# taz.de -- Hacker mit Spuren nach Ungarn: Cyber-Attacke gegen Presse-Institut | |
> Das International Press Institute in Wien wird von Hackern attackiert. Es | |
> sieht einen Bezug zu ähnlichen Angriffen auf unabhängige Medien in | |
> Ungarn. | |
Bild: Das International Press Institute in Wien ist massiven Hackerangriffen au… | |
ZÜRICH taz | Das International Press Institute (IPI) in Wien leidet derzeit | |
unter einem gezielten Cyber-Angriff. Seit Anfang September war die | |
[1][Webseite] zeitweise nicht zu erreichen. Grund ist eine Überlastung des | |
Servers durch einen sogenannten [2][DDoS-Angriff („Distributed Denial of | |
Service“)]. Die Attacke dauert weiter an. | |
Das IPI hat Hinweise darauf, dass es sich bei den Angreifenden um einen | |
oder mehrere Hacker aus Ungarn handeln könnte. Es sieht einen Zusammenhang | |
zu ähnlichen Attacken, die in den letzten Monaten regierungskritische | |
Medien in Ungarn trafen. | |
Erst [3][Ende August veröffentlichte das IPI einen Report über Angriffe auf | |
mindestens 40 verschiedenen Webseiten regierungskritischer Medien in | |
Ungarn], darunter Telex, HVG, 444.hu, Magyar Hang und Népszava. Laut IPI | |
war kein Medienunternehmen betroffen, das die regierende Fidesz-Partei | |
unterstützt, was auf ein politisches oder ideologisches Motiv schließen | |
lasse. Das IPI sprach von einer „beispiellose Welle von Cyberangriffen“ in | |
Ungarn, die eine „ernsthafte und wachsende Bedrohung für den freien | |
Informationsfluss in dem Land darstelle, in dem die Pressefreiheit in der | |
Europäischen Union bereits am schlechtesten ist“. | |
Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Reports starteten dann die Angriffe | |
auch auf die Webseite des IPI in Wien. Scott Griffin, stellvertretender | |
Direktor des IPI, sagte der taz: „Wir wissen, dass es sich um einen | |
gezielten und keinen zufälligen Angriff handelt. Es war eine Reaktion auf | |
unsere Berichterstattung. Die Attacke war hartnäckig, die Angreifer kamen | |
Tag für Tag wieder und versuchten, die von uns eingerichteten | |
Abwehrmechanismen zu überwinden.“ | |
## Unabhängige Medien in Ungarn enorm unter Druck | |
Verdächtig ist nicht nur der zeitliche Zusammenhang. Der oder die Angreifer | |
gegen die Medien in Ungarn hätten sich den Spitznamen „HANO“ gegeben und im | |
Schadcode Nachrichten in ungarischer Sprache hinterlassen, erklärte | |
Griffin. „Nun wurde derselbe Spitzname bei dem Angriff auf das IPI | |
verwendet, in diesem Fall mit einer Nachricht auf Englisch.“ Man werde den | |
Vorfall der Polizei melden. „Wir hoffen, dass Anstrengungen unternommen | |
werden, um herauszufinden, wer genau hinter diesen Anschlägen steckt.“ | |
In Ungarn stehen unabhängige Medien enorm unter Druck. Ungarns Rechte sehen | |
sich in einem nationalistischen Kulturkampf gegen „Globalisten“, „Woke“… | |
Liberale. Die Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Seit 2010 | |
Ministerpräsident Viktor Orbán mit seiner Partei Fidesz an die Macht kam, | |
krempelte er die Presselandschaft um und brachte staatliche Radio- und | |
Fernsehsender wie private Zeitungen unter seine Kontrolle. | |
Regierungskritische Stimmen gibt es fast nur noch über Onlinemedien. | |
Die [4][taz hatte im Mai über den Fall der österreichischen Journalistin | |
Franziska Tschinderle berichtet], die im April 2021 tagelang in Ungarns | |
TV-Nachrichten diffamiert wurde – wegen kritischer Fragen an die | |
Orbán-Partei. Die Recherche, die im Rahmen eines Projekts in Kooperation | |
mit dem IPI entstand, zeigt, wie sich in dem Land ein Konglomerat aus | |
privaten und staatlichen Medien gebildet hat, für das es selbstverständlich | |
ist, mit der Fidesz-Regierung Hand in Hand zu arbeiten. | |
## Mitglieder aus fast 100 Ländern | |
Der Online-Angriff auf das IPI war einer der schwerwiegendsten in der | |
Geschichte des Instituts. „Es ist äußerst besorgniserregend zu sehen, dass | |
eine Organisation für Pressefreiheit angegriffen wird, weil sie ihre | |
Kernaufgabe erfüllt, nämlich das Bewusstsein für Angriffe auf Journalisten | |
und Medien zu schärfen“, sagte Griffin. Behörden wie Medien müssten diese | |
Bedrohung ernst nehmen und sich dagegen wappnen. | |
Griffin sieht Angriffe nicht nur in Ungarn, sondern auch in anderen Teilen | |
der Welt als eine wachsende Bedrohung der Pressefreiheit in diesen Tagen. | |
„Wir sind besorgt über die Auswirkungen dieser Art von Angriffen auf | |
bevorstehende Wahlen, einschließlich der Wahlen zum Europäischen Parlament | |
im nächsten Jahr.“ | |
Das International Presse Institute mit Sitz in Wien ist eine | |
Medien-Vereinigung mit Mitgliedern aus fast 100 Ländern. Es wurde 1950 | |
gegründet und setzt sich weltweit für die Rechte von Journalisten und | |
Pressefreiheit ein. | |
Offenlegung: Die taz kooperiert mit dem International Press Institute. Der | |
Autor ist Teil des Rechercheprojekts „[5][Decoding the disinformation | |
playbook of populism in Europe]“, das vom IPI geleitet und in | |
Zusammenarbeit mit der kroatischen Faktencheck-Organisation Faktograf und | |
der taz durchgeführt wird. Das Projekt wird von dem European Media and | |
Information Fund finanziell unterstützt, der von der | |
Calouste-Gulbenkian-Stiftung verwaltet wird. | |
13 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://ipi.media/ | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Denial_of_Service | |
[3] https://ipi.media/hungary-ddos-cyber-attacks-pose-major-new-threat-to-media… | |
[4] /Angegriffene-Pressefreiheit-in-Ungarn/!5928587 | |
[5] https://ipi.media/decoding-disinformation-playbook/ | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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