# taz.de -- Hitzetote in Deutschland: Hitzewelle mit dunklem Schatten | |
> An extrem heißen Tagen sterben rund ein Drittel mehr Menschen als üblich. | |
> Hitzetote werden in den Statistiken oft nicht als solche bezeichnet. | |
Bild: Die Hitze macht allen zu schaffen, auch den Helfern der Feuerwehr | |
Der Sommer 2022 ist ein Sommer der Extreme. Die Temperaturen stiegen teils | |
auf über 40 Grad, in den Flüssen fließt – nicht nur in Deutschland – so | |
wenig Wasser, dass längst untergegangene Wracks wieder auftauchen. Und es | |
sterben mehr Menschen als sonst: Vor allem an den sehr heißen Tagen im Juli | |
und August sind jeweils mehrere Hundert Menschen offenbar Opfer der Hitze | |
geworden. Insgesamt dürfte es in diesem Sommer bereits an die 10.000 | |
Hitzetote gegeben haben. Das lässt sich aus aktuellen Zahlen des | |
Bundesamtes für Statistik berechnen. | |
Schon vor zwei Wochen [1][hatten die Bundesstatistiker auf die auffällig | |
hohen Sterbezahlen im Juli hingewiesen]. Am extremsten sei dies in der | |
Kalenderwoche 29 gewesen, also in der Zeit zwischen dem 18. und 24. Juli. | |
In dieser Woche, in der an vielen Orten Deutschlands das Thermometer auf | |
über 40 Grad kletterte und der Deutsche Wetterdienst neue | |
[2][Allzeitrekorde in mehreren Bundesländern meldete], seien 24 Prozent | |
mehr Menschen gestorben als eigentlich zu erwarten gewesen wäre. | |
Mittlerweile liegen die provisorischen [3][Sterbezahlen für jeden Tag bis | |
zum 7. August] vor. Vergleicht man die mit den vom Deutschen Wetterdienst | |
angegebenen Temperaturen, ergibt sich ein eindeutiges Bild: An besonders | |
heißen Tagen sterben Hunderte Menschen mehr als sonst. | |
Jedes Mal, wenn die durchschnittliche Tagesmitteltemperatur in Deutschland | |
in den Wochen stark gestiegen ist, schoss auch die Übersterblichkeit in die | |
Höhe. Das zeigt sich vor allem an den drei heißesten Tagen: Am 20. Juli | |
starben 785 Menschen mehr als erwartet. Am 25. Juli waren es 810, am 4. | |
August 784. Bei den Werten handelt es sich um Anstiege um bis zu 35 | |
Prozent, also rund ein Drittel mehr als an diesen Tagen zu erwarten gewesen | |
wäre. Aufgrund später eintreffender Nachmeldungen könnten sich diese Zahlen | |
sogar noch erhöhen. | |
Ähnlich extreme Werte wurden selbst in der Coronapandemie nur während der | |
mit Abstand tödlichsten Welle im Januar 2021 erreicht. Am Montag zählte das | |
Robert Koch-Institut zwar wieder rund 800 Coronatote – aber in einer Woche, | |
nicht an einem Tag. | |
Allerdings kann man die jetzt errechneten Hitzetoten nicht ohne weiteres | |
mit der Zahl der Coronatoten gleichsetzen. Bei Letzteren handelt es sich um | |
dem Robert Koch-Institut gemeldete, bestätigte Fälle. Die Hitzetoten | |
hingegen kann man nur durch die Berechnung der Übersterblichkeit | |
abschätzen. | |
Das beruht auf einer einfachen Idee. In Deutschland sind in den Sommern der | |
vergangenen Jahre im Schnitt jeden Tag rund 2.350 Menschen gestorben. | |
Werden an einzelnen Tagen oder in längeren Zeiträumen mehr Tote | |
registriert, spricht man von Übersterblichkeit. Den jeweiligen Grund dafür | |
findet man nicht in der Totenstatistik, man muss ihn andernorts suchen. | |
Manchmal ist er aber offensichtlich. | |
So war das etwa im Frühjahr 2018. Damals starben binnen weniger Wochen viel | |
mehr Menschen als erwartet. Daraus errechnete später das Robert | |
Koch-Institut, dass in dem Winter 25.100 Menschen an den Folgen der damals | |
besonders heftigen Grippewelle gestorben sind. Medizinisch attestiert waren | |
nur rund 1.700 Grippeopfer. Da es keine andere Erklärung [4][für die | |
Übersterblichkeit gab, wurden alle der Grippe zugerechnet]. | |
Ähnlich ist es jetzt mit den Hitzetoten. Auch bei denen fehlt zumeist ein | |
medizinisches Attest, das in irgendeiner Statistik erfasst werden könnte. | |
Aber der Gesamteffekt ist unübersehbar. Im Juni gab es gut 7.000 Tote mehr | |
als erwartet, im Juli rund 11.000, und allein in der ersten, phasenweise | |
sehr heißen Augustwoche kamen nochmal fast 3.000 hinzu. Zwar kann man nicht | |
ohne Weiteres alle Fälle von Übersterblichkeit an heißen Tagen der | |
Hitzewelle zuschreiben. Aber legt man die Temperaturkurve und die | |
Übersterblichkeitsrate der vergangenen Wochen nebeneinander, zeigt sich ein | |
eindeutiger Zusammenhang im Verlauf der Grafen. | |
Zudem können die Statistiker des Bundesamtes den naheliegenden Verdacht, | |
dass auch Corona wieder eine Rolle spielen könne, weitgehend ausschließen. | |
Zwar war die Zahl der Coronatoten im Juli wieder leicht gestiegen, aber nur | |
in so geringem Maße, dass sie die erhöhten Sterbefallzahlen in dieser Zeit | |
nur zu einem geringen Teil klären könnten. | |
Hinzu kommt: Auch in den vergangenen Jahren sind im Zuge von Hitzewellen | |
die Sterbefallzahlen angestiegen. In diesem Jahr lässt sich der Effekt | |
jedoch in außergewöhnlich vielen Wochen veranschaulichen. | |
## Wieder Temperaturanstieg erwartet | |
Gefährdet sind vor allem ältere Menschen. Eigens für sie hat [5][das | |
Bundesgesundheitsministerium in einer Broschüre Tipps] zur Bewältigung der | |
Hitze zusammengestellt: viel trinken, viel Schatten, viel Aufmerksamkeit | |
von Angehörigen oder Nachbarn. Das klingt banal. Aber bei sehr hohen | |
Temperaturen, so warnt das Ministerium, können Menschen schlimmstenfalls | |
einen Hitzschlag erleiden. Und der könne tödlich enden, wenn nicht sofort | |
ärztliche Hilfe geleistet wird. | |
Diese Gefahr droht auch in den kommenden Tagen. Der Deutsche Wetterdienst | |
rechnet wieder mit steigenden Temperaturen. Vor allem im Ruhrgebiet werde | |
es am Mittwoch und Donnerstag bis zu 34 Grad. | |
22 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Uebersterblichkeit-im-Hitzemonat/!5873837 | |
[2] https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2022/7/21.html | |
[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefa… | |
[4] /Coronamythen-und-Fakten-5/!5738506 | |
[5] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikation… | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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