| # taz.de -- Verbot von G20-Protestcamp rechtswidrig: Pfeffer gegen Schlafzelte | |
| > Beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg verbot die Polizei das | |
| > antikapitalistische Protestcamp. Das war rechtswidrig, entschied jetzt | |
| > das Verwaltungsgericht. | |
| Bild: Räumten nicht nur Zelte ab, sondern verletzten auch Campierende: Polizis… | |
| Hamburg taz | Von Beginn an hatte die Stadt deutlich gemacht, dass sie es | |
| nicht zulassen würde: Tatsächlich ist aus dem antikapitalistischen | |
| Protestcamp während des G20-Gipfels in Hamburg 2017 nichts geworden. Lange | |
| wurde zuvor politisch und gerichtlich darüber gestritten, am 2. Juli | |
| eskalierte die Situation: [1][Den ganzen Tag über verhinderte die Polizei | |
| den Zugang zum Gelände und Aufbau, spät abends umstellte sie das Camp, | |
| beschlagnahmte Schlafzelte und nahm Personalien auf]. Mehrere | |
| Demonstrant*innen wurden verletzt. | |
| [2][Von einem “Putsch der Polizei gegen die Justiz“ sprach Camp-Anwalt | |
| Martin Klingner damals], weil nicht nur das Hamburger Verwaltungsgericht in | |
| einem Eilverfahren kurz zuvor festgestellt hatte, dass das Protestcamp | |
| vorläufig aufgebaut werden darf, auch mit Schlafzelten. Auch das | |
| Bundesverfassungsgericht hatte drei Tage vor dem Einsatz entschieden, dass | |
| Behörden und Gerichte Protestcamps vorläufig als Versammlung behandeln | |
| sollten. | |
| Nun hat das Verwaltungsgericht Hamburg festgestellt: Das Camp zeitweise | |
| abzusperren und die zunächst erfolgte mündlich überbrachte Untersagung, das | |
| Camp aufzubauen sowie auch die später darauf folgende Untersagung von | |
| Schlafzelten, Duschen und Küchen, also das Verbot des Camps in seiner | |
| geplanten Form überhaupt, waren rechtswidrig, weil das Camp „jedenfalls in | |
| erheblichen Teilen“ eine Versammlung darstellt. Geklagt hatte der damalige | |
| Anmelder. | |
| Gleich zu Beginn der Verhandlung am 4. Mai stellte Klägeranwalt Martin | |
| Klingner klar, worauf er hinaus will: nicht auf eine Klärung, ob das Camp | |
| unter das Versammlungsrecht falle, sondern auf ein formaleres Problem: dass | |
| die Polizei rechtswidrig gültige gerichtliche Entscheidungen missachtet | |
| habe. | |
| ## Hamburger Polizei verteidigt sich | |
| Insbesondere sei die von einem Beamten vor Ort am Mittag des 2. Juli | |
| mündlich überbrachte „Zwischenverfügung“ kein gültiger Verwaltungsakt, … | |
| er nicht von der zuständigen Versammlungsbehörde gekommen sei. Die | |
| Verhinderung des Camps und der Polizeieinsatz seien schon allein deshalb | |
| rechtswidrig. | |
| Die Polizei verteidigte sich, dass die Neuanmeldung in Entenwerder einen | |
| neuen Verwaltungsakt notwendig gemacht habe, dafür notwendige Behörden | |
| nicht schneller hätten Ergebnisse liefern können und eine unmittelbare | |
| Gefahr bestanden habe. Die habe abgewehrt werden müssen. | |
| Der Streit um das ursprünglich im Stadtpark und später auf der Halbinsel | |
| Entenwerder angemeldete Camp war einer der zentralen Konflikte während des | |
| Gipfels. Dort sollten mehrere Tausend Menschen während der Proteste | |
| diskutieren, antikapitalistische Gemeinschaft entwickeln und auch schlafen | |
| können. | |
| Politisch und rechtlich ging der Streit vor allem um zwei Fragen – und | |
