# taz.de -- Gerichtsurteil gegen Hamburger Polizei: Legal, illegal, scheißegal | |
> Fünf Jahre nach dem G20-Gipfel in Hamburg hat ein Gericht nun | |
> polizeiliches Handeln für rechtswidrig erklärt. Konsequenzen hat das | |
> dennoch nicht. | |
Bild: Rechtswidriger Einsatz: Polizisten sperrten vor dem G20-Gipfel in Hamburg… | |
Erst mal feste drauf, sollen doch Gerichte später feststellen, ob’s | |
rechtswidrig war: Legal, illegal, scheißegal? [1][„Sie können ja dagegen | |
klagen“], herrschte Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde die | |
Kritiker*innen seiner harten Linie beim G20-Gipfel in Hamburg im Sommer | |
2017 an. Denn personelle, strukturelle oder politische Konsequenzen hat so | |
eine Feststellungsklage fünf Jahre nach dem eskalierten Gipfel nicht. | |
Dudde wurde 2018 befördert, zum Leiter der Schutzpolizei. Von den | |
Verantwortlichen hört man bis heute weder eine Entschuldigung noch | |
ernsthaft Selbstkritisches. Der damalige Innensenator Andy Grote (SPD) ist | |
es immer noch, der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Bundeskanzler. | |
Dass das Hamburger Verwaltungsgericht einmal mehr ein Verbot einer | |
Protestaktion durch die Versammlungsbehörde und polizeiliche Maßnahmen | |
während des Gipfels im Nachhinein für rechtswidrig erklärt hat, dürfte | |
Dudde am Ende seiner Karriere gar nicht mehr interessieren: In knapp drei | |
Wochen geht der „harte Hund“ in den Ruhestand. | |
Am Mittwoch entschied das [2][Verwaltungsgericht]: Es war rechtswidrig, den | |
Zugang zur Elbinsel Entenwerder abzusperren, wo am ersten Juliwochenende | |
2017 das antikapitalistische Protestcamp mit Schlafzelten für Tausende | |
Protestierende aufgebaut werden sollte. Weil das Camp „jedenfalls in | |
erheblichen Teilen“ eine Versammlung darstelle, ist die „nicht näher | |
eingegrenzte, insbesondere nicht zeitlich klar befristete Verfügung, mit | |
der das Protestcamp zunächst untersagt wurde“, rechtswidrig, so das | |
Gericht. | |
## „Hamburger Linie“ zum zweiten Mal abgewatscht | |
Für rechtswidrig erklärte es auch „die im Rahmen der späteren Verfügung | |
erfolgte vollständige Untersagung des Aufstellens von Schlafzelten, des | |
Errichtens von Duschen und des Aufbaus von Küchen“, also das Verbot des | |
Camps überhaupt. | |
Damit sind die harte „Hamburger Linie“ und die politische Strategie, | |
Protest zu kriminalisieren, den Umgang mit ihm zu verpolizeilichen und | |
dabei auf deeskalierende Handlungsansätze zu verzichten, in diesem Jahr | |
schon zum zweiten Mal gerichtlich abgewatscht worden. Im Februar hatte das | |
Verwaltungsgericht [3][das Verbot einer friedlichen symbolischen | |
Attac-Aktion in der während des G20-Gipfels eingerichteten Sperrzone für | |
rechtswidrig] erklärt. | |
Dass Gerichte immer wieder feststellen müssen, dass sich die Hamburger | |
Polizei nicht um Grundrechte wie das Versammlungsrecht oder | |
Gerichtsentscheidungen schert und regelmäßig die Rechtswidrigkeit ihrer | |
Maßnahmen in Kauf nimmt, ist ein Skandal. Ein noch größerer Skandal ist, | |
dass die damit verbundene und für die Demokratie folgenreiche | |
„Entformalisierung des Rechts“, eine Interpretation des Rechts durch | |
Apparate nach Belieben nämlich, politisch folgenlos bleibt: scheißegal. | |
Es war die politische Diffamierung und Kriminalisierung politischen | |
Protestes, die die Polizei während des G20-Gipfels mit einem so | |
weitreichenden Legitimationsvorschuss ausstattete, dass sie faktisch zum | |
zentralen politischen Akteur wurde. Dafür müssen die damals | |
Verantwortlichen endlich Verantwortung übernehmen. | |
6 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Einsatzleiter-beim-G20-Gipfel/!5422560 | |
[2] /Verbot-von-G20-Protestcamp-rechtswidrig/!5847763 | |
[3] http://eine%20Attac-Aktion%20in%20der%20Sperrzone%20verboten | |
## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
## TAGS | |
Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
Polizei Hamburg | |
Hamburg | |
Andy Grote | |
SPD Hamburg | |
Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
G20-Prozesse | |
[tazze]IG | |
G20-Sonderausschuß | |
Polizei Hamburg | |
Polizei Berlin | |
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil zu G20-Protest in Hamburg: Zeltverbot war rechtens | |
Beim G20-Gipfel 2017 sollte ein Protestcamp auch zum Übernachten dienen. | |
Die Stadt untersagte es. Zurecht, urteilte das Oberverwaltungsericht. | |
Klima-Protestcamp in Hamburg: Essen, Trinken, Zelten verboten | |
Die Hamburger Polizei hat ein Protestcamp von Klimaaktivist*innen | |
faktisch untersagt. Dabei sind diese von der Versammlungsfreiheit | |
geschützt. | |
Einsatzleiter beim G20-Gipfel: Die Ära Hartmut Dudde endet endlich | |
Der Chef der Hamburger Schutzpolizei geht in den Ruhestand. Er | |
verantwortete den Gewaltexzess der Uniformierten beim G20-Gipfel. | |
Bandscheibenvorfall beim G20-Gipfel: Vier Tage sind kein Unfall | |
Ein Polizist musste 70 Stunden lang schwere Ausrüstung tragen. Das | |
Verwaltungsgericht Karlsruhe lehnte seine Klage gegen den Dienstherrn aber | |
ab. | |
Verbot von G20-Protestcamp rechtswidrig: Pfeffer gegen Schlafzelte | |
Beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg verbot die Polizei das antikapitalistische | |
Protestcamp. Das war rechtswidrig, entschied jetzt das Verwaltungsgericht. | |
Der Tag der Arbeit und seine Rituale: Kämpferisch wie immer | |
Der 1. Mai wird in Berlin nicht durch Gewerkschaftsdemos bestimmt, | |
sondern durch den Protest der autonomen und radikalen Linken. Über einen | |
Mythos. | |
Performance „Das Revier“ in Hamburg: Sorry für die Polizeigewalt | |
Die Gruppe SV Szlachta lädt auf dem Hamburger Hansaplatz in die | |
Installation „Revier“. In Workshops werden Vergehen der Polizei | |
aufgearbeitet. |