| # taz.de -- Überpünktliche Hotelgäste: Der frühe Vogel nervt den Wirt | |
| > Check-out-Zeiten stecken im Biorhythmus jedes Hotelgastes, hat unser | |
| > Autor festgestellt. Bei Check-in-Zeiten aber, da herrscht Anarchie. | |
| Bild: Wer nicht allzu früh einchecken will, tut den Hotelwirten einen Gefallen | |
| Elf Uhr. [1][Im Frühstückszimmer] sitzen zwar noch ein paar Hochzeitsgäste | |
| um eine Pfanne Rührei, doch eigentlich ist jetzt die Uhrzeit, zu der alle | |
| auschecken wollen. Spätestens. Ich habe die Rechnungen bereit, im EC-Gerät | |
| ist eine frische Rolle Thermopapier eingelegt, und zehn Minuten später | |
| stehen dann auch die letzten Gäste vor mir und übergeben die Schlüssel von | |
| Zimmer Nr. 6. | |
| Mein Hirn schaltet in den gästefreien Modus. To-do-Liste: Frühstück | |
| abdecken, [2][Mr Hobart (die Spülmaschine) füttern], Müll und Leergut | |
| rausbringen, Flure saugen, Eingang wischen und, und, und … Doch die Gäste | |
| aus Zimmer 6 haben Probleme, das Gasthaus zu verlassen. Zwei große | |
| Rollkoffer kommen ihnen entgegen und deren Besitzer. „Hallo, Speckhäuer | |
| mein Name. Wir hatten reserviert.“ | |
| Wie gerne würde ich jetzt sagen: „Ach endlich. Wir hatten Sie schon früher | |
| erwartet.“ Stattdessen frage ich: „Was wollen Sie denn jetzt schon hier?“ | |
| „Na, einchecken“, sagt Herr Speckhäuer. Und setzt in mein verdutztes | |
| Gesicht nach. „Damit wir dann den Tag beginnen können.“ Nun haben wir beide | |
| ein Problem. | |
| Es ist wirklich interessant: Check-out-Zeiten stecken im Biorhythmus jedes | |
| Gastes, wenigstens meiner Erfahrung nach. Bei Check-in-Zeiten ist es genau | |
| andersherum, entweder ist ihre Existenz nicht bekannt oder sie werden | |
| ignoriert. Die meisten Gäste kommen letztlich trotzdem zur rechten Zeit, | |
| aber eine signifikante Minderheit eben nicht. Und die reagiert dann auch | |
| durchaus mal angesäuert wie Herr Speckhäuer, als ich ihm nun die | |
| Hochzeitsgäste vorstelle, die noch mal auf „sein“ Zimmer müssen, weil sie | |
| dort etwas vergessen haben. Wir einigen uns, dass Herr und Frau Speckhäuer | |
| einfach die Koffer im Gasthaus abstellen und mit zwei Cappuccino den Tag | |
| beginnen. | |
| Kurze Zeit später kann mein Kopf wieder auf „gästefrei“ arbeiten. Es | |
| beginnen zwei bis drei Stunden, in denen das Haus nicht mehr von Stimmen | |
| erfüllt ist. Stattdessen brummt irgendwo ein Staubsauger, schleudert die | |
| Waschmaschine, prasselt das Spülwasser unter der Haube von Mr Hobart, | |
| klirren Teller und Gläser. | |
| Wir betreiben unser Gasthaus in einem Gebäude, das über 200 Jahre alt ist | |
| und einiges mitgemacht hat. Gerade deswegen haben wir oft das Gefühl, das | |
| alte Haus entspannt sich in dieser Geräuschkulisse wieder. Als ob die | |
| Reinigung wie ein entspannendes Fußbad wirkt. Am frühen Nachmittag, wenn | |
| die nächsten Gäste wieder eintreffen, haben die alten Mauern wieder ihren | |
| ganzen Charme aufgeladen – und die Gastgeber mit ihnen. | |
| Am Abend haben die Speckhäuers noch eine Bitte. Ob es möglich wäre, früher | |
| zu frühstücken, „so um halb 7“? Bis zu ihrer nächsten Herberge sind es | |
| nämlich drei Stunden. | |
| 2 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jörn Kabisch | |
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