| # taz.de -- Grüne und transatlantische Beziehungen: Böll für die Bombe | |
| > Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt einen Aufruf für | |
| > Aufrüstung und Atombomben. Bei den Grünen finden das nicht alle gut. | |
| Bild: Namensgeber Heinrich Böll protestiert 1983 gegen die Stationierung von U… | |
| Berlin taz | Eine Frage ist für eine mögliche schwarz-grüne Bundesregierung | |
| nach der Wahl im September besonders interessant: Wie hält sie es mit dem | |
| Militär in der Außenpolitik? Eine pazifistische Partei sind die Grünen zwar | |
| spätestens seit rot-grünen Regierungszeiten nicht mehr. Leicht machen sie | |
| es sich in den Detailfragen – welche Auslandseinsätze, welche Kompromisse | |
| bei Kampfdrohnen, wie weiter mit der Atombombe? – aber noch immer nicht. | |
| Bemerkenswert ist da ein Vorstoß aus den Reihen der parteinahen | |
| Heinrich-Böll-Stiftung, die als Denkfabrik intellektuelle Vorlagen für | |
| grüne Politik liefert. Zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe | |
| Biden hat die Böll-Vorsitzende Ellen Ueberschär [1][einen Aufruf „für eine | |
| neue Übereinkunft zwischen Deutschland und Amerika“] verfasst – gemeinsam | |
| mit Vertreter*innen von transatlantischen Thinktanks und | |
| Lobbyorganisationen wie der Atlantik-Brücke, dem German Marshall Fund und | |
| dem Aspen Institute. Am Mittwochnachmittag wird das Papier [2][auf einer | |
| von der Böll-Stiftung organisierten Veranstaltung] vorgestellt. | |
| Manches in dem Aufruf mit dem Titel „Transatlantisch? Traut Euch!“ dürfte | |
| in grünen Kreisen zwar unumstritten sein. „Effektiver Klimaschutz gehört | |
| ins Zentrum einer modernen transatlantischen Agenda“, heißt es zum | |
| Beispiel. Neue antirassistische und antisexistische Bewegungen seien | |
| geeignet, die transatlantische Partnerschaft auf Ebene der | |
| Zivilgesellschaften fortzuführen. Und in der Chinapolitik sollten Europa | |
| und die USA einen gemeinsamen Schwerpunkt auf Menschenrechte setzen. | |
| Deutlich streitbarer ist, was Ueberschär und ihre Mitstreiter*innen in | |
| der Sicherheitspolitik fordern: Im Rahmen einer „ambitionierten neuen | |
| Übereinkunft“ müsse die Bundeswehr deutlich aufgerüstet werden. Die | |
| europäischen Nato-Staaten „mit Deutschland an erster Stelle“ sollen „ihre | |
| Fähigkeiten zur konventionellen Verteidigung“ erheblich erhöhen. „Dadurch | |
| entlasten sie die USA in Europa und erleichtern es ihnen, sich auf den | |
| Indo-Pazifik zu konzentrieren.“ | |
| ## Atombomben sollen bleiben | |
| Vor allem aber: „Der nukleare Schutzschirm der USA ist für alle | |
| nicht-nuklearen NATO-Staaten in Europa unverzichtbar. Es sollte ihn geben, | |
| solange es Nuklearwaffen gibt und die Bedrohung anhält.“ Deutschland müsse | |
| an der „Nuklearen Teilhabe festhalten und nötige Modernisierungsschritte | |
| umsetzen“. | |
| Sprich: US-Atomwaffen sollen weiterhin und unbefristet in Deutschland | |
| lagern. Die Bundeswehr soll als Nachfolger für die altersschwachen | |
| Tornado-Jets neue Kampfflugzeuge beschaffen, die ebenfalls | |
| atomwaffentauglich sind und die Atombomben im Ernstfall über feindlichem | |
| Gebiet abwerfen könnten. | |
| Die Grünen selbst haben [3][in ihrem neuen Grundsatzprogramm gerade erst | |
| eine andere Stoßrichtung] festgeschrieben. Darin fordern sie ein | |
| „Deutschland frei von Atomwaffen und damit ein zügiges Ende der Nuklearen | |
| Teilhabe“. Auf welchem Weg und wie schnell sich dieses Ziel umsetzen lässt, | |
| ist in der Partei zwar umstritten. Die Parteispitze will sich in | |
| öffentlichen Äußerungen noch nicht auf einen konkreten Abzugsplan | |
| festlegen. Ein unbefristetes Bekenntnis zur Nuklearen Teilhabe ist in | |
| grünen Kreisen aber doch sehr ungewöhnlich. | |
| ## „Ganz alte Lieder“ | |
| Entsprechend verärgert ist man vor allem im linken Parteiflügel, der seine | |
| Positionen in der außenpolitischen Arbeit der Böll-Stiftung schon länger | |
| nicht ausreichend widergespiegelt sieht. Der Bundestagsabgeordnete Jürgen | |
| Trittin sagt: „Wer von einer Neubestimmung des transatlantischen | |
| Verhältnisses redet, sollte mehr liefern, als Rezepte der 80er Jahre. Wer | |
| das anachronistische 2 Prozent Ziel, Aufrüstung und nukleare Abschreckung | |
| zum Kern eines neuen Bündnisses liberaler Demokratien machen will, singt | |
| ganz alte Lieder.“ | |
| Er sei „verwundert, dass die Vorsitzende einer grünennahen Stiftung nicht | |
| nur derartige Papiere unterschreibt, in der das Wort ‚Abrüstung‘ nicht | |
| einmal vorkommt – sondern das ganze auch noch im Rahmen einer | |
| Stiftungsveranstaltung präsentiert wird“, sagt Trittin. Schleierhaft sei | |
| ihm, was „an diesem neokonservativen Aufschlag grünennah sein soll“. | |
| Am Freitag tritt übrigens der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft. Über 50 | |
| Staaten haben ihn schon ratifiziert und die Grünen fordern in ihrem | |
| Grundsatzprogramm, dass auch Deutschland beitritt. Den Vertrag | |
| vorangetrieben hat federführend das internationale Anti-Atomwaffen-Bündnis | |
| ICAN. | |
| Die Böll-Stiftung, die laut ihrem Leitbild „für Gewaltfreiheit und eine | |
| aktive Friedenspolitik eintritt“, unterstützt ICAN seit Jahren. Zum | |
| Inkrafttreten des Verbotsvertrags, der mit einem internationalen Aktionstag | |
| am Freitag gefeiert wird, hat sie aber keine eigene Veranstaltung | |
| angekündigt. | |
| 20 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://anewagreement.org/ | |
| [2] https://calendar.boell.de/de/event/transatlantisch-traut-euch?dimension1=st… | |
| [3] /Die-Gruenen-und-die-Bomben/!5731186 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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