Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Friedensdemo 2023: Krieg stiftet Unfrieden
> Der DGB und Die Linke nehmen nicht am Hamburger Ostermarsch teil. Dem
> Veranstalter werfen sie zu wenig Abgrenzung von Putins Politik und Rechts
> vor.
Bild: Hauptfeind USA: Hamburger Ostermarsch 2022
Hamburg taz | Der „Deutsche Gewerkschaftsbund“ (DGB) und die Partei „Die
Linke“ werden in diesem Jahr nicht an dem Ostermarsch am Montag teilnehmen.
Sie wollen sich nicht hinter den Text stellen, mit dem das Hamburger Forum
(HF) zu dem Friedensmarsch aufgerufen hat. „Die anklingende Relativierung
der Verantwortlichkeit für diesen Krieg können wir nicht mittragen“, sagt
die Hamburger DGB-Vorsitzende Tanja Chawla.
Der Gewerkschafterin ist anzumerken, dass ihre diese Entscheidung nicht
leichtgefallen ist. [1][Das Hamburger Forum ist eine Institution der
Friedensbewegung] mit Wurzeln in den 1980er-Jahren. Die „Dachorganisation
von Friedensinitiativen und -organisationen“ prägte viele Linke in
Vereinen, Initiativen, Parteien und Gewerkschaften. Den Marsch „für
Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ an der Elbe verantwortet es
seit Jahrzehnten.
[2][Im aktuellen Aufruf heißt es]: „Es ist höchste Zeit, den Weg der
Eskalation in den dritten Weltkrieg zu verlassen.“ Die Probleme der Welt
verlangten Kooperation statt Konfrontation: Hunger und Armut, Artensterben,
Klimakrise … all dies könne die Menschheit nur gemeinsam lösen. „Mit jedem
Tag, den der Krieg in der Ukraine länger dauert, kommen mehr Menschen ums
Leben, werden verletzt oder traumatisiert“, heißt es weiter.
Die Bundesregierung müsse sich daher für einen sofortigen Waffenstillstand
einsetzen, um Friedensverhandlungen zu ermöglichen, und sie dürfe keine
Waffen an kriegführende Staaten liefern. Im Februar und März befassten sich
Veranstaltungen des Forums mit der Frage, wer vom Ukraine-Krieg profitiere
und dem „Nato-Krieg in der Ukraine als Motor der Rechtsentwicklung in
Deutschland“.
## Falscher Zungenschlag
Die Tonlage des Forums bewog auch Die Linke, nicht [3][zum Ostermarsch mit
aufzurufen]. „In der Bewertung der Ursache des Krieges wird besonders die
Osterweiterung der Nato letztlich doch betont“, sagt der
Linken-Geschäftsführer Christoph Timann. Der „russische Imperialismus“ als
Kriegsursache werde dagegen nicht so sehr als ein Problem wahrgenommen,
sagt Timann –nicht ohne zu betonen, dass die Linke die Forderungen des
Forums, Friedensverhandlungen zu führen und Waffenlieferungen zu stoppen,
teile.
Der Disput entzündet sich aber [4][nicht allein an der Frage, wer den Krieg
in der Ukraine verantwortet, sondern auch daran, mit welchen Kräften für
den Frieden demonstriert wird]. Bei der Kundgebung „Aufstehen für den
Frieden“ in Berlin, verantwortet von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer,
wurde nicht zum ersten Mal über die Beteiligung von Rechten und
Rechtsextremen auf Friedenskundgebungen gestritten.
In Hamburg störte dieser „fahrlässige Umgang mit Rechten“ beim Forum Die
Linke schon früher. Timann möchte bei der Kritik aber nicht missverstanden
werden: „Das Forum selbst ist nicht rechtsextrem, es ist aber rechts
offen“, sagt er.
Schon nach dem dezentralen bundesweiten Aktionstag der Friedensbewegung am
1. Oktober hielt das „[5][Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBGR)] dem HF
vor, die rechts-esoterische Partei „Die Basis“ offiziell begrüßt zu haben
und den extrem rechten Youtuber Elijah Tabere erlaubt zu haben, alle Reden
zu filmen.
Auch ein angekündigter Redner bei dem Ostermarsch des HF erregt Anstoß.
