# taz.de -- Hanau-Opfer in Berlin: „Wir dürfen nicht aufgeben“ | |
> Bundespräsident Steinmeier empfängt die Opfer des Hanau-Anschlags und | |
> verspricht ihnen Solidarität. Eine Betroffene gibt sich kämpferisch. | |
Bild: Saida Hashemi beim Empfang von Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bel… | |
BERLIN taz | Es ist eine bemerkenswerte Stärke, mit der Saida Hashemi am | |
Mittwoch dem Bundespräsidenten gegenübertritt. Der Anschlag dürfe „uns | |
nicht in die Knie zwingen“, sagt die 24-jährige Hanauerin am Mittwoch im | |
Schloss Bellevue. „Wir dürfen nicht aufgeben.“ Sie glaube an diesen Staat | |
und an seine demokratischen Werte. „Ich sehe der Zukunft positiv entgegen.“ | |
Es ist ein eindrücklicher Auftritt, und ein nicht unbedingt zu erwartender. | |
Denn vor sieben Monaten, am 19. Februar, wurde der [1][Bruder von Saida | |
Hashemi in Hanau erschossen], Said Nesar, 21 Jahre alt – von einem | |
deutschen Rechtsextremen. Der 43-Jährige hatte zwei Bars in der Innenstadt | |
gestürmt und dabei [2][neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen]. | |
Später tötete der Attentäter auch seine Mutter und sich selbst. In einem | |
Pamphlet hatte er einen Verfolgungswahn offenbart, aber auch einen offen | |
rassistischen Hass auf Migranten. | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud am Mittwoch nun Angehörige der | |
Opfer ins Schloss Bellevue nach Berlin, seinen Amtssitz. „Wir vergessen | |
nicht“, versprach er den Hinterbliebenen. Das Leid der Betroffenen müsse | |
„unbeschreiblich groß“ sein. „Wir stehen an Ihrer Seite. Dieses Land, Ihr | |
Land, steht an Ihrer Seite.“ | |
## Die Tat kam „nicht aus heiterem Himmel“ | |
Steinmeier räumte ein, dass der Rechtsextremismus in diesem Land weiter | |
„ein ernstes, ein drängendes Problem“ sei. Der Terror von Hanau sei „nic… | |
aus heiterem Himmel gekommen“. Die jüngsten Anschläge auch in München, | |
Halle und auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke seien ein | |
Auftrag, „noch mehr zu tun, damit niemand in unserem Land sich ungeschützt | |
fühlen muss“. Dies sei Aufgabe der Sicherheitsbehörde, aber auch von jedem | |
Bürger und jeder Bürgerin. Steinmeier forderte Achtsamkeit ein, auch | |
gegenüber Vertretern von Verschwörungsmythen. „Wer gleichgültig neben ihnen | |
herläuft, der macht sich ihnen gemein.“ | |
Saida Hashemi dankte Steinmeier. Und sie appellierte ebenfalls: „Es gibt | |
kein Ende des Erinnerns.“ Die Nacht, in der ihr Bruder starb, gehe ihr bis | |
heute nicht aus dem Kopf. „Unser Leben hat sich für immer verändert.“ Sie | |
glaube aber daran, dass die Tat „lückenlos und wahrheitsgetreu“ aufgeklärt | |
werde. Auch wünsche sie sich, dass Hanau, eine Stadt der Vielfalt, wieder | |
zur Ruhe komme. Und, so Hashemi: Jeder müsse sich einbringen, um diese | |
Demokratie zu stützen. „Wir müssen uns aktiv an dem Deutschland beteiligen, | |
das wir uns wünschen.“ | |
Steinmeier lobte das Engagement der Betroffenen. Dieses „sollte jeden | |
beschämen, der in Deutschland weiter Hass und Hetze verbreitet“. Nach dem | |
öffentlichen Auftakt zog sich der Bundespräsident mit den Hinterbliebenen | |
zu privaten Gesprächen zurück. Hieran nahm auch Bundesinnenminister Horst | |
Seehofer (CSU) teil. | |
## Betroffene fordern Aufklärung | |
Initiativen, die die Betroffenen unterstützen, hatten dagegen zuletzt | |
[3][mehr staatliche Unterstützung für die Opfer eingefordert]: Nach wie vor | |
gebe es für einige Familien keine angemessenen Ersatzwohnungen. Auch die | |
finanzielle Absicherung der Betroffenen sei unsicher. [4][Oberbürgermeister | |
Claus Kaminsky] (SPD) sagte hier Unterstützung zu. | |
Einige Betroffenen und Kaminsky beklagen auch, dass die Bundesanwaltschaft | |
zuletzt keine Informationen mehr über den Ermittlungsstand zu dem Anschlag | |
herausgab. Deren Abschlussbericht müsse endlich vorgelegt werden. „Wir | |
wollen wissen, was in dieser Nacht passiert ist, warum und ob es hätte | |
verhindert werden können“, sagte Kaminsky. Die Bundesanwaltschaft ließ | |
zuletzt jedoch offen, wann ihr Abschlussbericht zu dem Attentat zu erwarten | |
ist. | |
23 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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