# taz.de -- Geschlechtsspezifische Gewalt: Frau zu sein ist gefährlich | |
> Männer bringen Frauen um, weil diese das patriarchale Rollenbild nicht | |
> erfüllen. Gewalt gegen Frauen gehört ins öffentliche Bewusstsein. | |
Bild: Sonntag in Brüssel: Proteste gegen Gewalt an Frauen | |
Die größte Gefahr für Frauen sind keine Fremden in dunklen Parks oder auf | |
der Straße – es ist der eigene Partner. Jährlich etwa [1][50.000 Frauen und | |
Mädchen] werden laut einer aktuellen Studie der Vereinten Nationen von | |
ihrem Mann, ihrem Freund oder einem nahen Verwandten umgebracht, 3.000 von | |
ihnen werden in Europa getötet. | |
Diese Morde sind keine „Beziehungstaten“ oder „Eifersuchtsdramen“, wie … | |
geschrieben wird, sondern Femizide: Morde an Frauen, weil sie Frauen sind. | |
Männer bringen Frauen um, weil sie glauben, ein Recht darauf zu haben, dass | |
Frauen sich unterordnen und sexuell wie emotional zur Verfügung stehen. | |
Männer bringen Frauen um, weil diese die Machtverteilung in der Beziehung | |
infrage stellen oder aus der Beziehung ausbrechen. | |
Männer bringen Frauen um, weil diese auf von der Gesellschaft verpönte Art | |
und Weise von der Rolle abweichen, die ihnen in patriarchalen Systemen | |
zugedacht ist: Männer zu hegen, zu pflegen, zu bewundern, ihnen zu dienen. | |
All dies variiert seit Jahrzehnten im Detail, nicht aber im Muster. | |
Doch etwas ist anders in diesem Jahr. Denn langsam wird klar, dass Gewalt | |
gegen Frauen, deren konsequenteste Ausprägung Femizide sind, keine | |
Privatsache ist, sondern i[2][ns Bewusstsein der Öffentlichkeit] gehört. | |
Nach anhaltenden Protesten feministischer Gruppen rief am Donnerstag etwa | |
die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt den Notstand aus, um auf die steigende | |
Zahl von Femiziden aufmerksam zu machen. | |
Rund 100.000 Menschen gingen am Wochenende außerdem [3][in Frankreich] auf | |
die Straße, um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren. Seit Monaten läuft | |
eine Debatte über Femizide in dem Land – die Justizministerin räumte | |
Staatsversagen ein, weil das System es nicht schafft, Frauen zu schützen. | |
Staatspräsident Macron nennt dies „Frankreichs Schande“. Auch in Rom | |
gingen Zehntausende auf die Straße, minutenlang wurde schweigend derer | |
gedacht, die sich nicht mehr äußern können. Die männlichen Spieler der | |
italienischen 1. Fußballliga solidarisierten sich mit den Protesten. | |
## Eine umfassende Strategie fehlt | |
Diese Aufmerksamkeit ist wichtig, weil sich nur so auch auf behördlicher | |
und juristischer Ebene etwas bewegen wird. Hierzulande etwa wurde zwar nach | |
langem Druck der Opposition endlich Geld für eine Koordinierungsstelle der | |
Istanbul-Konvention bereitgestellt, eines Abkommens des Europarats zur | |
Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Auch in Frauenhäuser soll | |
vier Jahre lang investiert werden. Doch Frau zu sein ist auch in | |
Deutschland gefährlich – und [4][eine umfassende Strategie] zur Bekämpfung | |
von Gewalt gegen Frauen fehlt. | |
Obwohl hierzulande an jedem dritten Tag ein Mann seine Partnerin oder | |
Ex-Partnerin umbringt, ist Femizid kein eigener Straftatbestand. Die | |
Bundesregierung verweigert schon die Anerkennung des Begriffs. Noch immer | |
werden „Trennungstötungen“ häufig nicht als Mord eingestuft, weil Gerichte | |
Verständnis für die Motive des verlassenen Täters zeigen. | |
Und Frauen, die vor der Gewalt in Frauenhäuser flüchten, finden wegen | |
chronischer Überlastung dort oft keinen Schutz. Eine systematische | |
Finanzierung der Häuser, eine Anerkennung des Phänomens Femizid und | |
Schulungen von Polizei und Justiz wären nötig, um Frauenmorde in Zukunft zu | |
verhindern. | |
25 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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