| # taz.de -- Verdacht auf Journalisten-Vergiftungen: Auch in Europa keine Sicher… | |
| > Wurden russische Journalist*innen seit 2022 im Ausland vergiftet? | |
| > Vieles spricht dafür, sagt der Chefredakteur des Exilmediums „Meduza“. | |
| Bild: Im Dezember musste Jelena Kostjutschenko in der Berliner Charité behande… | |
| BERLIN taz | „Ja, Lena erholt sich noch, physisch und psychisch“, erzählt | |
| Iwan Kolpakow, Chefredakteur des 2014 in Riga (Lettland) gegründeten | |
| Exilmediums [1][Meduza ] im Gespräch mit der taz. Er meint Jelena | |
| Kostjutschenko, russische Journalistin, die für die unabhängigen Medien | |
| Nowaja Gaseta und Meduza schreibt, und die bis vor kurzem im Berliner | |
| Krankenhaus Charité behandelt wurde. Verdacht: Vergiftung. | |
| Ein Déjà-vu. Auch der Oppositionspolitiker [2][Alexei Nawalny] lag im Jahr | |
| 2020 in der Charité. Ebenfalls im Berliner Krankenhaus lag wegen Vergiftung | |
| der Publizist und Mitglied der Pussy Riot-Gruppe Pjotr Wersilow. „Ein guter | |
| Freund von mir“, sagt Kolpakow. Die Liste der im Auftrag der russischen | |
| Regierung vergifteten Aktivisten ist lang. | |
| Nun wurde das wieder zum Thema, weil das russische unabhängige Medienportal | |
| [3][The Insider eine Recherche über die Vergiftungen von drei Journalisten | |
| und Aktivisten veröffentlicht hat.] Eine von ihnen, Jelena Kostjutschenko, | |
| in München im Oktober 2022. Im Gespräch mit Kolpakow taucht die Frage auf, | |
| ob die Vergiftung zu 100 Prozent bestätigt wurde. „Noch nicht, aber Ärzte, | |
| die lange darüber recherchieren, haben den Verdacht.“ Der Kontext und die | |
| vorhandenen Bedrohungen dieser Journalistinnen seien diesbezüglich | |
| ausschlaggebend, erzählt der Meduza-Chefredakteur. | |
| Die Journalistin Kostjutschenko hat als Nachklapp der Recherche ihre | |
| Geschichte [4][selber auf Meduza erzählt]. Am Anfang des Krieges reiste sie | |
| in die Ukraine, um über die russischen Kriegsverbrechen zu berichten. Als | |
| sie dann nach Mariupol weiterfahren wollte, bekam sie einen Anruf des | |
| Chefredakteurs der Zeitung Nowaja Gaseta, Dmitri Muratow: „Eine meiner | |
| Quellen hat mich kontaktiert. Sie wissen, dass du nach Mariupol gehst, und | |
| sie haben mir gesagt, dass Kadyrows Männer den Befehl erhalten haben, dich | |
| zu finden“, sagte Muratow zu ihr. | |
| Später rief er wieder an: „Fahre bitte nicht nach Russland zurück: Dein | |
| Leben ist in Gefahr.“ Der Machthaber der russischen Teilrepublik | |
| Tschetschenien gilt als engster Verbündeter des russischen Präsidenten | |
| Wladimir Putin und als einer der größten Befürworter des russischen | |
| Angriffskrieges. | |
| ## Auch in Westeuropa sind russische Agenten aktiv | |
| „Jelena wollte gar nicht Russland verlassen, aber sie hatte keine andere | |
| Wahl“, erzählt der Meduza-Chefredakteur. Kolpakow beschreibt, wie ein | |
| Netzwerk von russischen Agenten in mehreren Ländern aktiv sei – in | |
| Botschaften, Unternehmen, als Hacker, als Unterstützer von prorussischen | |
| Organisationen. | |
| „Jeden Monat wird über einen neuen Spion berichtet: Der Krieg hat die Lage | |
| nicht verändert. Auch in Westeuropa: Deutschland, die Schweiz und | |
| Österreich sind an erster Stelle“, betont er. In Europa sei man auch nicht | |
| sicher. „Das ist ein falsches Gefühl, das viele Russ*innen bekommen. Wir | |
| brauchen Schutz“, appelliert der russische Journalist an die westlichen | |
| Regierungen. Er hat Russland bereits 2014 verlassen, weil er seinen Beruf | |
| nicht frei ausüben konnte. Lange hat er in Lettland gelebt, nun will er aus | |
| Sicherheitsgründen nicht verraten, wo er sich in Europa aufhält. | |
| Im Interview für das russischsprachige Medienportal Nastojaschee Vremja | |
| erklärt der Chefredakteur von The Insider, Roman Dobrochotow, Einzelheiten | |
