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# taz.de -- Frontex und Menschenrechtsverletzungen: Die Festung sichern
> Eine Recherche deckt Vergehen unter den Augen der Grenzschutzagentur auf.
> Solche Berichte sind keine Überraschungen, aber dennoch wichtig.
Bild: Frontex schaut, dass der Zaun geschlossen bleibt
Bald 9.000 Kilometer lang ist die Außengrenze der Europäischen Union im
Osten, auf dem Balkan und übers Mittelmeer. Stacheldraht, Grenzposten,
Kriegsschiffe und Überwachungsdrohnen sollen dort illegale Übertritte
verhindern, vor allem von Migrant*innen und Geflüchteten.
Die Grenzschutzagentur Frontex hat den Auftrag, mit den Mitgliedstaaten,
aber auch Anrainern, Verletzungen der Grenze wirksam zu unterbinden. Dass
die überstaatliche Institution dabei in einem extralegalen Raum nach ganz
eigenen Spielregeln operiert, bringen Recherchen von NGOs und
Journalist*innen immer wieder ans Licht der Öffentlichkeit, [1][zuletzt das
Recherchenetzwerk Correctiv und das ARD-Magazin „report München“].
Das Besondere an dieser Recherche ist, dass die Vorgänge an den EU-Grenzen
in diesem Falle nicht mit den üblichen Gedächtnisprotokollen Überlebender
oder heimlich gedrehten Videos gezeigt werden, sondern im Wesentlichen
Frontex selbst die Geschichten von Menschenrechtsverletzungen und robusten
Einsätzen erzählt. Mit Informationsfreiheitsanfragen ist es gelungen, das
zumindest teilweise bereits bestehende Bild von Willkür und
Menschenverachtung, das die europäische Grenzsicherung prägt, mit Hilfe von
Aktenvermerken und internen Berichten nachzuzeichnen.
Das Sterben im Mittelmeer, die [2][brutalen Bedingungen im Transit auf dem
Balkan], die unwürdigen Zustände in türkischen Lagern, Folter und Sklaverei
in Libyen, illegale Pushbacks: All das ist bekannt. Dass die EU-Staaten und
ihre gemeinsamen Institutionen, ob nun an Menschenrechtsvergehen aktiv
beteiligt oder diese stillschweigend in Kauf nehmend, kaum einen Finger
rühren, um Menschenleben und -würde zu schützen, ist ebenfalls nichts
Neues. Der ganze zutiefst rassistische Sicherheitsdiskurs um
„Migrationsdruck“ und „Flüchtlingsströme“ hat in einer Organisation w…
Frontex seit nunmehr 15 Jahren seine schweigsame behördliche Manifestation
gefunden.
Um der geografischen und historischen Zufälligkeit von Grenzen und
herbeihalluzinierter geschlossener Kulturräume den Charakter ewiger und
unverletzlicher Absolutheit zu verleihen, wird rabiat zugelangt. Frontex
lässt Menschen absichtlich im Mittelmeer absaufen, drückt beide Augen zu,
wenn in Ungarn Hunde auf Menschen gehetzt werden, schweigt zu jenen, die
auf dem Weg über den Balkan erfrieren, verletzt auf Abschiebeflügen das
eigene Regelwerk? Keiner dieser Vorwürfe erscheint unplausibel, denn jeder
einzelne beschreibt ein Vorgehen im Einklang mit dem Auftrag der Agentur.
Der orientiert sich eben nicht an Menschen, sondern an der heiligen Grenze
– und an der sind zivile Umgangsformen eher rar gesät.
Dass es innerhalb der EU, dieser unendlich privilegierten Insel, noch immer
Menschen gibt, die diesen Zustand als unhaltbar kritisieren, dürfte wohl
der Hauptgrund dafür sein, dass Frontex die Flüchtlingsboote nicht einfach
versenkt und auf der Balkanroute ein paar Maschinengewehre aufstellt.
Stattdessen wird die Verantwortung für das Leben unerwünschter Menschen mit
subtileren Methoden abgeschoben, auf Wellengang und Warlords zum Beispiel.
Das kenntlich zu machen, der Grenzschutzagentur Frontex mit ihrem
Milliardenhaushalt ganz genau auf die Finger zu schauen, ist deshalb
dringend geboten. Es geht dabei nicht um überraschende Entdeckungen. Es
geht darum, immer wieder unmissverständlich deutlich zu machen, dass jeder
auf dem Weg nach Europa geschlagene, herabgewürdigte, gestorbene Mensch auf
der Rechnung dieser Europäischen Union steht und dass alle Verantwortlichen
das auch ganz genau wissen.
„report München“, 6. 8., 21.45 Uhr, ARD
5 Aug 2019
## LINKS
[1] https://correctiv.org/top-stories/2019/08/04/frontex-transparenz/
[2] /Vor-Kroatiens-verschlossener-Grenze/!5610861
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Frontex
Mittelmeer
Abschiebung
Frontex
Lesestück Recherche und Reportage
Libyen
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