# taz.de -- Heroines of Sound Festival in Berlin: „Mutierte peruanische Rhyth… | |
> Laura Robles und Ale Hop treten gemeinsam beim „Heroines of Sound | |
> Festival“ auf. Noch immer fehle es an Vorbildern für angehende | |
> Musikerinnen. | |
Bild: Die Künstlerinnen Ale Hop (r.) und Laura Robles (l.) kurz vor ihrem geme… | |
Heute, am Donnerstag, den 7. Juli, startet das [1][„Heroines of Sound | |
Festival“]: Drei Tage lang gibt es im Radialsystem Berlin Live-Konzerte, | |
Performances, Sound Art, diskursive Panels, Workshops und Filme mit und | |
über frühe und aktuelle Held:innen elektronischer Musik. Mit dabei: | |
„experimental instrumentalist“ Alejandra Cardenas a.k.a. Ale Hop aus Peru | |
und die Perkussionistin Laura Robles, geboren in Eswatini, aufgewachsen in | |
Peru. Heute leben beide in Berlin und performen nun zum ersten Mal | |
gemeinsam. Ein Treffen zwischen den letzten Proben. | |
taz: Ale Hop und Laura Robles, Sie treten zusammen auf dem Festival | |
„Heroines of Sound“ auf. Sehen Sie sich als „Heldinnen des Klangs“? | |
Ale Hop: Ich fühle mich nicht wie eine Heldin, aber manchmal ist diese Art | |
von Bestätigung notwendig, um ein Ungleichgewicht zu korrigieren. Die | |
Behauptung war dringend, als das Festival 2014 zum ersten Mal stattfand. | |
Als es ein völliges Ungleichgewicht bei Festivals gab, was die weibliche | |
Beteiligung angeht. Bei elektronischen Musikfestivals waren oft nur etwa 10 | |
Prozent der Künstler:innen weiblich. | |
Laura Robles: Nicht nur bei elektronischer Musik. Bei praktisch allem, | |
außer beim Ballett … Deswegen sind wir im Moment schon ein sehr wichtiges | |
Vorbild für die neuen Generationen. Wir selbst hatten als Vorbilder | |
eigentlich nur Männer. Für mich als angehende Schlagzeugerin waren alle | |
berühmten Schlagzeuger Männer, außer ein paar Frauen in unglaublich sexy | |
Kleidern. Auch damit konnte ich mich nicht identifizieren. | |
Ändert sich da langsam was? | |
Hop: Es gibt immer noch ein großes Ungleichgewicht. Mindestens 60 Prozent | |
der Acts auf Festivals für elektronische Musik sind Männer. Es hat sich | |
leicht verbessert, aber weniger als man erwartet hatte. Aber dann spielen | |
noch andere strukturelle Faktoren eine Rolle, zum Beispiel auch die | |
Instrumente selbst, die lange nur für Männer entwickelt wurden. Erst in den | |
letzten Jahrzehnten gibt es E-Gitarren für Frauen, mit kleineren Bünden, | |
mit für den Frauenkörper geeigneten Formen. | |
Robles: Männer haben schon vor vielen Jahren angefangen, populäre Musik zu | |
machen, Frauen nicht. Wir können nicht so tun, als ob es so viele gute | |
Frauen wie gute Männer gäbe. Es gibt eine Menge Frauen, die alle | |
Instrumente spielen, aber sie sind jung. Sie werden also nicht wie ein | |
60-jähriger Mann spielen. Mit 20 Jahren habe ich immer sehr offensiv | |
gespielt, weil das in meiner Wahrnehmung die einzige Möglichkeit war, | |
richtig zu klingen. Und die Leute haben zu mir gesagt: hey, wie gut du | |
spielst – wie ein Mann. | |
Gibt es darin einen Unterschied, wie Männer und Frauen spielen? | |
Hop: Es geht eher um die Körpergesten, finde ich. Als ich 20 Jahre alt war, | |
hat man mir genau dasselbe gesagt: Du spielst wie ein Mann. Es ist eine | |
stereotype körperliche Haltung, die Ermächtigung und Selbstüberschätzung | |
ausstrahlt, was absolut langweilig ist. Es hat viele Jahre gedauert, bis | |
ich gesagt habe: Ich versuche etwas anderes. Wie im Sitzen spielen, mit der | |
Gitarre nach vorne gebeugt. | |
Sie kommen beide nicht von der elektronischen Musik? | |
Robles: Ich habe als Kind angefangen, das Volksinstrument Cajón zu spielen. | |
Mit 11 Jahren fing ich an, seltsamere Rhythmen zu spielen, wurde aber | |
schnell kritisiert. Weil ich eine Frau bin, weil ich nicht arm genug bin, | |
um Folklore zu spielen, und weil ich spielen sollte, wie die Männer es | |
taten. Mit 15 Jahren lernte ich dann Leute kennen, die Jazz spielten oder | |
auch experimentelle Musik machten. Jetzt spiele ich mit elektronischen | |
Musikern, die mein Cajón bearbeiten, und versuche, traditionelle Rhythmen | |
irgendwie aufzubrechen und zu verzerren. | |
Hop: Ich habe mit 15 Jahren mit Punk und Rock angefangen, mich in Richtung | |
Elektro-Pop bewegt. Dann fing ich an, elektronische Musik zu machen, auch | |
weil es logistisch einfacher war: Man kann es selbst alleine zu Hause | |
machen. | |
Wie würden Sie die Musik bezeichnen, die Sie jetzt machen? | |
