# taz.de -- Grüne Gewinner bei der Europawahl: Neue Kräfteverteilung in der EU | |
> Bei der Europawahl verlieren die beiden vormals stärksten Fraktionen im | |
> EU-Parlament ihre angestammte Mehrheit. Die Grünen feiern sich als | |
> Sieger. | |
Bild: Vorhang auf für die Grünen – die bisher einzigen Gewinner der Europaw… | |
BRÜSSEL taz | Eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung, eine historische | |
Schlappe für die Große Koalition in Deutschland und ein empfindlicher | |
Dämpfer für den konservativen Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) im | |
Rennen um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: Dies | |
waren die ersten Trends von der Europawahl, die am Sonntagabend das | |
Europaparlament in Brüssel bewegten. | |
Die erste wirklich europäische Zahl kam erst kurz vor 20 Uhr: Die | |
Wahlbeteiligung bei der Europawahl lag bei rund 51 Prozent – und damit | |
„höher als in den letzten 20 Jahren“, wie ein sichtlich bewegter Sprecher | |
mitteilte. Wenn sich diese Zahl bestätigt, so hätte die Kampagne des | |
Parlaments („Diesmal wähl’ ich“) gewirkt. Es wäre eine gute Nachricht f… | |
die europäische Demokratie. | |
Kurz danach der erste Schocker: Die Bewegung des französischen Staatschefs | |
Emmanuel Macron liege hinter den Nationalisten von Marine Le Pen, raunten | |
die Journalisten im Plenarsaal, das eigens für den Wahlabend in ein | |
futuristisches Kontrollzentrum umgebaut worden war. Laut ersten Prognosen | |
würden die Rechten mit 23 bis 24 Prozent stärkste Kraft. Offizielle Zahlen | |
ließen jedoch auf sich warten. 2014 hatte die Partei Le Pens 24,86 Prozent | |
eingefahren. | |
Ein klarer Trend ließ sich aus den verschiedenen nationalen, teils | |
widersprüchlichen Hochrechnungen zunächst nicht ablesen. Nur die | |
[1][Grünen, so scheint es, können sich schon europaweit als Sieger] fühlen. | |
Bereits um 19 Uhr ließ die grüne Spitzenkandidatin Ska Keller ihre | |
Wahlparty im 4. Stock des Parlamentsgebäudes steigen. | |
## Junge Menschen für Öko-Parteien | |
„Diese Wahl ist ein gesamteuropäisches Signal für mehr Klimaschutz“, | |
jubelte Keller. „Das Ergebnis verstehen wir als Auftrag, bei diesem Thema | |
nun endlich für Handlungen zu sorgen.“ Ihr grüner Parlamentskollege Sven | |
Giegold sprach sogar von einem „Sunday for Future“. Nicht nur in | |
Deutschland, auch in Frankreich und vermutlich auch in Belgien könnten die | |
Grünen historische Erfolge verbuchen. | |
Demgegenüber herrschte bei den Sozialdemokraten der Katzenjammer. [2][Das | |
vorläufige Wahlergebnis sei eine „tiefe Enttäuschung“], sagte der | |
SPD-Politiker Udo Bullmann nach den ersten Zahlen aus Deutschland. „Das | |
Klima-Thema hat alles beherrscht, und das läuft nun mal unter dem grünen | |
Label.“ Vor allem junge Menschen hätten deshalb für die Öko-Partei | |
gestimmt. | |
Wenn die Grünen eine ökologische Wende wollten, müssten sie nun eine | |
„progressive Allianz“ mit dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans | |
Timmermans eingehen, forderte Bullmann. Doch der Chef der Europa-Grünen, | |
Reinhard Bütikofer, denkt gar nicht daran. „Jetzt wird über Politik | |
geredet, nicht über Personen“, sagte er. „Wir haben ein Mandat für | |
Veränderung“, und das habe Vorrang. | |
Die ausweichende Antwort kommt nicht überraschend. Denn weder für | |
Timmermans noch für den bisher als Favoriten gehandelten CSU-Mann Weber | |
sieht es gut aus. Die CSU hat in Deutschland zwar leicht hinzugewonnen, was | |
sich Weber als persönlichen Erfolg anrechnen dürfte. | |
Dafür schmiert die CDU aber um mehr als acht Prozent ab. Ein so schlechtes | |
Ergebnis haben CDU/CSU noch nie bei einer (Europa-)Wahl eingefahren. Keine | |
gute Basis, um sich um die Nachfolge von Kommissionschef Juncker zu | |
bewerben. Weber kündigte an, nun stünden die Gespräche auf EU-Ebene an. | |
„Ich als Parlamentarier werde jetzt die Hand ausstrecken den anderen | |
Fraktionen gegenüber – denen, die auch an Europa glauben“, sagte er im | |
Bayerischen Fernsehen. | |
Doch die Zahlen geben noch keinen klaren Führungsanspruch her – für | |
niemanden. Webers EVP muss sich nach einer ersten Projektion des Parlaments | |
vom Sonntagabend mit 173 Parlamentssitzen zufrieden geben. Die | |
Sozialdemokraten liegen bei 147, die Liberalen bei 102, die Grünen bei 71. | |
Für eine Mehrheit braucht man 376 Sitze – mindestens drei Parteien müssten | |
sich zusammentun, um diese Zahl zu erreichen. Die alte Mehrheit aus EVP und | |
Sozialdemokraten ist Geschichte. | |
26 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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