# taz.de -- Friedensbewegung und Ostermärsche: Kein Frieden in der Bewegung | |
> Die Friedensbewegung ist gespalten: Wie scharf soll man die russische | |
> Aggression verurteilen? Und wie soll man mit Querdenkern und Rechten | |
> umgehen? | |
Bild: Auf Friedenssymbole gibt es kein Copyright. Jeder kann sie nutzen. Hier b… | |
Kann es gute Nachrichten geben in so einer Zeit, mit Hunderttausenden | |
Toten, keinem Ende des Kriegs in der Ukraine in Sicht und Atomraketen, die | |
neu aufgestellt werden? Vielleicht diese hier: „Als neulich beide Seiten | |
sagten: Wir haben keine Munition mehr. Das war die einzige gute Nachricht“, | |
sagt Kristian Golla. | |
60 Jahre ist Golla alt. 42 dieser Jahre verbrachte er in der | |
Friedensbewegung, seit über 30 Jahren ist er Geschäftsführer des | |
[1][Netzwerks Friedenskooperative], dessen Jahr gewissermaßen von | |
Ostermarsch zu Ostermarsch verläuft. Diese vorzubereiten, ist Gollas | |
Aufgabe. | |
Das Büro des Friedens-Dachverbands liegt in einem Wohnbezirk von Bonn. | |
Golla, schwarzes Sakko, schwarze Mütze, zeigt alte Fotos: Bonner Hofgarten, | |
die berühmten Demos mit Hunderttausenden. Damals gab es keinen heißen | |
Krieg, nur einen kalten, aber die Friedensbewegung prägte eine ganze | |
Generation. Jetzt, da die Kriegsangst zurück ist, sind auch die | |
Ostermärsche wieder für Menschen interessant, die sie schon fast vergessen | |
hatten. | |
„Als wir mit unserer Anzeige in der taz für den Ostermarsch Reklame gemacht | |
hatten, da gab es so viele Rückmeldungen wie noch nie“, sagt Golla. „Was | |
wollt ihr denn in dieser Kriegstreiberzeitung?, haben die Leute zwar per | |
Mail gefragt. Aber gleichzeitig haben sich so viele Unterzeichnende | |
gemeldet wie noch nie.“ | |
Vieles, was die Friedensbewegung seit jeher zu verhindern versuchte, ist | |
durch Putins Angriffskrieg eingetreten: Krieg in Europa, mehr | |
Rüstungsexporte, mehr Geld für die Bundeswehr. Und die Gefahr, dass alles | |
noch schlimmer wird, ist groß. „Die Menschen treibt die Frage um: Was ist | |
die richtige Reaktion?“, sagt Golla. | |
Seine Antwort steht in dem Aufruf, den das Netzwerk zum Ostermarsch | |
geschrieben hat. „Von Russland fordern wir das Ende des Krieges gegen die | |
Ukraine“, steht darin. Das klingt selbstverständlich, bloß sucht man diesen | |
Satz in anderen Friedensmanifesten bekanntlich oft vergebens. Und auch in | |
vielen der lokalen Ostermarsch-Aufrufe, etwa jenem aus Berlin, fehlt jede | |
Erwähnung Russlands. Das ist eine der Bruchlinien, die sich heute durch die | |
Friedensbewegung ziehen. | |
„Immer mehr Waffenlieferungen schaffen keinen Frieden und werden die | |
Spirale der Gewalt nicht durchbrechen“ – so hat Golla es im bundesweiten | |
Aufruf formuliert. Die Argumentation werfe Probleme auf, räumt er ein: „Wer | |
für Waffenlieferungen ist, macht sich moralisch-ethisch schuldig, weil | |
damit Leute zu Tode kommen. Wer als Pazifist gegen Waffenlieferungen ist, | |
macht sich schuldig durch Unterlassen, weil dann auch Menschen ums Leben | |
kommen. Diese Widersprüchlichkeit muss ich aushalten.“ | |
Dass geflüchtete Ukrainer für Waffenlieferungen seien, sei legitim, findet | |
