| # taz.de -- Internes Lagebild des Auswärtiges Amts: Iranische Abgründe | |
| > Das Auswärtige Amt warnt in einem internen Lagebild vor einer | |
| > dramatischen Menschenrechtslage. Das Regime gehe „unerbittlich“ gegen | |
| > Gegner vor. | |
| Bild: Nach dem Tod von Mahsa Amini kam es im ganzen Land zu Protesten, hier in … | |
| Berlin taz | Die Warnungen des Auswärtigen Amtes sind drastisch. Angesichts | |
| der [1][landesweiten Proteste] sei die iranische Regierung „massiv“ unter | |
| Druck geraten, heißt es in ihrem internen Lagebild. Sie versuche einen | |
| „Systemerhalt mit allen Mitteln“ und zeige „keine Bereitschaft, ihren | |
| brutalen Umgang mit der eigenen Bevölkerung zu überdenken“. Gegen | |
| [2][Regimegegner:innen] werde „unerbittlich vorgegangen“. | |
| Abschiebungen in den Iran? Folgt man dem Papier, müsste das auf lange Sicht | |
| unmöglich sein. | |
| Das 28-seitige Lagebild wurde bereits Ende November im Auswärtigen Amt | |
| erstellt – nach den im September 2022 ausgebrochenen Aufständen im Iran und | |
| der blutigen Reaktion des Regimes. Bisher war der als „Verschlusssache“ | |
| eingestufte Bericht öffentlich nicht bekannt. Der taz liegt er nun vor. Er | |
| dient dem Bundesinnenministerium und Bundesamt für Migration und | |
| Flüchtlinge (Bamf) als Grundlage für Asyl- und Abschiebungsfragen. | |
| Die Einschätzungen des Ministeriums sind niederschmettend. Etliche Teile | |
| der iranischen Bevölkerung seien „starken Repressionen“ ausgesetzt – sei… | |
| wegen ihrer Ethnie, Sexualität oder Religion, ihrer politischen, | |
| künstlerischen, journalistischen Tätigkeit, heißt es im Bericht. Gerade | |
| Frauen seien „erheblichen rechtlichen und gesellschaftlichen | |
| sanktionsbewährten Einschränkungen ausgesetzt“. | |
| Eine Gewaltenteilung existiere nicht, insbesondere nicht in der Justiz. | |
| Diese sei vielmehr geprägt von „Korruption und Willkür, besonders bei | |
| politischen Fällen“. Es gebe Fälle von Folter und unmenschlicher | |
| Behandlung. Die Zahl der Hinrichtungen sei „merklich gestiegen“, auch von | |
| Minderjährigen. In Gefängnissen kommen es regelmäßig zu „ungeklärten“ | |
| Todesfällen. | |
| ## Unterdrückung mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ | |
| „Jegliche Formen von Dissens werden mit allen zur Verfügung stehenden | |
| Mitteln unterdrückt“, konstatiert das Auswärtige Amt. Eine Niederschlagung | |
| gelinge bisher aber nicht, im Gegenteil. Der Protest weite sich immer mehr | |
| aus und konzentriere sich nicht mehr nur auf Frauenrechte und die urbane | |
| Bevölkerung, sondern werde zunehmend zur Bürgerrechtsbewegung, auch in den | |
| Provinzen. | |
| Zur Frage der Abschiebungen äußert sich der Bericht vorsichtiger. Die | |
| Auswirkungen der aktuellen Proteste für Rückkehrer:innen lasse sich | |
| derzeit „nicht abschließend einschätzen“, heißt es weiter. Es könne nic… | |
| ausgeschlossen werden, dass Heimkehrende verstärkt von Sicherheitsdiensten | |
| überprüft würden. Insbesondere Personen, die den Iran zuvor illegal | |
| verlassen hätten, müssten mit einer Befragung und Wiederausreisesperre | |
| sowie einem Passentzug rechnen. Ein Fall von Folter bei Zurückgekehrten sei | |
| bisher zwar nicht bekannt. Die Behörden hätten aber durchaus ein | |
| „Verfolgungsinteresse“ gegen Regimegegner:innen, betont der Bericht. | |
| Bereits im Oktober 2022 hatte sich [3][Bundesinnenministerin Nancy Faeser | |
| (SPD) für einen Stopp von Abschiebungen in den Iran ausgesprochen]. Die | |
| Bundesländer folgten und hielten diesen im Dezember auf der | |
| Innenministerkonferenz fest. Abschiebungen von Gefährdern, schweren | |
| Straftätern und Personen mit „besonders schwer wiegendem | |
| Ausweisungsinteresse“ oder die „hartnäckig“ ihre Mitwirkung an der | |
| Identitätfeststellung verweigerten, seien aber im Einzelfall weiter | |
| „geboten“, so ihr Beschluss. | |
| ## Eine Abschiebung noch im Oktober | |
| Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr 32 Personen in den Iran abgeschoben, | |
| [4][eine noch Mitte Oktober aus Bayern]. Auch hatte das Bundesamt für | |
| Migration und Flucht (Bamf) zuletzt weiter Asylansprüche von | |
| Iraner:innen abgelehnt, weil sie angeblich nicht bedroht seien – trotz | |
| Revolte. So lag die monatliche Schutzquote für sie seit September nur | |
| zwischen 39 und 42 Prozent. | |
| [5][Das Innenministerium hatte zuletzt erklärt], dass man angesichts des | |
| neuen Lagebilds des Auswärtigen Amtes die internen Leitsätze zum Iran | |
| überarbeite. Zudem beobachte das Bamf fortlaufend die Entwicklung im Land. | |
| Erst diese Woche verlängerten Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ihren | |
| Abschiebestopp bis 30. Juni. „Die Menschenrechtslage im Iran ist | |
| dramatischer als je zuvor“, erklärte Schleswig-Holsteins | |
| Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne). Abschiebungen dorthin wären | |
| „unverantwortlich“. Gleichlautend äußerte sich die rheinland-pfälzische | |
| Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne). | |
| Auch die Linke fordert, Abschiebungen in den Iran komplett auszusetzen – | |
| allen Betroffenen drohe dort konkrete Lebensgefahr. Pro Asyl spricht ebenso | |
| von einem „Skandal“, dass trotz der Menschenrechtslage derart viele | |
| Iraner:innen als Asylsuchende abgelehnt würden. Es brauche einen | |
| „sofortigen Stopp“ dieser Ablehnungen, fordert die Initiative. Dies sei | |
| auch deshalb nötig, weil bereits in der Vergangenheit „unzählige“ | |
| Fehlentscheidungen im Bamf zum Iran ergingen. | |
| 12 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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