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# taz.de -- Aktivist über Böll-Stiftung und Atomwaffen: „Unvereinbar mit gr…
> Die Chefin der Böll-Stiftung unterstützt einen Aufruf für Nukleare
> Teilhabe. Ein Skandal, findet der Anti-Atomwaffen-Aktivist Leo
> Hoffmann-Axthelm.
Bild: Kampfflugzeug Tornado 33 auf dem Fliegerhorst Büchel ist Träger für di…
taz: Herr Hoffmann-Axthelm, ICAN hat jahrelang für den [1][internationalen
Atomwaffenverbotsvertrag] gekämpft. Am Freitag ist er in Kraft getreten.
Wie fühlt es sich an?
Leo Hoffmann-Axthelm: Das ist ein historischer Moment. Das Atomwaffenverbot
war ja lange ein sehr abstraktes Thema. Und noch kämpfen wir stark mit dem
Vorurteil, dass es einfach unmöglich sei, Atomwaffen zu verbieten. Das
Inkrafttreten des Vertrags wird uns noch mal Wind in die Segel bringen,
wenn es darum geht, weitere Staaten vom Beitritt zu überzeugen. 122 Staaten
haben 2017 für das Verbot gestimmt.
Das Inkrafttreten ist aber erst mal nur ein symbolischer Akt. Bei weitem
nicht alle Staaten haben den Vertrag unterschrieben. Die Atomwaffenstaaten
selbst sind nicht dabei.
Das liegt in der Natur der Sache. Insofern wäre ich vorsichtig, da von
einem nur symbolischen Schritt zu sprechen. Erstens, weil Symbolik
natürlich extrem wichtig ist. Atomwaffen sind ja vor allem Statussymbole
und keine Waffen, die man tagtäglich auf dem Kriegsschauplatz einsetzt. Und
zweitens ist auch Völkerrecht und Politik ein sehr symbolträchtiges Feld.
Wenn Atomwaffen gleichgesetzt werden mit geächteten Waffen wie Chemie- und
Biowaffen, dann wird das verändern, wie wir alle über Atomwaffen
nachdenken.
Die Vorfreude auf das Inkrafttreten war aber wahrscheinlich etwas getrübt:
Auf Twitter haben Sie sich [2][mit der Böll-Stiftung gezofft], weil deren
Vorsitzende Ellen Ueberschär [3][einen Aufruf unterzeichnet] hat, indem sie
die Nukleare Teilhabe der Nato und die in Deutschland stationierten
US-Atombomben befürwortet. Was genau ist Ihre Kritik daran?
Zunächst kann man festhalten, dass wir jetzt, wo das Verbot real wird, eine
viel größere Gefahr darstellen für all jene Staaten, die an Atomwaffen
festhalten und auch in der Zukunft ihre Sicherheitspolitik auf
Massenvernichtungswaffen aufbauen wollen. Insofern ist es vollkommen
normal, dass die uns kritisieren. Und es ist auch normal, dass innerhalb
Deutschlands die Parteien und Thinktanks ihre Position dazu klären. Das ist
erst mal ein gesunder Prozess, weil vorher alle behauptet haben, an einer
atomwaffenfreien Welt zu arbeiten. Aber wenn alle behaupten, auf der
richtigen Seite der Geschichte zu stehen, dann kann etwas nicht stimmen,
denn irgendwo hapert es ja doch. Insofern ist es extrem hilfreich, dass wir
jetzt sehen, wer nur so tut, als wäre er für nukleare Abrüstung, aber
ansonsten auf Zeit spielt, um am Status quo festzuhalten.
Und Letzteres hätten Sie aus Reihen der Böll-Stiftung nicht erwartet?
Das war für uns sehr überraschend. Ich würde sogar sagen, dass wir empört
sind über das Statement, dass die Chefin der Böll-Stiftung mitunterzeichnet
hat. Es ist schon extrem harter Tobak, dass ausgerechnet aus der
grünen-nahen Stiftung kommt, dass Deutschland dauerhaft an Atomwaffen
festhalten muss, an der Nuklearen Teilhabe weiterhin teilnehmen muss und
dazu auch die Modernisierung atomwaffenfähiger Kampfjets mittragen muss.
Das ist vollkommen unvereinbar mit dem neuen Grundsatzprogramm der Grünen,
das den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbot explizit vorsieht.
Allerdings: So lange Russland Atomwaffen besitzt, könnte eine einseitige
Nukleare Abrüstung der Nato-Staaten tatsächlich Probleme schaffen.
Die Böll-Stiftung und die Grünen wollen nicht den Eindruck erwecken, dass
sie nicht solidarisch mit den osteuropäischen Nato-Saaten wären. Das kann
ich gut verstehen, das ist wichtig. Nur darf man die Solidarität mit
Osteuropa nicht dafür instrumentalisieren, dass man an
Massenvernichtungswaffen festhält. Stattdessen muss man in die ehrliche
Debatte gehen, dass man konventionelle Fähigkeiten braucht, um sich
glaubhaft an der Nato zu beteiligen.
Für Sie wäre also okay: Atomwaffen raus, dafür aber mehr Panzer?