Golla: „Die sagen: Wir sitzen im Warmen, und das Einzige, was wir tun | |
können, ist für Waffenlieferungen zu sein. Nur so können sie ihre Heimat | |
unterstützen.“ Die klassische Friedensbewegung aber müsse auf andere | |
Lösungen drängen. | |
Von Bundeskanzler Olaf Scholz fordert Gollas Netzwerk deshalb, „endlich | |
wieder Friedensinitiativen“ zu starten. Denn da müsse mehr möglich sein, | |
findet Golla. „Dass alle maximal pokern, gehört dazu. Aber die reden ja | |
trotzdem. Wie sonst hätte es das Getreideabkommen geben können oder den | |
Gefangenenaustausch?“ Und so müsse eben noch mehr geredet werden. Das sei | |
die Botschaft, mit der die Friedensbewegung auf die Straße gehen werde. | |
Seit 1960 gibt es die Ostermärsche, noch nie in dieser Zeit war ein großer | |
Krieg so nah. Golla zeigt eine Karte auf einem riesigen Flatscreen an der | |
Wand. So viele Punkte sind zu sehen, dass sie sich gegenseitig überlappen: | |
alles geplante Kundgebungen an Ostern. Organisiert werden sie lokal. Die | |
Friedensbewegung funktioniere „bottom-up“, sagt Golla. „Jede Gruppe hat | |
eigene Schwerpunkte, und unser Job ist die bundesweite Klammer, das | |
zusammenzuführen.“ | |
Diese Autonomie, ein Merkmal der politischen Kultur sozialer Bewegungen der | |
alten Bundesrepublik, machte lange ihre Stärke aus. Heute ist sie | |
gleichzeitig ihr Problem. Denn die Friedensbewegung stehe „aktuell so | |
uneins da wie schon lange nicht mehr“, [2][schreibt die Junge Welt], die | |
unverdächtig ist, die Bewegung spalten zu wollen. | |
## Angst vor „Querfront-Geschmuse“ | |
Die Friedensbewegung muss in diesen Wochen mit zwei Schwierigkeiten | |
umgehen. Die erste: Die Standpunkte zum Ukrainekonflikt liegen unter jenen, | |
die heute mit Friedenstauben und Pace-Fahnen auf die Straße gehen, teils | |
meilenweit auseinander. [3][Strittig ist vor allem die Frage, wie viel | |
Schuld Russland am Krieg trägt und wie viel der Westen.] | |
Und die zweite Schwierigkeit: Selbst die AfD präsentiert sich heute als | |
„Friedenspartei“. Dass die politischen Milieu-Übergänge der traditionell | |
linken Friedensbewegung heute fließend geworden sind, zeigte sich unter | |
anderem daran, wer alles auf [4][das „Manifest für den Frieden“ von Alice | |
Schwarzer und Sahra Wagenknecht] ansprang. | |
Wo also die Grenze ziehen? | |
Andrea-Cora Walther findet, dass die Abgrenzung nicht deutlich genug ist. | |
Wann sie den Ostermarsch das letzte Mal ausgelassen hat, weiß die | |
friedensbewegte Oberhausener Steuerberaterin nicht mehr. Der Marsch steht | |
jedes Jahr fest in ihrem Kalender. Doch ausgerechnet dieses Mal wird sie | |
nicht hingehen. „Mir blutet ja auch das Herz“, sagt sie. Doch sie fürchtet | |
„Querfront-Geschmuse“ und „rechte Mitläufer“. | |
Auf den Vorbereitungstreffen in den Oberhausener Ortsgruppen habe sie dies | |
zum Thema gemacht, aber nur gehört: „Wir können uns doch nicht die | |
Mobilisierung auf der Straße von den Querschwurbelnden nehmen lassen.“ Bei | |
manchen gelte „Augen zu und durch“, sagt Walther. Andere „stimmen mit den | |
Füßen ab, indem sie nicht an den Aktionen teilnehmen“. So wie sie. | |
[5][Der Politologe Thorsten Gromes von der Hessischen Stiftung Friedens- | |
