# taz.de -- Frontex schickt Rechnung an NGO: Teure Transparenz | |
> Frag den Staat soll fast 24.000 Euro für eine verlorene Auskunftsklage an | |
> Frontex zahlen. Die Aktivisten wollen sich nicht unter Druck setzen | |
> lassen. | |
Bild: Migranten aus Afghanistan, die von Frontex gerettet wurden | |
Die NGOs Frag den Staat und Corporate Europe Observatory (CEO) sollen | |
23.700 Euro an die [1][EU-Grenzschutzagentur Frontex] zahlen, weil sie eine | |
[2][erfolglose Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz] gestellt | |
haben. Laut einer Zahlungsaufforderung, die Frontex an Frag den Staat | |
geschickt hat, ist das die Summe, die Frontex für externe Anwälte | |
ausgegeben hat, um sich gegen die Informationsfreiheitsklage zu wehren. | |
Näher aufgeschlüsselt ist der Betrag nicht. Eine derartige hohe Gebühr ist | |
ein völliges Novum für solche Streitfälle. | |
„Wir sehen das als Versuch, uns und andere NGOs von weiteren Anfragen und | |
Klagen abzuhalten“, sagt Frag-den-Staat-Projektleiter Arne Semsrott. Der | |
Vorgang sei „Teil einer breiter angelegten Strategie, öffentliche Kontrolle | |
über Frontex-Aktivitäten nicht zuzulassen“. | |
Frag den Staat und die spanische Juristin Luisa Izuzquiza von der | |
lobbykritischen NGO Corporate Europe Observatory hatten auf Grundlage der | |
„Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU“ wiss… | |
wollen, wie die Schiffe hießen, die Frontex zwischen dem 1. Juni und dem | |
30. August 2017 im Rahmen der [3][Operation „Triton“ im zentralen | |
Mittelmeer] eingesetzt hatte. Sie erbaten Auskunft, um welche Schiffstypen | |
es sich handelte und unter welcher Flagge sie fuhren. Das war unter anderem | |
deshalb von Bedeutung, weil strittig ist, inwieweit Frontex überhaupt | |
ernsthaft geplant hatte, in dem Seegebiet Rettungseinsätze zu unternehmen, | |
und dafür ausgerüstete Schiffe geschickt hatte. | |
Frontex lehnte die Anfrage noch am selben Tag ab und berief sich auf | |
Ausnahmetatbestände, die in der Verordnung festgelegt sind. Die Agentur | |
argumentierte, die angefragten Informationen würden es kriminellen | |
Netzwerken und Schleppern ermöglichen, sich über die aktuelle Position | |
ihrer patrouillierenden Schiffe zu informieren, indem sie mit öffentlichen | |
Schiff-Tracking-Portalen abgeglichen werden. Frag den Staat und CEO klagten | |
gegen die Ablehnung – und verloren. Frontex muss die Details über die | |
Schiffe aus Rücksicht auf seine Operationen nicht offenlegen, entschied das | |
Gericht der Europäischen Union (EuG) im November 2019. | |
## Keine festen Gebührensätze | |
„Das Gerichsturteil sagt pauschal: Die Kosten für den Rechtsstreit tragen | |
wir“, sagt Semsrott. In ähnlichen Auseinandersetzungen, beispielsweise mit | |
der EU-Kommission, werde unterlegenen Fragestellern aus der | |
Zivilgesellschaft nichts in Rechnung gestellt. Wenn externe Anwaltskosten | |
etwa gegenüber Unternehmen geltend gemacht würden, handele es sich | |
höchstens um einen „angemessenen Betrag, 5.000 bis 10.000 Euro“, so | |
Semsrott. Eine feste Gebührentabelle gebe es auf EU-Ebene nicht. Bei | |
vergleichbaren Rechtsstreits in Deutschland werde ein Streitwert von 5.000 | |
Euro festgelegt. Dann entstünden nur Anwaltskosten von etwa 500 Euro. | |
Frontex versuche nun mit den monströsen Anwaltskosten „ganz klar | |
Abschreckung“ zu betreiben, sagt Semsrott. „Die brauchen das Geld nicht, | |
die haben ein Milliardenbudget und Dutzende eigene Juristen. Externe hätten | |
sie nicht nehmen müssen.“ Die Agentur sei „notorisch intransparent bei | |
allem Auskunftsersuchen, die mauern, wo sie können. Die geben so wenig | |
raus, wie sie können, und wollen es Antragstellern so schwer machen, wie es | |
geht.“ Der Machtzuwachs von Frontex gehe „nicht einher mit höherer | |
öffentlicher Kontrolle“. | |
Die Zahlungsfrist für die 23.700 Euro läuft am Freitag aus. „Wir werden | |
nicht zahlen“, sagt Semsrott. „Frontex muss dann sehen, was sie machen – | |
zurückziehen oder vor Gericht gehen.“ | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Frontex sich nicht in die Karten schauen | |
lassen will. Schon 2016 hatte das Europäische Zentrum für Grund- und | |
Verfassungsrechte (ECCHR) versucht herauszufinden, ob Frontex ab 2006 im | |
„Hera“-Einsatz vor den Kanarischen Inseln womöglich Tausende Afrikaner | |
rechtswidrig nach Mauretanien gebracht hatte, ohne dass diesen Gelegenheit | |
zur Asylantragstellung gegeben worden wäre. Erst als das ECCHR rechtliche | |
Schritte androhte, gab Frontex die fraglichen Dokumente „heftig zensiert“ | |
und geschwärzt frei, so das ECCHR. Die von Frontex selbst angelegte „Liste | |
potenzieller Menschenrechtsverletzungen“ war komplett entfernt worden. | |
Frontex begründete die Schwärzungen gegenüber dem ECCHR genau wie heute mit | |
einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“. | |
26 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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