein Heim, in dem
Kinder und Jugendliche offenar nach überholten Methoden gedrillt werden.
Zustände im Kinderheim Jänschwalde: Kein Anspruch auf Wohlverhalten
Warum trifft es nach der Haasenburg mit „Neustart“ wieder ein Heim in
Brandenburg? In der DDR herrschte der Anspruch, Menschen regelkonform zu
ändern.
Recht auf Bildung: Schulkinder zweiter Klasse
Schleswig-Holstein ist Heimkinder-Land. Doch es gibt keine Schulpflicht für
die noch in ihrem Herkunftsland gemeldeten. Ministerien haben keinen
Überblick.
Ehemalige Heim-Insassen klagen an: Tränen im Publikum
Jugendliche aus den Haasenburg-Heimen und Mütter, die Kontaktverbot zu
ihren Kindern haben, sagten vor einem Hamburger „Tribunal zur
Heimerziehung“ aus.
Jugendhilfe in Hamburg: Wegschließen ist out
Hamburg hat in drei Jahren nur eine Jugendliche im geschlossenem Heim
untergebracht. Doch in Langenhorn ist eine Clearing-Stelle geplant, die mit
Wachdienst arbeitet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.