Es gibt schon einen Unterschied zwischen konventionellen Waffen und
Massenvernichtungswaffen. Atomwaffen sind ab heute völkerrechtlich
verboten. Konventionelle Waffen sind dagegen in der Lage, zwischen
Kombattanten und Zivilisten zu unterscheiden. Es ist selbstverständlich,
dass Panzer erlaubt sind und Atomwaffen verboten. Das ist jetzt auch im
Völkerrecht so verankert.
Der umstrittene Aufruf, über den wir hier reden, wurde zwar von der
Böll-Chefin unterzeichnet und von der Stiftung beworben. Allerdings steht
unter dem Papier ausdrücklich: „Alle Autoren geben hier allein ihre
persönliche Ansicht wieder.“ Kann man da der Stiftung an sich wirklich
einen Vorwurf machen?
Man kann es ihr sicherlich nicht direkt zum Vorwurf machen. Allerdings ist
es auch sehr schwierig jetzt noch zu behaupten, dass es nur eine
persönliche Meinung sei. Denn wenn ich Vorsitzende einer Organisation bin,
dann werde ich kaum öffentlich Dinge von mir geben, die diametral gegen die
Position dieser Organisation gehen. Wir sind sehr daran interessiert, was
jetzt die tatsächliche Position der Stiftung ist.
In ihrem Twitter-Streit mit der Stiftung ging es auch darum, ob ICAN noch
von der Böll-Stiftung unterstützt wird. Sie sagen: nein. Die Stiftung sagt:
doch. Also was denn jetzt?
Die Frage ist, wie man Unterstützung definiert. Richtig ist, dass die
Böll-Stiftung uns als ICAN Deutschland lange finanziell unterstützt hat,
wofür sehr dankbar sind. Das hat vor zwei Jahren aufgehört. Auf Twitter
wollte die Böll-Stiftung hervorheben, dass sie letztes Jahr noch ein
Projekt von den Kollegen bei ICAN Frankreich finanziell unterstützt und
einen Meinungsbeitrag von uns auf ihrer Website gepostet hat. Man kann also
sagen, dass wir durchaus noch mit der Böll-Stiftung zusammenarbeiten. Aber
„Unterstützung“ heißt für eine kleine NGO wie uns vor allem finanzielle
Unterstützung und nicht, nur einen Blog-Artikel zu posten.
Wie kam es vor zwei Jahren zum Ende der finanziellen Unterstützung?
Es ist normal, dass man sich nicht zu lange auf einen bestimmten Stifter
verlassen sollte und dass man seine Finanzierungsstruktur diversifizieren
muss. Wir können uns auch nicht darüber beschweren, wie das damals
vonstatten ging: Die Böll-Stiftung hat lange vorher angekündigt, dass die
Gelder gestrichen werden. Wir konnten uns also darauf einstellen. Warum es
zu der Entscheidung kam, weiß ich natürlich nicht.
Unabhängig vom Streit mit der Böll-Stiftung: Wie geht denn Ihre Arbeit nach
dem Inkrafttreten des Verbotsvertrags weiter?
Zunächst werden wir versuchen, die Debatte, die jetzt in Deutschland an
allen Ecken und Enden losgeht, mit Fakten zu unterfüttern. Wir haben
nämlich die sehr schwierige Situation, dass die Bundesregierung und alle
anderen Nato-Staaten an der Nuklearen Abschreckung festhalten wollen und
sich nicht zu schade sind, sehr merkwürdige Argumente ins Feld zu führen.
Deswegen haben wir alle Hände voll damit zu tun, diese lange
diskreditierten Argumente auszuräumen. Gleichzeitig verschafft der
Verbotsvertrag aber auch Klarheit darüber, wer für die Nukleare Abrüstung
ist und wer dem Prozess im Wege steht. Das ist gerade vor der
Bundestagswahl sehr hilfreich. 92% der Bundesbürger unterstützen das Verbot
von Atomwaffen in repräsentativen Umfragen.
Und wo sehen Sie da die Bundesregierung?
Im letzten Jahr hat die Bundesregierung bei der Stockholm-Initiative
mitgemacht. Da hat ein Dutzend Staaten eine Liste von Sachen
veröffentlicht, die sie für die Nukleare Abrüstung machen wollen. Wenn man
sich diese Liste aber genau anschaut, kann man sich nur in die Haare
greifen. Zwei Drittel der Punkte sind wohlfeile Appelle an die
Atomwaffenstaaten. Keiner der Punkte ist etwas, was Deutschland selber
umsetzen könnte. Kein Wort darüber, ob Deutschland innerhalb der NATO dafür
werben könnte, die Rolle von Atomwaffen zu reduzieren. Die Zeit solcher
inhaltsleerer Statements, die in der Realität nichts ändern, müssen wir
dringend überwinden. Es gibt jetzt eine Alternative: Den Beitritt zum
UN-Atomwaffenverbotvertrag, kurz AVV.
23 Jan 2021
## LINKS
[1] /Abkommen-ueber-UNO-Atomwaffenverbot/!5745773
[2] https://twitter.com/boell_secpol/status/1352164204783009793
[3] /Gruene-und-transatlantische-Beziehungen/!5745530
## AUTOREN
Tobias Schulze
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