Hop: Was wir machen, ist nicht gerade elektronische Musik, sondern eher | |
elektroakustische, experimentelle Musik. Laura spielt auf dem Cajón | |
traditionelle peruanische Rhythmen, die zu etwas Anderem mutieren und die | |
ich mit elektronischen Geräten bearbeite. Wir brechen sie auf und | |
versuchen, eine neue Sprache zu finden. | |
Robles: Für das Konzert verwenden wir ausschließlich folkloristische | |
Rhythmen von der peruanischen Zentralküste. Jedes Lied basiert auf einem | |
Rhythmus der Küste, ist geplant, aber ab einem bestimmten Punkt wird | |
improvisiert. Gleichzeitig trifft Volksmusik auf populäre Musik, ein | |
Spiegelbild der Gesellschaft, in der wir gerade leben. Denn ich kann nicht | |
wie der Mann spielen, dessen Großvater ein Sklave war. Nein, ich habe auch | |
Roxette und Guns n’ Roses gehört. Was wir tun, spiegelt also in gewisser | |
Weise auch die Folklore zweier Menschen wider, die zu der Zeit der | |
Terroranschläge in Peru in einer Ecke lebten, in der es gefährlich war, es | |
Ablehnung gab. | |
Seit etwa zehn Jahren leben Sie beide in Berlin. Aber vor allem Ihre Zeit | |
in Peru war wichtig für Ihre Musik? | |
Hop: Was ich mache, ist eine Mischung aus experimenteller Musik mit | |
Elektronik und Noise. Ich würde nicht sagen, dass es besonders von einem | |
peruanischen Musikgenre beeinflusst ist, aber es hat viel mit der Umgebung | |
zu tun, in der ich in Lima aufgewachsen bin. Lima ist eine sehr laute, sehr | |
intensive Stadt. Ich bin in einem sehr gewalttätigen Umfeld aufgewachsen, | |
während der Fujimori-Diktatur. Die Vorstellung, dass jederzeit drei Blocks | |
von deinem Haus entfernt ein Gebäude in die Luft gesprengt werden könnte, | |
durchdringt einen. Die Stadt ist sehr laut, auf eine aggressive Art, aber | |
auch im Chaos liegt Schönheit. | |
Robles: Ich habe die ersten fünf Jahre auf einer Insel gelebt. Dann kam ich | |
an diesen Ort, Lima, mit so vielen akustischen Informationen: Alle Radios | |
laufen, in jedem Bus dröhnt Musik. Das wirkt sich klar auf meine Musik aus. | |
Kommen Sie aus der gleichen Region in der Stadt? | |
Robles: Aus demselben Bezirk sogar. Wir haben dort die ganze Zeit über zwei | |
Häuser voneinander entfernt gelebt, ohne uns je zu begegnen. Unseren | |
Auftritt für Samstag haben wir „Agua Dulce“ genannt. Nach einem | |
gleichnamigen Strand in Lima, was gut zu den Küsten-Rhythmen passt. Es ist | |
das erste Mal, dass wir zusammen auftreten. Weltpremiere. Wir hoffen, wir | |
können mit dem Projekt danach durch Europa touren. | |
Ist das Konzert denn auch zum Tanzen gedacht? | |
Robles: Mein Ziel, wenn ich spiele, ist immer, die Leute zum Tanzen zu | |
bringen. Mein Lehrer sagte einmal, das Einzige, was ich erreichen müsse, | |
egal was ich tue, sei es, die Leute zum Tanzen zu bringen. | |
Hop: Tanzen ist ein wichtiger Faktor. Denn die musikalischen Traditionen | |
Perus, die uns inspiriert haben, sind unbestreitbar mit einer reichen | |
Kultur traditioneller Tänze verbunden. Aber unser musikalischer Ansatz | |
besteht darin, die übliche Starrheit zu brechen, die in der aktuellen | |
modernen Folklore gezeigt wird. Wir möchten auch Bewegung erforschen, | |
deswegen haben wir Liza Alpízar Aguilar, eine Choreografin und Tänzerin, | |
eingeladen, in das Stück mit einzugreifen. | |
Robles: Heute beim Proben habe ich über die Kritik nachgedacht, die wir | |
bekommen würden, wenn die Peruaner und Folkloreleute hören, was wir am | |
Samstag machen. Furchtbar! Von denen gibt es schon Kritik, wenn man einfach | |
mit den Händen in einer anderen Position spielt. | |
Und wie ist das Berliner Publikum so? | |
Hop: Mir gefällt hier, dass die Leute aufmerksam sind. Und neugierig, gehen | |
zu Konzerten, ohne unbedingt die Band zu kennen. Aber manchmal vermisse ich | |
eine stärkere Publikumsreaktion, wenn ich mich auf der Bühne auf den Boden | |
werfe und die Leute respektvoll still bleiben. Wenn sich dann einmal jemand | |
traut, sich ein bisschen zu bewegen, reagieren auch die anderen. Ich hoffe, | |
wir können auch diesen Samstag etwas Chaos bringen. | |
„Heroines of Sound Festival“: 7. bis 9. 7., Radialsystem. Samstag, 22:30 | |
Uhr: „AGUA DULCE“ – Laura Robles und Ale Hop, Tanzeinlage von Liza Alpíz… | |
Aguilar | |
7 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.heroines-of-sound.com/festival-2022/ | |
## AUTOREN | |
Ruth Lang Fuentes | |
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