# taz.de -- Gerichtsurteil zu NGO-Klage: Frontex darf weiter schweigen | |
> Die EU-Grenzschutzagentur muss keine Details über den Einsatz von | |
> Schiffen offenlegen. Die NGO „Frag den Staat“ hatte auf mehr Transparenz | |
> geklagt. | |
Bild: War im Sommer 2017 auch auf dem Mittelmeer unterwegs: libysche Küstenwac… | |
BERLIN taz | Die EU-Grenzschutzagentur Frontex muss nicht offenlegen, | |
welche Schiffe sie im Mittelmeer einsetzt. Das entschied das Gericht der | |
Europäischen Union (EuG) am Mittwoch. Die NGO „Frag den Staat“ und die | |
Juristin Luisa Izuzquiza von der lobbykritischen NGO „Corporate Europe“ | |
hatten auf Auskunft geklagt. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung dafür, | |
wie transparent [1][die wachsende EU-Behörde] künftig sein muss. | |
Konkret ging es in dem Verfahren darum, dass „Frag den Staat“ wissen | |
wollte, wie die Schiffe hießen, die Frontex zwischen dem 1. Juni und dem | |
30. August 2017 im Rahmen der Operation Triton im zentralen Mittelmeer | |
eingesetzt hatte, um welche Schiffstypen es sich dabei handelte und unter | |
welcher Flagge sie fuhren. | |
Das ist unter anderem deshalb von Bedeutung, weil strittig ist, inwieweit | |
Frontex überhaupt ernsthaft geplant hatte, in dem Seegebiet | |
Rettungseinsätze zu unternehmen, und dafür ausgerüstete Schiffe geschickt | |
hatte. Die NGOs beriefen sich bei ihrer Klage auf die „Verordnung über den | |
Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU“, eine Art europäisches | |
Informationsfreiheitsgesetz. | |
Frontex lehnte die Anfrage noch am selben Tag ab und berief sich auf | |
Ausnahmetatbestände, die in der Verordnung festgelegt sind. Frontex | |
argumentierte, die angefragten Informationen würden es kriminellen | |
Netzwerken und Schleppern ermöglichen, sich über die aktuelle Position | |
ihrer patrouillierenden Schiffe zu informieren, indem sie mit öffentlichen | |
Schiff-Tracking-Portalen abgeglichen werden. | |
## Spiel mit verdeckten Karten | |
Schlepper könnten so „ihre Funktionsweise entsprechend anpassen, um die | |
Grenzüberwachung zu umgehen“. Das würde die „öffentliche Sicherheit | |
untergraben“. | |
„Frag den Staat“ verwies in seiner Klage unter anderem darauf, dass der | |
fragliche Zeitraum bereits verstrichen sei – und Frontex die Informationen | |
teils später selbst auf Twitter veröffentlicht hatte. Der EuG gab Frontex | |
trotzdem Recht. Die angefragten Informationen würden Rückschlüsse auf | |
laufende, spätere Operationen zulassen und seien „nützlich“, um | |
Grenzschutzmaßnahmen zu umgehen. | |
„Die EU-Agentur hat nicht nachvollziehbar begründet, warum die Infos geheim | |
bleiben sollen, das Gericht ist ihr trotzdem gefolgt“, sagt Arne Semsrott | |
von „Frag den Staat“. Frontex habe eine „besondere menschenrechtliche | |
Verantwortung, daraus müssen auch Transparenzpflichten erwachsen.“ Hätte | |
das Urteil Bestand, müsste Frontex nicht einmal geringe | |
Transparenzstandards befolgen, sagt Semsrott. Die Kläger erwägen Berufung. | |
Erst am Dienstag hatte Frontex eine Vereinbarung für ein | |
„Grundrechte-Monitoring“ mit der EU-Grundrechteagentur FRA unterzeichnet. | |
## Geschwärzt oder gleich gelöscht | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Frontex sich nicht in die Karten schauen | |
lassen will. Schon 2016 hatte das Europäische Zentrum für Grund- und | |
Verfassungsrechte (ECCHR) versucht herauszufinden, ob Frontex ab 2006 im | |
„Hera“-Einsatz vor den Kanarischen Inseln womöglich Tausende Afrikaner | |
rechtswidrig nach Mauretanien gebracht hatte, ohne dass diesen Gelegenheit | |
zur Asylantragstellung gegeben worden wäre. | |
Erst als das ECCHR rechtliche Schritte androhte, gab Frontex die fraglichen | |
Dokumente „heftig zensiert“ frei, so das ECCHR. Das „Handbuch für den | |
Operativen Plan“ etwa war auf 48 von 99 Seiten geschwärzt, der | |
Evaluationsbericht für den „Hera“-Einsatz auf 21 von 26 Seiten. Die [2][von | |
Frontex selbst angelegte „Liste potenzieller Menschenrechtsverletzungen“] | |
war gleich komplett aus den Akten entfernt worden. Frontex begründete die | |
Schwärzungen gegenüber dem ECCHR genau wie heute mit einer „Gefahr für die | |
öffentliche Sicherheit“. | |
27 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Europaeische-Union-ruestet-Frontex-auf/!5533549 | |
[2] /Frontex-und-Menschenrechtsverletzungen/!5610939 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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