| # taz.de -- Urteil zu G20-Protest in Hamburg: Zeltverbot war rechtens | |
| > Beim G20-Gipfel 2017 sollte ein Protestcamp auch zum Übernachten dienen. | |
| > Die Stadt untersagte es. Zurecht, urteilte das Oberverwaltungsericht. | |
| Bild: Wurden zum Symbol des G20-Protests: Zelte | |
| Hamburg taz | Bald sind es schon sechs Jahre, die seit dem [1][G20-Gipfel | |
| in Hamburg] vergangen sind. Doch noch immer hat die juristische | |
| Auseinandersetzung kein Ende gefunden. Auch nicht, nachdem am gestrigen | |
| Donnerstag das Hamburgische Oberverwaltungsgericht das weitreichende Verbot | |
| der Hamburger Versammlungsbehörde zum Protestcamp im Altonaer Volkspark für | |
| rechtens erklärt hat. | |
| „Wenn es an uns liegt“, hatte der Vorsitzende Richter Michael Jahns am | |
| Mittwoch schon zu Beginn der Verhandlung gesagt, „wird hier nicht das | |
| letzte Wort gesprochen.“ Denn die im Prozess grundlegende Frage ist nach | |
| Ansicht der Hamburger RichterInnen noch nicht abschließend vom | |
| Bundesverwaltungsgericht beantwortet worden: Ist schlafen politisch und | |
| damit von der im Grundgesetz verankerten Versammlungsfreiheit geschützt? | |
| Ein Bündnis mehrerer Protestgruppen wollte vor und während des Gipfels im | |
| Volkspark ein Protestcamp errichten, in dem Gipfel-Gegner:innen auch hätten | |
| zelten, duschen und essen können sollen. Die Stadt jedoch, bei Gericht | |
| vertreten durch das Bezirksamt Altona sowie die Innenbehörde und die ihr | |
| untergeordnete Versammlungsbehörde, untersagte das im Vorfeld. | |
| In den Tagen vor dem Gipfel folgte dazu ein Hin und Her zwischen | |
| verschiedenen Gerichten. Am Ende durften sich die Aktivist:innen zwar | |
| im Park niederlassen, doch letztlich waren in den Tagen vor dem Gipfel nur | |
| Zelte für Workshops und ein Küchenzelt erlaubt, Duschgelegenheiten verboten | |
| und Schlafzelte wurden erst in kleinerer Zahl während der Gipfeltage | |
| genehmigt. | |
| ## Zelten erlaubt, wenn logistisch notwendig | |
| Der Verein Comm, Attac Deutschland und der mittlerweile verstorbene | |
| Hamburger Linkenpolitiker Robert Jarowoy hatten anschließend dagegen | |
| geklagt, weil sie die Entscheidung der Behörden als rechtswidrig ansahen. | |
| In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht verloren sie. Das Gericht | |
| folgte im Juli 2020 der Ansicht der Kläger:innen nicht. | |
| In der Zwischenzeit hatte jedoch das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil in | |
| einem ähnlichen Fall gesprochen, das für Aufsehen sorgte: Es entschied, | |
| dass das „Klimacamp 2017“ im Rheinland rechtswidrigerweise untersagt worden | |
| war. In diesem Fall hatten sich die Behörden dagegen gesperrt, ein Camp am | |
| Braunkohletagebau Garzweiler samt einer Übernachtungsfläche mit Zelten und | |
| Sanitäreinrichtungen zuzulassen. | |
| Auf eine gewisse Dauer angelegte Protestcamps seien als Versammlungen | |
| geschützt, wenn sich aus der Gesamtkonzeption der Protestaktion ein auf die | |
| Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer | |
| Zweck ergebe, urteilte das Gericht. Konkret heißt das: Zelten ist erlaubt, | |
| wenn es „für die konkrete Veranstaltung logistisch erforderlich“ ist. | |
| Doch ist das Urteil auf das Hamburger Protestcamp einfach übertragbar? Aus | |
| Sicht des Gerichts nicht, das deutete es bereits in der Verhandlung am | |
| Mittwoch an: Anders als in der Prärie am rheinischen Kohletagebau gebe es | |
| in Hamburg schließlich Übernachtungsmöglichkeiten – sei es in Hotels oder | |
| durch selbst organisierte Bettenbörsen. | |
| ## Ein Fall fürs Bundesverwaltungsgericht | |
| Indes: Mit dem Camp in Altona wollten die Organisator:innen nicht nur | |
| einen Ort schaffen, der die Meinungsbildung und den Protest gegen den | |
| G20-Gipfel unterstützen sollte. Wie Ulrike Donath, Anwältin der klagenden | |
| Aktivist:innen am Mittwoch betonte, ging es bei der anvisierten | |
| Unterbringung auch darum, dass Protestierende [2][in der ganzen Stadt an | |
| Aktionen teilnehmen können sollten.] Andere Schlafmöglichkeiten seien an | |
| diesen Tagen nur unzureichend verfügbar gewesen, der Verkehr in der Stadt | |
| habe an den Gipfeltagen nahezu stillgestanden. | |
| Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit hätte demnach auch die Zelte | |
| schützen müssen, weil Teilnehmer:innen sonst kaum an Protesten hätten | |
| teilnehmen können, argumentierte Donath. Der sogenannte Vorfeldschutz hätte | |
| hier nach Ansicht der Kläger:innen gelten müssen, so wie die Behörden | |
| den freien Zugang zu Versammlungen insgesamt nicht nur gewähren, sondern | |
| ermöglichen müssten. | |
| Die zuständigen Hamburger Behörden sahen das auch in der Verhandlung vor | |
| dem Oberverwaltungsgericht erwartungsgemäß komplett anders: Dass Stadt und | |
| Polizei mit allen Mitteln versucht hätten, Protestcamps zu verhindern, so | |
| wie es ihnen Dirk Friedrichs von Attac vorwirft, sei nicht der Fall | |
| gewesen. | |
| Es spiele im konkreten Rechtsstreit auch keine Rolle, sagte der Vorsitzende | |
| Richter Jahns, dass seinerzeit Innensenator Andy Grote (SPD) deutlich | |
| gemacht habe, kein Protestcamp von G20-Gegner:innen in der Stadt dulden zu | |
| wollen. | |
| Endgültig beiseite gelegt ist für Attac die Debatte um die Protestcamps | |
| nach dem Urteil nicht. „Wir bedauern dieses enttäuschende Urteil“, sagt | |
| Friedrichs. „Demokratischer Protest – dazu gehören auch [3][Protestcamps | |
| und deren Infrastruktur] – muss bei derartigen Großereignissen | |
| uneingeschränkt möglich und vom Versammlungsrecht geschützt sein.“ Sobald | |
| das Gericht eine Begründung zu seiner Entscheidung geliefert hat, will | |
| Attac die Revision prüfen. Die juristische Auseinandersetzung nach dem | |
| G20-Gipfel 2017 dürfte wohl noch andauern. | |
| Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nachträglich geändert. | |
| 2 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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