und Konfliktforschung] hat die Aufrufe zu Ostermärschen ausgewertet, die | |
das Netzwerk Friedenskooperative Anfang April auf seiner Website aufführte. | |
Von 48 Aufrufen forderten nur acht einen Rückzug Russlands aus der Ukraine. | |
Viele relativierten dagegen die russische Schuld am Blutvergießen. | |
Einige langjährige Ostermarsch-Demonstranten stören sich deshalb an einer | |
„schleichenden Täter-Opfer-Umkehr“. Die Ukraine werde von Teilen der | |
Friedensbewegung zunehmend als eigentliche Gefahr für den Frieden gesehen, | |
weil sie Russland keine Zugeständnisse machen wolle. Um einen Atomkrieg zu | |
verhindern, solle das angegriffene Land Russland Gebiete abtreten. | |
Nicht wenige stört auch, dass Querdenkergruppen wie die Partei Die Basis | |
oder die Freien Linken bei den Märschen dabei sind. In Hamburg und Fulda | |
zog der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) deshalb seine Unterstützung für | |
den Ostermarsch erstmals zurück, in Hamburg, Berlin, Potsdam und Magdeburg | |
auch Die Linke. „Klare Kante“, lobte der linke thüringische | |
Ministerpräsident Bodo Ramelow. | |
Kristian Golla weiß das alles – und versucht dagegenzuhalten. „Was wir tun | |
können, ist zu formulieren, dass diese Leute definitiv nicht eingeladen | |
sind“, sagt er. Es seien Trittbrettfahrer, die andere Ziele verfolgten. | |
„Coronaleugner wollen ihre Verschwörungsideologie verbreiten und suchen | |
dafür Mitstreiter. Denen geht es nicht um Frieden.“ Genauso die AfD: Die | |
wolle eine „starke Bundeswehr aus nationalistischen Gründen“. Die | |
Friedensbewegung aber sei „klar internationalistisch, für Ausgleich, für | |
Minderheitenschutz. Das ist das Gegenteil der AfD.“ | |
Parteien wie Die Basis oder Team Todenhöfer seien „rechts offen, da sagen | |
viele Gruppen: Mit denen kann man nicht zusammenarbeiten“, sagt Golla. Die | |
Grenze verlaufe bei „Coronaleugnern, Faschismus, wenn es menschenverachtend | |
wird“. | |
Golla verweist auf einen in diesem Jahr erstmals verfassten Hinweis unter | |
einigen Aufrufen: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglicher Form von | |
Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus und | |
LGBTQ-Feindlichkeit“, heißt es darin. | |
Augenfällig wurde die politische Spreizung zuletzt in Nordrhein-Westfalen. | |
Obwohl es in dem Bundesland etliche jahrzehntealte Friedensgruppen gibt, | |
bildete sich dort im Februar ein Friedensbündnis NRW neu. Auf seinem | |
Telegram-Kanal ist die Rede von einem „neuen und großen Teil der | |
Friedensbewegung“, der „aus der Grundrechtebewegung gegen die | |
regierungsoffiziellen und höchst profitträchtigen Corona-Maßnahmen | |
hervorgegangen“ sei. Klarer kann man nicht sagen, dass man seine Wurzeln | |
bei den Querdenkern hat. Die „hauptamtlichen Ostermarschorganisatoren“ | |
werden als „NATO-fromm“ kritisiert. Antifa-Recherchegruppen sprechen von | |
„weit nach rechts offenen Strukturen“ – mit Blick auf Teile des Bündniss… | |
wie etwa die Düsseldorfer Außerparlamentarische Opposition (APO) oder | |
„Oberberg bewegt sich“. | |
Als am 3. April in Sankt Petersburg der bekannte russische | |
Kriegspropagandist Maxim Fomin durch einen Bombenanschlag getötet wurde, | |
