| # taz.de -- Höflichkeitsformen im Hotelgewerbe: Tausendmal Du | |
| > Auf einmal duzen alle, das kann auch unser Autor in seinem Gasthof | |
| > beobachten. Doch auch dabei kommt es auf den richtigen Tonfall an. | |
| Bild: Du sagen? | |
| Es ist derzeit viel von Zeitenwenden die Rede. Wo tatsächlich eine | |
| stattfindet, [1][das ist bei Sie und Du]. Gerade bekomme ich ein Schreiben | |
| von meinem Energieversorger und [2][werde auf einmal geduzt]. Mir fällt das | |
| aber nur durch den höflichen Hinweis auf, man habe noch nicht alle | |
| Servicetexte zu hundert Prozent umstellen können, daher werde ich | |
| möglicherweise an einigen Stellen noch mit Sie angeredet. | |
| Tatsächlich finde ich drei Stellen mit Sie in der langen Mail. Und frage | |
| mich, wird mich bald auch der Fiskus freundlich mit Vornamen ansprechen und | |
| an die Abgabe der Steuererklärung für 2022 erinnern? | |
| Auch in [3][der Beziehung von Gast und Gastgeber] wird das Du wenigstens in | |
| unserem Gasthaus häufig. Ursprünglich dachte ich, das habe geografische | |
| Gründe. Denn ist es nicht so? Je weiter man im deutschsprachigen Raum nach | |
| Süden kommt, umso mehr wird der Dialekt gepflegt und da regiert das Du – | |
| bis man von den Grias-Dis in Tirol ausschließlich geduzt wird. | |
| Inzwischen habe ich [4][einen sehr klugen Text] gelesen, der häufiges Duzen | |
| mit der Höhenlage verbindet. Danach ist das Tiroler Du sozusagen ein | |
| Berg-Du. Wenn Menschen in gefährlichen Lagen wie in den Alpen | |
| zusammenleben, symbolisierten sie Solidarität und Hilfsbereitschaft | |
| untereinander mit dem einfachen Personalpronomen. Interessante These. | |
| Für sie spricht auch, dass oft auch dort das Du verbreiterter ist, wo man | |
| unter viel Leid und Schmerz über Jahrhunderte lernen musste, mit dem Meer | |
| zu leben, wie etwa in den Niederlanden oder Skandinavien. Was zu der großen | |
| Frage führt, ob wir uns alle bald wegen des fortschreitenden Klimawandels | |
| mehr duzen werden? | |
| ## Es gibt nur ein Problem | |
| Was das vermehrte Du in unserem Gasthaus angeht, da kommt es auch auf den | |
| Ton an. Neulich duzte mich ein älterer Herr aus Vorarlberg in einer Art, | |
| als hätte er mir einst das Fläschchen gegeben. Da siezt man dann erst mal | |
| zurück. | |
| Aber wenn [5][eine Gruppe von taz-Leser:innen bei uns zu Gast ist] wie im | |
| Juni, dann bildet sich in kürzester Zeit eine Atmosphäre wie in einem | |
| Freundeskreis, in der ein „Sie“ einfach fehl am Platz ist. Denn wenn einem | |
| als Gastgeber die Herzlichkeit auf einmal noch mehr Freude macht und die | |
| andere Seite spiegelt, dass ihr der Aufenthalt doch einigermaßen gut tut, | |
| dann ploppt auf einmal das Du auf, ohne ein förmliches Angebot. | |
| Ein Gast aus den Niederlanden erzählte mir neulich, so mache man das bei | |
| ihm zu Hause immer, nachdem er sich als Frans vorgestellt hatte. | |
| Nur ein Problem hat das ganze Sie und Du. Wenn man mit den eigenen | |
| Servicetexten durcheinanderkommt, und der Gast dann am Check-in sagt: „Herr | |
| Kabisch, wir waren doch schon beim Du.“ | |
| 13 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Siezen-und-Duzen-im-Journalismus/!5885986 | |
| [2] /Duzkultur-in-der-Konsumwelt/!5939888 | |
| [3] /Ueberpuenktliche-Hotelgaeste/!5941533 | |
| [4] https://www.tirol.at/blog/magazin/duzen-oder-siezen | |
| [5] /Castell-Steigerwald/!v=375b3291-add3-4f82-87c1-4417d2bc6bdb/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jörn Kabisch | |
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