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# taz.de -- Weitere Todesurteile im Iran: Teheran setzt auf Einschüchterung
> Mit Todesurteilen geht Irans Regime gegen Menschen vor, die es stürzen
> wollen. Auch einem deutsch-iranischen Monarchisten droht ein Todesurteil.
Bild: Opfer des Regimes: Mohammed-Mehdi K. (22) und Sejed-Mohammed H. (39) wurd…
Berlin taz | Während der Aufstand in Iran bald in den fünften Monat geht,
demonstriert das Regime Härte gegenüber jeglicher Opposition. Hoffnungen,
dass internationaler Protest zu einem Ende von Hinrichtungen und
Todesurteilen führt, sind enttäuscht worden. Die Fronten zwischen Iran und
westlichen Staaten, darunter auch Deutschland, verhärten sich weiter.
Am Dienstag wandte sich [1][Gazelle Sharmahd], Tochter des Deutsch-Iraners
[2][Jamshid Sharmahd], in einem Videoclip an die Öffentlichkeit. Sie
fürchtet, dass ein Todesurteil gegen ihren Vater bevorsteht. Der Prozess
gegen ihn sollte am Dienstag fortgesetzt werden, über ein Urteil wurde bis
Redaktionsschluss am Dienstagabend aber nichts bekannt.
Sharmahd, der als Kind nach Deutschland kam und seit 2003 in den USA lebte,
wird beschuldigt, einen Bombenanschlag geplant zu haben. Er weist die
Vorwürfe zurück. 2020 wurde er aus Dubai entführt und in Teheran
inhaftiert. Der heute 67-Jährige war bei Tondar aktiv, einer Gruppierung,
die einen Regimesturz und die Wiederherstellung der Schah-Monarchie in Iran
anstrebt. Der Prozess steht nicht in direktem Zusammenhang mit den
Protesten.
Symbolische Unterstützung erhielt Sharmahd am Montag von Friedrich Merz.
Der Unionsfraktionschef teilte [3][in einem Video] mit, er habe eine
politische Patenschaft für Sharmahd übernommen. Von Iran forderte er
Aufklärung über den Gesundheitszustand und die Haftbedingungen von
Sharmahd.
## Weitere Todesurteile
Die vergangenen Tage haben die Strategie des Regimes gegenüber der
Protestbewegung erneut gezeigt: Nachdem am Samstag weitere zwei Männer
hingerichtet wurden, verhängte die Justiz Anfang der Woche erneut
Todesurteile im Zusammenhang mit den Protesten. Drei am Montag Verurteilten
wurde wie bei früheren Urteilen die vermeintliche Tötung von
Sicherheitskräften zur Last gelegt, dem am Dienstag Verurteilten
Rädelsführerschaft bei Unruhen.
Mehr als 20 weiteren Personen droht laut Amnesty International derzeit die
Todesstrafe im Zusammenhang mit den Protesten. „Menschen werden im Zuge von
unfairen Scheinprozessen zum Tode verurteilt, um die Bevölkerung
einzuschüchtern“, teilte die Organisation mit.
Von „staatlich sanktionierten Tötungen“ sprach am Dienstag der
UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk. Die Prozesse würden
internationalen Mindeststandards nicht entsprechen. Alle vier bislang
exekutierten Männer seien zudem heimlich getötet worden, ohne dass die
Familien informiert waren, was einen Verstoß gegen Menschenrechtsnormen
darstelle. Am Wochenende gab es in Iran erneut Protestaktionen gegen die
Hinrichtungen.
Weniger beachtet von der Öffentlichkeit verhängt die Justiz zudem
jahrelange Haftstrafen gegen Protestteilnehmer*innen. So wurde etwa am
Montag der ehemalige Fußballprofi Amir Nasr-Asadani zu insgesamt 26 Jahren
Gefängnis verurteilt. Auch die Tochter des früheren Präsidenten Akbar
Haschemi Rafsandschani wurde nach Angaben ihrer Anwältin zu fünf Jahren
Haft wegen Beteiligung an Protesten verurteilt.
## Protest aus Berlin
Die Bundesregierung hat mit scharfer Kritik auf die Hinrichtungen reagiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte am Montag, dass das Regime keine
Todesurteile mehr verhängt und zu Unrecht Inhaftierte sofort freilässt. Das
Auswärtige Amt bestellte Irans Botschafter ein. Dies hatte es bereits nach
der ersten Hinrichtung im Zusammenhang mit den Protesten am 8. Dezember
getan. Der Iran hatte im Dezember auch den deutschen Botschafter
einbestellt und gegen „anhaltende Einmischung“ in innere Angelegenheiten
Irans aus Deutschland protestiert.
Aktivist*innen in Deutschland [4][fordern] die Ausweisung des
iranischen Botschafters, was aktuell jedoch nicht zur Debatte steht.
Allerdings ist der Tonfall im Vergleich zu den Vorjahren, als sich Berlin
noch für eine Wiederbelebung des Atomabkommens einsetzte, ein neuer. Nicht
zu erkennen ist dagegen eine Strategie für den Fall, dass Iran
einsatzfähige Atomwaffen entwickelt. Für eine militärische Lösung –
Angriffe auf Atomanlagen, wie es sich Israel vorbehält – spricht sich kaum
jemand offen aus.
Derweil haben sich prominente Exil-Iraner*innen weltweit zu einer losen
Koalition zusammengetan, darunter die Aktivistin Masih Alinejad, der
Ex-Kronprinz Reza Pahlavi, die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, der
Aktivist Hamed Esmaeilion sowie der Generalsekretär der kurdischen
Komala-Partei Abdullah Mohtadi.
Der Analyst Ali Fathollah-Nejad [5][wertete] den Zusammenschluss als einen
wichtigen Schritt, um der iranischen Diaspora eine einheitliche Stimme zu
verleihen, mit der die internationale Gemeinschaft zu mehr Druck auf
Teheran bewegt werden könne. Er wies aber darauf auf hin, dass der Einfluss
der Koalition auf die Aufstandsbewegung innerhalb Irans unklar sei und dass
bislang keine der vertretenen Personen Irans Arbeiterklasse repräsentiere,
die er für eine mögliche Revolution als zentral ansieht.
10 Jan 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/GazelleSharmahd/status/1612615887135322113?s=20&t=2…
[2] /Prozess-gegen-Deutsch-Iraner-in-Teheran/!5862893
[3] https://twitter.com/_FriedrichMerz/status/1612548476436357158?s=20&t=IF…
[4] https://weact.campact.de/petitions/iran-diplomatische-sanktionierung-jetzt
[5] https://www.atlanticcouncil.org/blogs/iransource/an-iran-opposition-coaliti…
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
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