schrieb die APO auf Telegram, sie drücke „den Familien und Freunden des bei | |
diesem hinterhältigen Terroranschlag verstorbenen Korrespondenten unser | |
Beileid aus“. Der Kreml selbst hätte es wohl nicht anders formuliert. Auf | |
dem Telegram-Kanal von „Oberberg bewegt sich“ wird Robert Habeck als | |
„Auftragskiller zur Zerstörung deutscher Industrie“ bezeichnet, der | |
Holocaust als Lüge, die Pandemie als Märchen. Videos über den angeblichen | |
„Great Reset“ – den wichtigsten Verschwörungsmythos der extremen Rechten… | |
teilt die Gruppe munter. | |
Aus solchen Akteuren also besteht das Friedensbündnis NRW. Am 25. März | |
organisierte es in Düsseldorf eine Kundgebung unter dem Motto „Diplomaten | |
statt Granaten! Verhandeln jetzt!“. Hauptredner war das Ex-Linke-MdB | |
Diether Dehm, aufgerufen hatte unter anderem die Querdenkerpartei Die | |
Basis. Am Rande protestierten Antifas. Weil die Polizei sie nicht so | |
vertrieb, wie die Friedensfreunde sich das vorstellten, sprachen diese | |
hinterher von einer „anhaltenden Instrumentalisierung staatlicher | |
Exekutivorgane für Repressalien gegen eine unerwünschte regierungskritische | |
Opposition“ – gemeint waren sie selbst. Die Polizei sei ein „Handlanger d… | |
Antifa“. Rechtsextreme reden genauso. | |
Der Rechtsanwalt Jürgen Schütte ist Mitgründer des Friedensbündnisses NRW. | |
Vorwürfe gegen Gruppen wie „Oberberg bewegt sich“ kenne er nicht und habe | |
sie auch „in der praktischen Umsetzung unserer Arbeit nie erlebt“, sagt er | |
der taz. Das Bündnis distanziere sich von Rassismus, Antisemitismus und | |
Nationalismus, sei davon aber „absolut nicht betroffen“. Würde man bei | |
Teilnehmern solche Haltungen feststellen, würden diese sofort | |
ausgeschlossen. | |
Doch das nehmen dem Bündnis nicht alle ab. Die traditionsreiche Deutsche | |
Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) NRW | |
nannte die Entwicklung – offenkundig mit Blick auf Schüttes neues Bündnis �… | |
„bedenklich“. Die Zusammenarbeit mit ihren Gruppen sei abzulehnen, so die | |
DFG-VK in einem Rundschreiben: „Wir fragen, warum diese Kräfte eigene | |
Strukturen aufbauen, anstatt bei den seit Jahren bestehenden | |
Friedensgruppen vor Ort mitzuarbeiten.“ Offenbar werde bewusst die Nähe zu | |
sogenannten Querdenkern und „noch weiter rechts stehenden Gruppierungen | |
gesucht oder zumindest nicht ausgeschlossen“. | |
Der Leipziger Bewegungsforscher Andreas Leistner sieht im Kontext des | |
Ukrainekriegs drei Muster der Mobilisierung: Für die klassische | |
Friedensbewegung stehe unter dem Motto „Die Waffen nieder“ der | |
Gewaltverzicht im Vordergrund. Für die „Stand with Ukraine“-Mobilisierungen | |
sei Solidarität mit den Angegriffenen das Wichtigste. Und schließlich gebe | |
es die „Frieden mit Russland“-Kundgebungen der extremen Rechten und der | |
rechtsoffenen Teile der Friedensbewegung. | |
## Minderheit mit Russlandfahnen | |
Diese sind weiterhin eine Minderheit, keine Frage. Aber was tun, wenn sie | |
mit Russlandfahnen bei der Friedensdemo anrückt? „Wenn die lokalen | |
Veranstalter Hilfe brauchen, gebe ich denen eine Antwort,“ sagt Golla. Aber | |
letztlich müssten diese in regionaler Verantwortung entscheiden. „Sonst | |
