# taz.de -- Fränkisches Glasgefäß: Platte Flasche für sauren Wein | |
> Der Bocksbeutel gehört zu Franken wie der Maßkrug zu Bayern. Doch wer was | |
> auf seinen Wein hält, füllt ihn lieber in Burgunderflaschen. | |
Bild: Bocksbeutel waren im Mittelalter verbreitet | |
In einer Hinsicht können wir unsere Gäste nicht befriedigen: Es wird [1][in | |
Franken] entgegen der verbreiteten Annahme kein Bocksbeutel angebaut. | |
„Bitte einen anständigen Bocksbeutel“ – danach wird auch bei uns im | |
Restaurant gefragt. Wir müssen passen. | |
Sicher, der Bocksbeutel gehört zu Franken [2][wie der Maßkrug zu Bayern]. | |
Aber bei beiden handelt es sich nur um Gebinde. Und während man im Bierzelt | |
leicht „a Moaß“ bestellen kann – für den Inhalt beansprucht der Trinker | |
keine Auswahl –, ist das beim Bocksbeutel anders. Da muss sich der Gast | |
entscheiden, was daraus eingegossen wird. | |
Für das Missverständnis ist der Name mitverantwortlich. Bocksbeutel | |
beschreibt einen platt gedrückten Glasballon, eine Flasche, die im | |
Mittelalter verbreitet war. Eine Erklärung besagt, dass die Flasche an das | |
Gemächt eines Ziegenbocks erinnerte. Eine andere verweist auf den | |
„Buchbeutel“, in dem der Klerus seine Lektüre trug, der aber auch andere | |
Nahrung enthalten konnte. | |
Am Main erkannte man nach dem Zweiten Weltkrieg, dass die Flasche die | |
Botschafterin für den Frankenwein sein könnte. Heute steht der Bocksbeutel | |
sogar unter geografischem Markenschutz. Außerhalb Frankens darf darin nur | |
in Ausnahmefällen [3][Wein] abgefüllt werden. | |
Der Protektionismus hat wenig geholfen, weder der Flasche noch der | |
Weinregion. Die einst hohe Nachfrage nach Frankenwein führte dazu, dass | |
„Masse statt Klasse“ produziert wurde – eher wässriger, oft auch saurer | |
Wein kam in den Bocksbeutel, meist Müller-Thurgau. Der Ruf war bald dahin, | |
und bis heute mühen sich die Winzer, das Image ihres Weines zu verbessern. | |
In Deutschland wird guter heimischer Wein noch immer mit Riesling und | |
Spätburgunder identifiziert – und den großen Weinregionen an Rhein und | |
Mosel. In Franken dominiert die Weißweinsorte Silvaner. Seine Eigenart: Die | |
Charakteristik wird stark vom Terroir regiert, also den Gegebenheiten, wie | |
der Wein wächst. | |
Das hat Vor- und Nachteile: Silvaner hat keinen typisch erkennbaren | |
Geschmack, die Diversität an Weinen, die die Rebe hervorbringt, ist enorm | |
und die Qualität so hoch, dass die Weine gut altern können. Insgesamt also | |
ist alles ausreichend, auch, als Restaurant seinen Weinkeller | |
ausschließlich mit Silvaner zu bestücken. Wenn es da nicht die Scheurebe | |
gäbe, die gerade sehr in Mode kommt. | |
Für den neuen Frankenwein steht der Bocksbeutel gerade nicht. Vor ein paar | |
Jahren hat die Flasche ein Remake erfahren, das neue Design ist kantiger | |
geworden. Es hat nichts geholfen. Wer was auf seinen Wein hält, füllt ihn | |
in lange Schlegel- oder Burgunderflaschen. Der „anständige Bocksbeutel“ ist | |
ein Objekt fürs Museum geworden. | |
28 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jörn Kabisch | |
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