# taz.de -- Große Koalition will den Staatstrojaner: Der Spion in deinem Handy | |
> Telefone und Computer sollen zur Strafverfolgung mit Spionagesoftware | |
> gehackt werden können. Die Technik dafür hat Grenzen – noch. | |
Bild: Trojaner (die Technik ist noch nicht ganz ausgereift) | |
KARLSRUHE taz | Am Donnerstag wird der Bundestag erstmals den Einsatz von | |
Staatstrojanern in der Strafverfolgung erlauben. Konkret soll in der | |
Strafprozessordnung erstmals die Quellen-Telekommunikationsüberwachung | |
(Quellen-TKÜ) und die Onlinedurchsuchung erlaubt werden. Die Zustimmung der | |
Großen Koalition gilt als sicher. Grüne und Linke wollen dagegen stimmen. | |
Bürgerrechtler haben Verfassungsklagen angekündigt. | |
Die Quellen-TKÜ zielt auf verschlüsselte Kommunikation, zum Beispiel | |
Internettelefonate oder Messenger-Dienste wie WhatsApp. Verschlüsselte | |
Kommunikation kann nicht wie üblich auf dem Übertragungsweg überwacht | |
werden. Deshalb muss die Polizei vor der Verschlüsselung zugreifen – im | |
Telefon oder im Computer, also an der Quelle. Das soll mittels | |
Spionagesoftware (Trojaner) künftig immer dann möglich sein, wenn die | |
Überwachung von Telefonaten oder E-Mails schon bisher rechtlich erlaubt | |
war. | |
Die Onlinedurchsuchung geht noch weiter. Hier greift der Polizei-Trojaner | |
nicht nur auf laufende Kommunikation zu, sondern überspielt auch den Inhalt | |
der Festplatte ganz oder teilweise an die Polizei. Das | |
Bundesverfassungsgericht hat diese Onlinedurchsuchung 2008 grundsätzlich | |
gebilligt. Zur Gefahrenabwehr ist sie allerdings nur zum Schutz „überragend | |
wichtiger Rechtsgüter“ möglich. | |
Auch zur Strafverfolgung hat Karlsruhe die Onlinedurchsuchung damals | |
zugelassen, dafür aber noch keine Vorgaben gemacht. Die geplante Regelung | |
sieht nun vor, dass die Ausspähung der Festplatte immer dann zulässig ist, | |
wenn auch die Wohnung verwanzt werden dürfte (großer Lauschangriff). Das | |
betrifft 27 Deliktsgruppen, vom Völkermord bis zur Verleitung zum | |
missbräuchlichen Asylantrag. | |
## Gesetzgeberischer Trick | |
Die Regelung zur Quellen-TKÜ kommt nicht überraschend. Sie war schon im | |
rot-schwarzen Koalitionsvertrag vereinbart worden. Von einer | |
Onlinedurchsuchung zur Strafverfolgung war bisher aber nicht die Rede. Wie | |
nahe beide Methoden beieinander liegen, zeigt die geplante Überwachung von | |
Messenger-Diensten. Dort dürfen Nachrichten aus technischen Gründen auch | |
dann abgegriffen werden, wenn sie schon gespeichert wurden. Auch dies gilt | |
noch als Quellen-TKÜ, solange es Nachrichten betrifft, die nach der | |
richterlichen Anordnung abgesandt wurden. Wenn jedoch ältere Nachrichten an | |
die Polizei ausgeleitet werden, liege eine Onlinedurchsuchung vor, so die | |
Regierungspläne. | |
Justizminister Heiko Maas (SPD) hat die entsprechenden Vorschläge im Mai | |
nicht als Gesetzentwurf, sondern als sogenannte Formulierungshilfe | |
vorgelegt. Dies ermöglichte es, die neuen Trojaner-Befugnisse an ein | |
anderes bereits laufendes Gesetzgebungsverfahren anzudocken. Konkret werden | |
die umstrittenen Paragrafen am Donnerstag gemeinsam mit einem „Gesetz über | |
effektivere und praxistauglichere Strafverfahren“ abgestimmt. Dort geht es | |
unter anderem um Fahrverbote als Strafe. Selbst dieser Gesetzentwurf war | |
erst am Dienstag als Zusatzpunkt auf die Tagesordnung des Bundestags | |
gesetzt worden. | |
Völlig neu sind die Trojaner-Befugnisse nicht. Das Bundeskriminalamt hat | |
die gesetzliche Erlaubnis zur Quellen-TKÜ und zur Onlinedurchsuchung schon | |
seit 2009 – zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus. | |
Allerdings hat das BKA bisher nur ganz selten davon Gebrauch gemacht, bis | |
2015 gab es nur vier Quellen-TKÜs und eine Onlinedurchsuchung in sechs | |
Jahren. | |
Die Zahlen zeigen: Die Befugnis allein bringt der Polizei wenig, denn die | |
praktischen Probleme sind immens. So hat das BKA technisch noch keine | |
Möglichkeit, Messenger-Dienste wie WhatsApp zu überwachen. Auch mit dem | |
Trojaner selbst gibt es Probleme. Dem BKA fehlt eine Spähsoftware, die auf | |
Mobiltelefonen funktioniert und die Anforderungen des | |
Bundesverfassungsgerichts zum Datenschutz erfüllt. Selbst bei | |
Skype-Telefonaten ist die Quellen-TKÜ bisher auf Gespräche beschränkt, die | |
mit Windows-betriebenen PCs und Laptops geführt werden. | |
Nicht zuletzt besteht das Problem, einen solchen Trojaner auf das | |
entsprechende Gerät aufzuspielen. Einbrüche in die Wohnung sind nicht | |
erlaubt. Möglich ist die Zusendung manipulierter E-Mail-Anhänge oder die | |
heimliche Manipulation des Geräts bei einer Fahrzeugkontrolle oder am Zoll. | |
Möglich wäre auch die Ausnutzung von Software-Schwachstellen | |
(„Zero-Day-Exploits“), sodass sich ein Computer oder Smartphone schon beim | |
Ansurfen einer manipulierten Webseite infiziert. Informationen darüber | |
wollen Sicherheitsbehörden selbst finden oder auf illegalen Märkten kaufen | |
und für Überwachungszwecke nutzen – statt die Hersteller der Software zu | |
informieren und damit die Nutzer vor Cyberkriminellen zu schützen. | |
21 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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