funktioniert das nicht.“ Auf das Friedenssymbol gebe es „kein Copyright, | |
Frieden ist keine geschützte Bezeichnung“. Die [6][Ökumenische | |
Friedensdekade] habe ihr „Schwerter zu Pflugscharen“-Signet als Marke | |
eintragen lassen, um eine Instrumentalisierung zu verhindern. „Mit | |
der Friedenstaube und der Pace-Fahne kann ich das nicht machen.“ | |
Was also bleibt? „Mit unserem Aufruf wollen wir Vereinnahmung erschweren“, | |
sagt Golla. „Natürlich können AfD-Leute kackfrech sagen: Das unterschreib | |
ich auch. Aber ich glaube, die meisten würden sich das gut überlegen.“ Ein | |
Problem sei, dass es Leute gebe, „die vielleicht anfangen zu glauben, dass | |
die AfD, weil sie ja für Russland ist, doch eine Friedenspartei sei. Da ist | |
einiges ins Rutschen gekommen“, räumt Golla ein. Das Manifest von Sahra | |
Wagenknecht und Alice Schwarzer habe „eine Art Graufeld“ geschaffen. Dass | |
dort so viele unterschrieben haben, liege auch daran, dass sie „das Gefühl | |
haben, die Friedensbewegung kommt nicht vor in der veröffentlichten | |
Meinung“. Schwarzer und Wagenknecht hingegen gelinge das: „Die Leute | |
denken: Die schaffen das, die dringen durch.“ | |
Golla ärgert, dass Schwarzer auf der Kundgebung im Februar in Berlin | |
behauptete, es habe vorher nichts gegeben. Von wegen, sagt Golla. Er zeigt | |
auf seiner Website die Terminübersicht des Netzwerks: Über 1.400 | |
Veranstaltungen mit dem Schlagwort Ukraine gab es in den vergangenen 18 | |
Monaten. | |
Wohin manche Teile der Friedensbewegung driften, war aber schon vor | |
Russlands großflächigem Überfall absehbar. 2021 erschien der „[7][Neue | |
Krefelder Appell]“ – ein Manifest, das an die millionenfach unterzeichnete | |
Erklärung gegen den Nato-Doppelbeschluss von 1981 anzuknüpfen vorgab. In | |
der Neuauflage war von „immer aggressiver werdenden gegen Russland und | |
China gerichteten Manövern“ zu lesen. Und davon, dass die „Machthaber | |
dieser Welt“ Kriege auch an „neuen, andersartigen Fronten“ führten. So s… | |
die „ ‚Impf‘-Kampagne eine große Gefahr für Milliarden von Menschen“. | |
Dahinter stehe – Überraschung! – „die Strategie des ‚Great Reset‘ (�… | |
dem der Kapitalismus über einen gezielten Zusammenbruch (…) auf eine noch | |
perversere Stufe gehoben werden soll“. | |
Unterschrieben haben das rund 6.000 Menschen, darunter der Theologe Eugen | |
Drewermann, der AfD-Bundespräsidentschaftskandidat Max Otte und der | |
Demokratischer-Widerstand-Gründer Anselm Lenz. Mehr Querfrontsprache und | |
Unterstützerschaft sind nur schwer vorstellbar. | |
Verantwortlich für den Appell sind Anneliese Fikentscher und Andreas | |
Neumann von der Gruppe Arbeiterfotografie aus Köln, die sich selbst dem | |
Friedensbündnis NRW zurechnen. Fragen der taz möchten sie nur schriftlich | |
beantworten. Den Begriff Querfront nennen sie ein „strategisches | |
Instrument zur Zerschlagung einer kraftvollen, breiten | |
Friedensbewegung“. Wer auf der Seite des Friedens stehe, sei „uns | |
willkommen, auch wenn wir in anderen Fragen nicht einer Meinung sind“. | |
Führende Grüne seien allerdings als Bündnispartner ausgeschlossen: „Ihre | |
Befeuerung von Krieg erfüllt ganz eindeutig ein entscheidendes Kriterium | |