| der Untersuchung, die sein Medium initiiert hat. In zwei der drei | |
| Vergiftungsfällen sei es kein Nowitschok gewesen – Gift, das durch Nawalny, | |
| aber auch zuvor durch den Angriff gegen die [5][Skripals 2018] bekannt | |
| wurde. „Aber das ist natürlich eine Frage der Dosierung. Alle diese Gifte, | |
| die wir verdächtigen, sind in großen Dosen tödlich. Im Fall von | |
| Kostjutschenko hatten sie eher Pech“, beurteilt Dobrochotow. | |
| Jelena Kostjutschenko wurde wahrscheinlich vergiftet, als sie unterwegs | |
| nach München war. Und Natalia Arno, Präsidentin der Free Russian | |
| Foundation, in einem Hotel in Prag. Der Geheimdienst greife oft an, wenn | |
| die Menschen unterwegs sind, allein, weit weg von zu Hause, von Verwandten, | |
| Freunden, Kolleg*innen, erzählt der Meduza-Chefredakteur. „An erster Stelle | |
| sollte Europa das Problem erwähnen und anerkennen. Das wäre ein erster | |
| Schritt, um den Exilruss*innen zu helfen“, sagt Kolpakow, denn es sei | |
| hart für russische Journalist*innen und Aktivist*innen, die sich in | |
| Europa befinden. | |
| 17 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Meduza-Auswahl-10-bis-16-August/!5954187 | |
| [2] /Alexei-Nawalny-in-Russland-verurteilt/!5952415 | |
| [3] https://theins.ru/politika/264260 | |
| [4] https://meduza.io/en/feature/2023/08/15/i-want-to-live-and-that-s-why-i-m-w… | |
| [5] /Giftanschlag-auf-Ex-Spion-Sergej-Skripal/!5533667 | |
| ## AUTOREN | |
| Gemma Teres Arilla | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Giftanschlag | |
| Russland | |
| Journalist | |
| Pressefreiheit in Europa | |
| Alexei Nawalny | |
| Russland | |
| Ungarn | |
| Unser Fenster nach Russland | |
| Wolodymyr Selenskij | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Unser Fenster nach Russland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Strafkolonie „besonderen Regimes“: „Väterchen Frost“ lächelt trotzdem | |
| Russland politischer Gefangene Alexei Nawalny wirkt abgemagert, aber nicht | |
| niedergeschlagen. Er ist nun in einer Strafkolonie hinter dem Polarkreis. | |
| Hacker mit Spuren nach Ungarn: Cyber-Attacke gegen Presse-Institut | |
| Das International Press Institute in Wien wird von Hackern attackiert. Es | |
| sieht einen Bezug zu ähnlichen Angriffen auf unabhängige Medien in Ungarn. | |
| Meduza-Auswahl 24.-30. August: Ein Schrein für Prigoschin | |
| In Sankt Petersburg wird um den Ex-Wagner-Chef getrauert. Manche glauben, | |
| Kyjiw sei für seinen Tod verantwortlich. Texte aus dem Exilmedium. | |
| + + + Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Sieben Tote in Tschernihiw | |
| Das russische Militär hat laut Ukraines Präsident die Uni und das Theater | |
| der Stadt bombardiert. Selenskyj ist zu Besuch in Schweden, und Putin | |
| trifft seine Generäle. | |
| +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Frachter erreicht Istanbul | |
| Das erste Containerschiff seit der russischen Nicht-Verlängerung des Deals | |
| hat das Schwarze Meer überquert. Außerdem explodierte eine Drohne in | |
| Moskau. | |
| Russische Botschaft in Moldau: Spionage-Vorwürfe gegen Diplomaten | |
| 45 russische Mitarbeiter der russischen Botschaft müssen Moldau verlassen. | |
| Auf dem Dach des Gebäudes wurden verdächtige Antennen gefunden. | |
| Russischer linker Professor festgenommen: Vorwurf des „Terrorismus“ | |
| Russlands Finanzaufsichtsbehörde hat Boris Kagarlitzki auf die Terrorliste | |
| gesetzt. Dem linken Politik-Professor drohen sieben Jahre Haft. | |
| Meduza-Auswahl 27. Juli bis 2. August: Was darf man heute noch verlegen? | |
| Der Chefredakteur eines Moskauer Verlags berichtet, wie Gesetze gegen | |
| „ausländische Agenten“ den Buchmarkt Russlands verändern. Texte aus dem | |
| Exilmedium. |