| darum ging es auch in dieser zweistündigen Verhandlung fünf Jahre nach dem | |
| G20-Gipfel wieder: Sind Protestcamps von der Versammlungsfreiheit geschützt | |
| oder sind sie bloß Schlafstätten und benötigen Sondernutzungserlaubnisse? | |
| Und sind sie gefährliche Rückzugsorte für Störer*innen und Ausgangspunkt | |
| von Blockaden und Gewalttaten, wie die Polizei behauptet? | |
| ## Auch das Bundesverfassungsgericht hatte geurteilt | |
| Bereits im April 2017 war das Camp als Dauerkundgebung vom 30. Juni bis zum | |
| 9. Juli im Stadtpark angemeldet worden. Einen Tag später erklärte sich die | |
| Versammlungsbehörde für nicht zuständig und verwies den Anmelder ans | |
| Bezirksamt. Das untersagte das Camp am 12. Mai wegen mangelnder | |
| Schutzkonzepte für die Grünflächen und fehlender Sicherheitskonzepte. | |
| Die Organisator*innen klagten auf Anerkennung als geschützte | |
| Versammlung. Der Streit ging über mehrere Instanzen. Die Gerichte hatten | |
| Schwierigkeiten, Camps als neue Protestform anzuerkennen. Am 7. Juni gab | |
| das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Eilrechtsschutz statt. | |
| Es sei zwar kein eindeutiger Schwerpunkt erkennbar, Zweifel über den | |
| Charakter des Camps seien aber zugunsten der Versammlungsfreiheit | |
| aufzulösen. Auch das Bundesverfassungsgericht urteilte am 28. Juni im Sinne | |
| der Organisator*innen: Behörden und Gerichte sollten die Camps vorläufig | |
| als Versammlung behandeln. | |
| Aber die Stadt blieb bei ihrer grundsätzlichen Ablehnung, alle | |
| Kooperationsverhandlungen scheiterten. Hilfsweise meldeten die | |
| Organisator*innen am 30. Juni schließlich das Camp in Entenwerder an, | |
| das sie, das hat das Gericht nun bestätigt, auch hätten durchführen dürfen. | |
| ## „Große Genugtuung“ empfindet der Kläger | |
| „Das Verwaltungsgericht hat die Rechtsbrüche der Polizei klar benannt. Dies | |
| ist eine große Genugtuung“, sagt der Kläger. „Dies muss jetzt auch | |
| politische Konsequenzen haben, fordert er: „Die Verantwortlichen für die | |
| rechtwidrigen Polizeieinsätze, namentlich Innensenator Andy Grote sowie der | |
| damalige Bürgermeister und jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz müssen für den | |
| rechtwidrigen Einsatz in Entenwerder zur Verantwortung gezogen werden.“ | |
| Die am Mittwoch verhandelte Klage ist bereits die zweite in diesem Jahr, | |
| die Verbote und polizeiliche Maßnahmen während des G20-Gipfels betrifft. | |
| [3][Bereits im Februar hatte das Verwaltungsgericht das Verbot einer | |
| friedlichen symbolischen Attac-Aktion in der Sperrzone für rechtswidrig | |
| erklärt]. | |
| Die Polizei begründete das Verbot mit der damaligen Allgemeinverordnung und | |
| ihrer allgemeinen Gefahrenprognose. Gerechtfertigt gewesen wäre ein Verbot | |
| aber nur, so das Verwaltungsgericht, wenn von den Versammlungen eine | |
| konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen wäre. Dies sei | |
| nicht erkennbar gewesen. | |
| 5 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /G20-Polizeieinsatz-in-Entenwerder/!5426086 | |
| [2] /Anti-G-20-Protest-in-Hamburg/!5422574 | |
| [3] http://Beim%20G20-Gipfel%20in%20Hamburg%20hat%20die%20Polizei%20eine%20Atta… | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Matthies | |
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