von Rechtsextremismus.“ | |
Von Sahra Wagenknechts und Alice Schwarzers „Manifest für Frieden“ sind sie | |
nicht angetan. Der darin enthaltene Satz: „Die von Russland brutal | |
überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität“, sei | |
Nato-Propaganda. Große Teile der Friedensbewegung würden immer wieder das | |
Vorgehen Russlands verurteilen, ohne das in der UN-Charta verbriefte „Recht | |
auf kollektive Selbstverteidigung, das Russland und die Donbas-Republiken | |
für sich in Anspruch nehmen, in Betracht zu ziehen“. Es gebe die Tendenz, | |
den Konflikt am 24. Februar 2022 beginnen zu lassen, schreiben die beiden. | |
Tatsächlich habe der Konflikt „mit dem US-lancierten Putsch in der Ukraine | |
2014“ begonnen, der „daraus entstandene Krieg in der Ost-Ukraine“ werde | |
ignoriert, ebenso „das Vordringen der NATO bis an die Grenzen Russlands“. | |
Kurzum: Am Krieg sei der Westen ist schuld. Dem Netzwerk | |
Friedenskooperative raten die beiden, „sich der ‚neuen‘, aus der | |
Grundrechte- und Demokratie-Bewegung hervorgegangenen Friedensbewegung | |
nicht zu verschließen“. | |
Die Gruppe um Neumann und Fikentscher hatte im Februar auch an einer | |
Konferenz in Bremen teilgenommen, auf der die „unterschiedlichen | |
Einschätzungen des Ukraine-Krieges in der Bewegung“ diskutiert werden | |
sollten, so schrieben es die Organisatoren um das Bremer Friedensforum. | |
„Der russische Einmarsch wird in der Friedensbewegung verurteilt“, sagt | |
dessen Sprecher Ekkehard Lentz der taz. „Aber die Betonungen sind | |
unterschiedlich nuanciert. Ich verweise natürlich auch auf die | |
Vorgeschichte dieses Kriegs, ohne daraus aber eine Rechtfertigung | |
abzuleiten.“ | |
Gleichwohl musste die Konferenz in eine Kirche verlegt werden, weil der DGB | |
die Erlaubnis zur Nutzung seiner Räume zurückgezogen hatte. „Wir haben | |
immer großen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften gelegt. | |
Aber es ist ja kein Geheimnis, dass die Führung des DGB den Kurs der | |
Bundesregierung unterstützt, was wir bedauern“, sagt Lentz. | |
Vergangenen Montag verschickte Lentz’ Gruppe eine Mitteilung und zitierte | |
darin die Wagenknecht-Vertraute und linke Bundestagsabgeordnete Sevim | |
Dağdelen: „Selbstbewusste Linke“ sollten „aufhören, ständig aufzuzähl… | |
wer alles nicht zu einer Antikriegskundgebung kommen darf, und in übler | |
Verfassungsschutzmanier einen Gesinnungs-TÜV zu veranstalten“. | |
Und so ist vor dem Osterfest wenig Frieden in der Bewegung zu erkennen. Mit | |
einer Reihe Linke-Politikern und Bewegungsgrößen hat Lentz gerade ein | |
Positionspapier veröffentlicht. Die Friedensbewegung, heißt es da, werde | |
seit jeher „von den Kriegstreibern und Militaristen politisch verfolgt, | |
diffamiert als Vaterlandsverräter, als ferngesteuert“. So sei auch die | |
aktuelle „Diffamierung als ‚rechtsoffen‘ (darunter auch ‚Querdenker‘ … | |
‚Antisemiten‘)“ zu verstehen. „Wir suchen bewusst die Zusammenarbeit mit | |
Kräften, die sich der Friedensfrage ‚neu‘ annähern“. Und: „Wir wenden… | |
entschieden gegen eine ‚Abgrenzeritis‘ “, schließt der Text. | |
Klare Linie gegen rechts und Russlandfans oder Warnungen vor | |
