# taz.de -- Globales Beteiligungsprojekt: Klima-Bürger:innenrat startet | |
> Zufällig ausgewählte Menschen aus aller Welt erstreiten seit Dienstag | |
> klimapolitische Einigungen. Sie sollen der Weltklimakonferenz Druck | |
> machen. | |
Bild: Wie kommt die Kohle aus der Energiewelt? Kohlemine im australischen New S… | |
BERLIN taz | Sie sind nicht gewählt, sondern ausgelost, haben weder | |
ausgewiesene Expertise noch ein erkennbares Eigeninteresse: 100 Menschen | |
aus aller Welt [1][sollen in einem globalen Bürgerrat darüber diskutieren], | |
wie die Menschheit die Erde bewohnbar halten soll, die sie selbst | |
gefährlich aufheizt. | |
Das Projekt startete am Dienstag. Initiiert haben den Bürgerrat NGOs, | |
unterstützt wird er auch von den Vereinten Nationen und Regierungen, allen | |
voran Großbritannien. | |
Das Vereinigte Königreich richtet im November in Glasgow die diesjährige | |
Weltklimakonferenz aus, die oft mit „COP 26“ abgekürzt wird. Dort soll der | |
Bürgerrat auch seine politischen Empfehlungen präsentieren. Von einer | |
„fantastischen Initiative“ sprach der diesjährige Klimagipfelpräsident Al… | |
Sharma. | |
Dass sie zufällig ausgewählt sind, ist der Clou an Bürger:innenräten. Nur | |
auf eine repräsentative Verteilung von demographischen Faktoren wie | |
Geschlecht oder Bildungsstand wird geachtet. Im Rahmen des Projekts | |
bekommen alle Teilnehmer:innen dieselben wissenschaftlich gesicherten | |
Informationen – dann müssen sie diskutieren. | |
## Worauf kann sich die Gesellschaft einigen? | |
Damit unterscheiden sie sich von Beteiligungsgremien wie beispielsweise der | |
Kohlekommission in Deutschland, die das Kohleausstiegsgesetz vorbereitet | |
hat. An der waren zwar auch Bürger:innen beteiligt, aber nur solche, die | |
etwa durch ihren Wohnort besonders von der Kohlewirtschaft betroffen sind. | |
Daneben saßen darin auch Unternehmensverbände, Umweltverbände und | |
Wissenschaftler:innen, also Personen mit besonderen Perspektiven auf das | |
fragliche Thema. Das ist bei Bürger:innenräten bewusst anders. Die | |
Ergebnisse geben Hinweise darauf, worauf sich die Gesellschaft einigen | |
kann. | |
In Großbritannien, Frankreich und Irland gab es schon Bürger:innenräte, die | |
sich mit dem Klimawandel befassten. Sie empfahlen den Regierungen | |
[2][deutlich progressivere Schritte], als die zuvor zu gehen bereit waren. | |
Umgesetzt wurden die Empfehlungen allerdings nicht komplett, denn | |
verbindlich sind die Ergebnisse der Bürger:innenräte in der Regel | |
nicht. | |
Das gilt bei dem neuen Format natürlich umso mehr – eine globale Regierung | |
als Adressatin gibt es schließlich nicht. Auf den Weltklimakonferenzen | |
streiten die fast 200 einzelnen Staaten über jedes Detail und müssen dabei | |
zu einstimmigen Ergebnissen kommen. | |
Die 100 Menschen wurden in einem mehrstufigen Prozess ausgelost. Erst | |
wurden verschiedene Orte festgelegt, die gut über die Welt verteilt liegen. | |
Dann machten sich die Initiator:innen dort nach potenziellen | |
Teilnehmer:innen auf die Suche, innerhalb dieser Gruppen entschied das | |
Los. | |
Bei dem Prozess halfen lokale Partner, etwa Bibliotheken. Die sind auch | |
weiter an Bord, um etwa beim Übersetzen zu helfen oder beim Lesen, sofern | |
die Teilnehmer:innen dabei Unterstützung brauchen. Um eine globale | |
Teilnahme zu ermöglichen, findet das Ganze zudem online statt. Finanziert | |
wird das Projekt unter anderem von der European Climate Foundation und der | |
schottischen Regierung. | |
Ob Alok Sharma und vor allem die Regierungen bei der kommenden | |
Weltklimakonferenz denn auf den Bürger:innenrat hören werden? Ganz | |
optimistisch scheint auch Mitorganisator Rich Wilson vom britischen | |
Thinktank OSCA nicht zu sein: „Das werden wir dann sehen, oder?“ | |
Einen der ganz großen Klimagipfel wie etwa 2015 in Paris, wo das aktuelle | |
Weltklimaabkommen beschlossen wurde, lässt die Tagesordnung nicht erwarten. | |
Gleichwohl hat die Konferenz großes politisches Gewicht. Die Staaten | |
stellen ihre neuen Klimaziele vor. Teil des Pariser Abkommens ist es | |
schließlich, dass die nationalen Pläne alle fünf Jahre überarbeitet werden. | |
Das ist jetzt erstmals geschehen. | |
Großbritannien als Gastgeber gibt sich besondere Mühe, auch schon im | |
Vorfeld des Gipfels Schwung in die politische Lage zu bringen. Der | |
britische Premier Boris Johnson erklärte am Montag in einem Interview mit | |
der Zeitung Times, dass das Land sein Stromsystem bis 2035 vollständig | |
erneuerbar machen wird. Er begründete das unter anderem mit den sinkenden | |
Kosten für Wind- und Solarkraft. Die Energiewende helfe dabei, „die Kosten | |
für Strom und Energie in den Griff zu bekommen“. | |
5 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://globalassembly.org/ga-resources | |
[2] /Buergerraete-in-Frankreich/!5752022 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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