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# taz.de -- Interviewband „The Future of the Museum“: Heilende Kraft?
> András Szántós Interviewband „The Future of the Museum“ zeigt: Es gibt
> einen globalen Trend zum gesellschaftlichen Engagement der Kunstmuseen.
Bild: Die Zukunft im New Yorker Guggenheim Museum, wie sie Star-Architekt Rem K…
Eine zündende Idee ist besser als eine teure PR-Kampagne. Im Gespräch mit
dem New Yorker Museumsexperten András Szántó erinnert sich die
Gründungsdirektorin der Fondation Zinsou in Ouidah an ihren Versuch, das
erste Kunstmuseum von Benin bekannt zu machen. „Jede Ausstellung hatte
einen eigenen Song, den wir in Auftrag gegeben haben“, sagt Marie-Cécile
Zinsou. „Der gelangte dann in den nationalen Rundfunk, sodass jeder über
unser Museum Bescheid wusste.“
Marie-Cécile Zinsou ist eine von 28 Museumsdirektoren, mit denen András
Szántó per Videocall im Frühjahr 2020 lange Gespräche geführt hat, die er
in einem Buch zusammengefasst hat. Bei den Interviews ging es nicht nur um
pandemiebedingte Hygieneauflagen, die Schließungen und die aus dieser
Situation entwickelten digitalen Programme. Der Museumsexperte stellte
Grundsatzfragen. Was ein Museum heute ausmache und wie die Zukunft der
Museen aussehen solle.
Der New Yorker Schriftsteller, Universitätsdozent und Museumsberater nutzte
den Kulturstillstand für eine Bestandsaufnahme des globalen
Erneuerungsprozesses der Museen. „Einige der aufregendsten, Paradigmen über
den Haufen werfenden Experimente finden in Afrika, Lateinamerika,
Australien und Teilen von Asien statt“, stellt András Szántó im Vorwort
fest.
„Das sind die Orte, wo die neuen Kapitel der Museumsgeschichte geschrieben
werden.“ Die Museen auf diesen Kontinenten hätten zwar die Idee des Museums
übernommen, es fällt ihnen jedoch im Gegensatz zu europäischen
Traditionshäusern leichter, neue Strukturen auszubilden.
## Neue Kapitel in der Museumsgeschichte
[1][Marion Ackermann, Generaldirektorin in Dresden], sieht in der Tradition
auch eine Chance. Sie leitet den Auftrag der Dresdener Kunstsammlungen von
der fürstlichen Wunderkammer des 17. Jahrhunderts ab, in der Objekte sowohl
der Kunst- wie der Naturgeschichte aufbewahrt wurden.
Die Wunderkammer diente, so Ackermann, nicht allein der Repräsentation,
sondern auch der Wissensproduktion. Eine explizit politische Funktion des
Museums lehnt sie ab, plädiert stattdessen für globalen Austausch und setzt
in ihrem Programm auf aktuelle Themen, die am Alltag der Menschen andocken.
Für sie sind Museen auch dazu da, um künstlerische Arbeiten zu inspirieren.
Es müsse nicht nur ein Budget für Ankäufe geben, sondern auch für die
Produktion neuer Werke. Diesem Statement würden so gut wie alle
Gesprächspartnerinnen von András Szántó zustimmen.
Victoria Noorthoorn vom Museo de Arte Moderno de Buenos Aires ist der
Überzeugung, dass die besten Ideen sowieso von Künstlern kommen. Während
des Lockdowns setzte sie auf die regionale Künstlerschaft und digitale
Formate. In einem Land wie Argentinien mache zudem die Idee des Museums als
Healing Agent Sinn: „Es gibt Ungleichheit, Streit und politischen Aufruhr
in Argentinien. Das Museum ist eine heilende Kraft.“
Es herrscht ein allgemeiner Konsens, dass der Bezug zur lokalen und
regionalen Bevölkerung, zu allen Altersschichten und einem diversen
Publikum aktuell die große Herausforderung der Museen ist. Die
Globalisierung der Standards dürfe aber nicht dazu führen, dass die
Kultureinrichtungen ihr eigenes Profil verlieren.
## Der Wille anders zu sein als die anderen
„Unser Überleben hängt davon ab, anders zu sein als die anderen“, sagt
Suhanya Raffel vom m+ Museum in Hongkong. Cecilia Alemani, Direktorin des
High Line New York City, bemerkt: „Wenn wir alle denselben ethischen und
sozialen Regeln gehorchen, werden wir alle dieselben Programme machen. Und
das ist uninteressant.“
Vor zu viel Idealismus warnt Koyo Kouoh, die Direktorin des [2][Zeitz
Museum of Contemporary Art] in Kapstadt. Auf András Szántós Frage, welche
Rolle gesellschaftliche Debatten im Museum spielen, sagt sie: „Der Wandel
von Mentalitäten geschieht durch verschiedene Kräfte. Das Museum oder die
Kultur kann das nicht allein schaffen.“
Aber sicherlich könne die Museumsarbeit Horizonte weiten, Verständnis
schaffen und Neugier wecken. Für Tania Coen-Uzzielli vom Tel Aviv Museum of
Art hingegen ist der gesellschaftliche Auftrag in Israel essenziell: „Wir
müssen eine diverse Bevölkerung ansprechen: Araber und Juden, Aschkenasi
und Sepharden. Flüchtlinge und Immigranten aus Russland und Äthiopien,
säkulare und religiöse.“
## Die Museumsleute leben in einer Blase
Das Buch erzählt nicht nur von kreativen Ideen und dem Bekenntnis vieler,
die Kunstgeschichte neu zu erzählen. Es wirft auch ein Licht auf eine
globale Elite, die den Bezug zur Gesellschaft als selbstverständlichen Teil
ihrer Arbeit sieht. Andere hingegen haben es sich zumindest auf die Agenda
geschrieben.
Wenige Gesprächspartner András Szántós äußern sich selbstkritisch wie etwa
Brian Kennedy: „Als Museumsdirektoren leben wir in einer Blase, auch wenn
wir vorgeben, dass dem nicht so sei“, sagt der Direktor des Peabody Essex
Museum, Ohio. Es spricht für das Buch, das sich an Museumsleute richtet,
dass dieser Satz nicht zensiert wurde.
19 Jan 2021
## LINKS
[1] /Bilderstreit-in-Dresden/!5457974
[2] /Afrikanische-Kunst/!5472339
## AUTOREN
Carmela Thiele
## TAGS
Museum
Zukunft
Interview
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Rassismus
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Ethnologie
Kunst
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