„Abgrenzeritis“ – das ist der Riss, der 2023 durch die Friedensbewegung | |
geht. | |
Vielleicht, sagt Kristian Golla, sei das auch ein Generationenkonflikt. | |
„Die Jungen in der Friedensbewegung wollen sich stärker abgrenzen. Wenn es | |
welche gibt, die sagen: Wir müssen zusammenstehen, sind das eher ältere | |
Leute.“ Er sieht sich gedanklich aufseiten der Jungen. So sei es nach 30 | |
Jahren wohl sein Job, den „Kampf um die Köpfe der Leute“ zu führen, sagt | |
er. „Diesen Kampf geben wir nicht auf.“ | |
7 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.friedenskooperative.de/ | |
[2] https://www.jungewelt.de/artikel/448016.friedensbewegung-die-waffen-nieder.… | |
[3] /Friedensdemo-2023/!5923173 | |
[4] /Wagenknecht-und-die-Rechten/!5915376 | |
[5] https://blog.prif.org/2023/04/05/die-ostermaersche-2023-und-der-ueberfall-a… | |
[6] https://www.friedensdekade.de/ | |
[7] https://peaceappeal21.de/ | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Pazifismus | |
Friedensbewegung | |
Ostermärsche | |
GNS | |
Friedensbewegung | |
Kirchentag 2023 | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Ostermarsch | |
Ostermärsche | |
Ostermärsche | |
Ostermarsch | |
Friedensaktivisten | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ostermärsche in Deutschland: Waffenstillstand und Verhandlungen | |
Rund 100 Ostermärsche sind über Ostern angekündigt. Erwartet werden mal | |
Dutzende, mal Tausende. Über die Übriggebliebenen einer Bewegung. | |
Bischöfin Petra Bahr über Pazifismus: „Waffenlieferungen sind geboten“ | |
Gibt es guten und schlechten Pazifismus? Bischöfin Petra Bahr über den | |
Umgang der evangelischen Kirche mit dem russischen Angriffskrieg. | |
Friedensarbeit in der Kirche: Die Christen und der Krieg | |
Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ringen viele Christen | |
um ihre Haltung zu Waffenlieferungen. Was bedeutet das für den Pazifismus? | |
Ostermärsche im Norden: Vermehrung der Friedensbewegung | |
Die Ostermärsche waren teils weniger besucht als im Vorjahr. Das hat auch | |
mit der Spaltung in der Linken zu tun, wie sich in Hamburg zeigte. | |
Ostermärsche in Deutschland: Mit Russland-Fahnen für Frieden | |
In 120 Städten fanden Ostermärsche statt. Ein Teil der Friedensbewegung | |
bezog Stellung gegen Putin. Andere protestierten mit Querdenker*innen. | |
Ostermärsche der Friedensbewegung: Käßmann warnt vor Diffamierung | |
Ex-Bischöfin Margot Käßmann sprach sich in Hannover erneut gegen | |
Waffenlieferungen aus. Die Zahl der Ostermarschteilnehmer lag auf | |
Vorjahresniveau. | |
Ostermärsche der Friedensbewegung: Appelle für mehr Verhandlungen | |
Bundesweit sind in den kommenden Tagen Ostermärsche der Friedensbewegung | |
geplant. Die Forderung an die Bundesregierung: mehr Einsatz für Diplomatie. | |
Friedensdemo 2023: Krieg stiftet Unfrieden | |
Der DGB und Die Linke nehmen nicht am Hamburger Ostermarsch teil. Dem | |
Veranstalter werfen sie zu wenig Abgrenzung von Putins Politik und Rechts | |
vor. | |
Friedensaufruf von Brandt-Sohn: Bewegung der Alten | |
Der neue Friedensaufruf von SPD-nahen Prominenten ist ernster zu nehmen als | |
Sahra Wagenknechts Appell. Aber auch er macht es sich zu einfach. |