# taz.de -- Versammlungsverbote beim G20-Gipfel: Ein Schlauchboot ist ungefähr… | |
> Beim G20-Gipfel in Hamburg hat die Polizei eine Attac-Aktion in der | |
> Sperrzone verboten. Das war rechtswidrig, entschied jetzt das | |
> Verwaltungsgericht. | |
Bild: Friedlich: die Attac-Aktion am Ausweichort am Hafen | |
HAMBURG taz | Eine bildstarke und friedliche kleine symbolische Aktion zum | |
Thema Fluchtursachen während des G20-Gipfels in Hamburg 2017 sollte es | |
werden, wie sie typisch ist für das globalisierungskritische Netzwerk | |
Attac. Für den frühen Nachmittag des 7. Juli hatte | |
Attac-Welthandelsexpertin Hanni Gramann zwei Versammlungen unter dem Motto | |
„Freihandel Macht Flucht“ angemeldet, um auf Freihandel als Fluchtursache | |
aufmerksam zu machen. | |
Am Neuen Jungfernstieg vor der Geschäftsstelle des Afrika-Vereins der | |
deutschen Wirtschaft und vor dem dem „Afrikahaus“ in der Altstadt sollte | |
die Aktion stattfinden. Das Kontorhaus wurde 1899 als Firmensitz für das | |
Handelsunternehmen C. Woermann gebaut, das die Woermann-Linie und die | |
Deutsche Ost-Afrika-Linie betrieb: [1][ein Ort, der für die kolonialen | |
Verstrickungen in der Stadt steht]. Vor der bronzenen Statue eines | |
afrikanischen Wahehe-Kriegers am Eingang sollte ein Schlauchboot das Thema | |
Flucht symbolisieren. | |
Die Versammlungsbehörde untersagte die Aktion ebenso wie zwei andere | |
Attac-Aktionen, weil sie in der sogenannten Sperrzone stattfinden sollten. | |
[2][Während des G20-Gipfels war per Allgemeinverfügung eine 38 | |
Quadratkilometer große Versammlungsverbotszone eingerichtet worden], die | |
die gesamte westliche Innenstadt bis zum Flughafen umfasste. Die Aktion | |
fand schließlich an einem Ausweichort statt. Zu Zwischenfällen kam es dabei | |
nicht. | |
Die Polizei begründete das Verbot mit der damaligen Allgemeinverordnung und | |
ihrer allgemeinen Gefahrenprognose. Das war rechtswidrig, entschied am | |
Freitagnachmittag die 3. Kammer des Hamburger Verwaltungsgerichts. Die | |
Anmelderin wurde in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt. | |
Gerechtfertigt gewesen wäre ein Verbot nur, wenn von den Versammlungen eine | |
konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen wäre, teilte das | |
Gericht am Freitag mit. Dies sei nicht erkennbar gewesen. | |
## Erfolg für das Demonstrationsrecht | |
Die Polizei hatte argumentiert, dass aufgrund der allgemeinen Situation | |
während des G20-Gipfels davon auszugehen gewesen sei, dass von jeglicher | |
Aktion während des Gipfels eine Gefahr ausgehe, unabhängig davon, ob von | |
ihrem konkreten Charakter tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Dem ist das | |
Gericht nicht gefolgt. | |
Nach Paragraf 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes kann eine Behörde eine | |
Versammlung verbieten oder beauflagen, „wenn nach den zur Zeit des Erlasses | |
der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung | |
bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet | |
ist“. | |
[3][Gramann hat 2018 nachträglich Feststellungsklage gegen das Verbot | |
eingereicht]. „Uns ist wichtig, dass solche inhaltlichen | |
Einzelveranstaltungen nicht von einer Allgemeinverfügung gedeckelt werden | |
können“, sagt sie nach der Verhandlung am Freitag zur taz. | |
Ihre Anwältin Waltraut Verleih kritisiert zudem die Praxis der Polizei, | |
Aktionen auf der Grundlage einer allgemeinen und nicht überprüfbaren | |
Gefahrenprognose zu verbieten, statt den tatsächlichen Charakter der | |
Versammlung zu bewerten. | |
Klägerin Gramann freut sich über die Entscheidung. „Mit dem heutigen Urteil | |
steht die Praxis demokratiefreier Sperrzonen in Form großflächiger | |
Versammlungsverbote, wie wir sie 2007 beim G8-Gipfel in Heiligendamm und | |
vor fünf Jahren beim Treffen der G20 in Hamburg erlebt haben, in Frage“, | |
sagt sie. „Das ist ein großer Erfolg für das Grundrecht auf | |
Demonstrationsfreiheit.“ | |
[4][Protestbündnisse hatten schon während des Gipfels gegen die | |
Allgemeinverfügung geklagt]. Die Behörden hätten [5][„legitimen Protest von | |
Beginn an erheblich eingeschränkt und behindert“, auch durch Demoverbote], | |
kritisierte damals der Republikanische Anwaltsverein. Auch Gramann klagte. | |
In den Eilverfahren hielten die Gerichte die Verbotszonen aber noch für | |
rechtmäßig. | |
## Weitere Verfahren stehen aus | |
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, die Stadt kann beim | |
Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen. Auch gegen die Verbote der | |
anderen beiden Aktionen hat Attac vor dem Verwaltungsgericht geklagt, noch | |
gibt es in diesen Verfahren keine Verhandlungstermine. | |
Die Polizei will nun zunächst die genauen Urteilsgründe abwarten und | |
prüfen, heißt es auf Anfrage der taz. Bis dahin könne man nicht | |
einschätzen, welche Konsequenzen das Urteil für die Praxis großflächiger | |
Sperrzonen und für Gefahrenprognosen seitens der Polizei hätte, schreibt | |
ein Polizeisprecher. Die schriftliche Urteilsbegründung wird in sechs | |
Wochen erwartet. | |
25 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
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