# taz.de -- Gemeinschaftlich Wohnen: Kollektive Bauprojekte bedroht | |
> Hamburger Baugemeinschaften schlagen Alarm, weil sie am Förderwesen zu | |
> scheitern drohen. Dabei will der rot-grüne Senat diese Art des Bauens | |
> stärken. | |
Bild: Wollen gemeinsam zwei Häuser bauen: Mitglieder der Baugemeinschaft Meste… | |
HAMBURG taz | Baugemeinschaften sind ein wichtiger Bestandteil der | |
Hamburger Wohnraumförderung. Sie ermöglichen es, mit wenig oder ganz ohne | |
Eigenkapital selbst zu bauen, [1][in Gemeinschaft mit anderen] und so dass | |
auch Leute mit wenig Geld dort wohnen können. | |
Jetzt haben drei kleine Genossenschaften gewarnt, sie drohten zu scheitern, | |
obwohl ihre Projekte schon recht weit gediehen sind. Der [2][rot-grüne | |
Senat habe sich in seinem Koalitionsvertrag klar zu Baugemeinschaften und | |
insbesondere Kleingenossenschaften bekannt], sagt Tilo Schmidtsdorff von | |
der [3][Baugemeinschaft Mesterkamp]. | |
Die Gefährdung der drei Projekte, allesamt mehrgeschossige Wohnhäuser, | |
sieht er als Warnsignal. „Wenn das schiefgeht, ist ein Teil des | |
Koalitionsvertrages gescheitert“, sagt Schmidtsdorff, der selbst den Grünen | |
angehört. | |
Die drei Genossenschaften haben sich kürzlich mit einem Offenen Brief an | |
den Hamburger Senat gewandt, um auf ihre Schwierigkeiten hinzuweisen. Mal | |
geht es um eine schwierige Grundstückserschließung, mal um gestiegene | |
Baukosten in Verbindung mit Gestaltungsauflagen, mal um die | |
Fördermodalitäten. | |
## Hamburg ist Vorreiterin | |
Die Projekte nehmen für sich in Anspruch, gemeinnützig zu sein. So plant | |
etwa die [4][Baugemeinschaft Baumhaus Altona] ein Mehrgenerationenhaus aus | |
massivem Holz. Es sollen 22 sozial geförderte Wohnungen entstehen, | |
zusätzlich zwei Wohnungen für geflüchtete Familien, die von den | |
Genossenschaftsmitgliedern solidarisch mitfinanziert werden. | |
In ihrem Koalitionsvertrag weisen SPD und Grüne darauf hin, dass Hamburg | |
„bundesweit Vorreiterin bei der Entwicklung von Baugemeinschaften“ gewesen | |
sei. Seit den 1980er-Jahren seien 137 Baugemeinschaftsprojekte mit 3.200 | |
Wohnungen realisiert worden, steht in einem Bürgerschaftsantrag vom März | |
vergangenen Jahres. | |
„Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und [5][sozial verantwortlichem Handeln | |
veranlasst immer mehr Menschen und vor allem Familien, sich zu | |
Baugemeinschaften zusammenzuschließen], um sich ein gemeinsames Zuhause zu | |
kreieren, das im Hamburger Stadtgebiet für diese Gruppierungen bezahlbar | |
ist“, heißt es in dem Antrag. Klarheit darüber, wer in diesem Rahmen wie | |
zusammenlebt und wie das gefördert werden kann, soll deshalb eine von den | |
Grünen initiierte Studie bringen, deren Ergebnis im Herbst vorliegen soll. | |
Klar ist, dass der Senat sein Ziel verfehlt hat, die Hälfte der | |
Baugemeinschaftsgrundstücke möglichst an kleinere Genossenschaften zu | |
vergeben. Zwar sollen in den großen Stadtentwicklungsgebieten bis zu | |
zwanzig Prozent der Grundstücke an Baugemeinschaften gehen und kleine | |
Genossenschaften bei Ausschreibungen bevorteilt werden. | |
## Senat passt Förderprogramme an | |
Dennoch wurden zwischen Anfang 2015 und September 2019 lediglich knapp | |
zwölf Prozent der Baugemeinschaftsprojekte von kleinen Genossenschaften | |
realisiert. Die übrigen entstanden im Rahmen von | |
Wohnungseigentümergemeinschaften oder im Schoß traditioneller | |
Genossenschaften. | |
„Dem Senat ist die aktuelle Lage der Kleingenossenschaften bewusst“, teilt | |
die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) mit. Die | |
Baukostenentwicklung, der Stopp der Bundesförderung für effiziente Gebäude | |
und die beschleunigte Inflation wirkten sich aus. Kleingenossenschaften | |
würden dabei besonders getroffen, da sie knapp kalkulieren müssten. | |
Deshalb passe der Senat seine Förderprogramme regelmäßig an die | |
Baukostenentwicklungen an, so auch 2022, heißt es aus der BSW. Gerade | |
Kleingenossenschaften profitierten von einem neuen Förderbaustein, der | |
Sonderkosten aufgrund der Grundstückslage ausgleichen solle. Seit 2021 gebe | |
es auch Extra-Geld bei Gestaltungsauflagen, etwa wenn eine Backsteinfassade | |
vorgeschrieben wird. | |
Für die [6][gestoppte Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude] gebe | |
es jetzt einen Zuschuss der Hamburgischen Investitions- und Förderbank für | |
Sozialwohnungen mit bereits geplanten energetisch anspruchsvollen | |
Standards. | |
## Hohe Baukosten | |
Helfen werde auch, dass der Preisdeckel bei städtischen Grundstücken jetzt | |
auch für geförderte Genossenschaften gelte. Zudem verringere die Vergabe im | |
Erbbaurecht deren Finanzierungsbedarf. | |
Aus Sicht Tilo Schmidtsdorffs von der Baugemeinschaft Mesterkamp reichen | |
die Maßnahmen des Senats jedoch nicht aus. „Das Problem ist das | |
Eigenkapital“, sagt er. [7][Wegen der hohen Baukosten] müssten die | |
Genossenschaftsmitglieder, die ja eben nicht wohlhabend seien, Beträge | |
vorhalten, die sie überforderten. „Man muss alles dafür tun, von | |
planerischer Seite die Baukosten nicht in die Höhe zu treiben“, sagt er | |
deshalb, also auf besonders ehrgeizige Auflagen zu verzichten. | |
Um das Problem zu lösen, müsse sich die Stadt zur Not an den | |
Kleingenossenschaften beteiligen, etwa über die Hamburgische Investitions- | |
und Förderbank. Auch die Idee, Stiftungskapital zu mobilisieren, wie es im | |
Koalitionsvertrag angedacht ist, hält er für verfolgenswert. | |
„Wir haben 800.000 Euro in die Planung investiert“, sagt er. Demnächst | |
sollte der Bauantrag für das Projekt Mesterkamp mit 40 Wohnungen, davon | |
vier mit Paragraph-Fünf-Schein, eingereicht werden. „Im Moment können wir | |
uns nicht vorstellen, wie es weitergehen kann“, sagt Schmidtsdorff. | |
27 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Stadtplanerin-ueber-Wohnprojekte/!5803995 | |
[2] https://www.spd-hamburg.de/themen/koalitionsvertrag/ | |
[3] https://mesterkamp.hamburg/ | |
[4] https://baumhaus-altona-1.jimdosite.com/ | |
[5] /Stadtplanerin-ueber-Wohnprojekte/!5803995 | |
[6] /Sparen-beim-energieeffizienten-Bauen/!5829006 | |
[7] /Baukosten-in-Hamburg-auf-Rekordhoch/!5752534 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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