Beim Marsch ab 12.30 Uhr von der Reeperbahn zum Fischmarkt soll Peter
Brandt sprechen. Das HBGR wirft dem Forum vor, die rechten Positionen des
SPD-Mitglieds zu ignorieren. Der Sohn von Ex-Kanzler Willy Brandt hat seine
Ansichten zur Linken und zur Nation auch in extrem-rechten Publikationen
von der Jungen Freiheit (JF) bis Wir selbst dargelegt.
In dem 1996 erschienenen Standardwerk „Faschismus und Neofaschismus“ hat
Reinhard Opitz bereits mehrfach auf Brandt hingewiesen, auch weil der
Kritisierte erklärt hatte, dass die Vertreibung der Deutschen aus den
Gebieten östlich von Oder und Neiße durch „nichts zu rechtfertigen“ sei.
In der Jungen Freiheit mahnte Brandt 2010 an, dass versucht werden müsse,
mit der „deutschen Neurose“ in Bezug auf die Nation vernünftig umzugehen.
Die Rede vom „Tätervolk“ sei destruktiv. Die Auseinandersetzung mit der
NS-Vergangenheit müsse „gegenüber den damals beteiligten ‚normalen
Deutschen‘ sensibel“ geführt werden.
Das HBGR erinnert zudem daran, dass Brandt kritiklos das Wirken des
neurechten Publizisten Wolfgang Venohr würdigte, der freiwillig in die
SS-Division Leibstandarte Adolf Hitler eingetreten war. 2009 schrieb Brandt
in dem rechtsextremen Magazin Compact „Gegen die Finanzdiktatur“.
## Kriegsverbrechen relativiert
In einer Rezension des Buches „Versuch das Unverzeihliche zu verstehen“ von
Edelbert Richter hinterfragt Brandt 2020 kaum die
geschichtsrevisionistischen Positionen des Autors. Damit zieht Brandt die
deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg in Zweifel.
Brand relativiert auch die deutschen Kriegsverbrechen, indem er nach der
„Legitimität britisch-amerikanischer Flächenbombardements“ fragt und er
widerspricht nicht Richters Relativierung des Holocaust, indem er schreibt:
„einen großen, vielfach nicht beachteten Stellenwert“ spreche Richter „d…
angelsächsischen Vorbild zu: der Kolonialisierung der halben Welt“.
2020 trat Brandt bei der bei der rechten Hamburger „Landsmannschaft
Mecklenburgia-Rostock“ auf. Felix Krebs vom HBGR findet: „Ein
geschichtsrevisionistischer Redner, der einen unverbesserlichen
SS-Freiwilligen als gradlinig lobt, in Publikationen der extremen Rechten
veröffentlicht und bei rechten, schlagenden Verbindungen auftritt, hat bei
einer Friedensdemonstration nichts zu suchen“.
Auf die Kritik an Brandt geht das HF nicht ein. Auf Nachfrage verwies der
Sprecher Markus Gunkel bloß auf einen von Brandt mit initiierten Aufruf, in
dem ein „schneller Waffenstillstand“ angemahnt wird, um den „russischen
Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden“.
Die Linke lädt mit weiteren Organisationen am Ostermontag zu einem
„Friedensfest“ auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz ein, Beginn 15 Uhr
5 Apr 2023
## LINKS
[1] /Verbot-von-Ruestungsexporten/!5716175
[2] https://www.hamburgerforum.org/seite/375054/veranstaltungen-und-aktionen-de…
[3] /Streit-um-Ostermaersche/!5846230
[4] /Relativierung-des-Ukraine-Kriegs/!5845283
[5] https://www.hbgr.org/ueber-uns/pressemitteilungen/11-pressemitteilungen/734…
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Russland
Hamburg
Ukraine-Konflikt
Frieden und Krieg
Friedensbewegung
Ostermarsch
Frieden und Krieg
Ostermarsch
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ostermarsch
Ostern
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Friedensbewegung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kundgebungen am Antikriegstag: Unfrieden in der Friedensbewegung
Heute gibt es in Hamburg zwei Kundgebungen zum Antikriegstag. Die
Friedensbewegung in der Stadt ist tief gespalten.
Ostermärsche im Norden: Vermehrung der Friedensbewegung
Die Ostermärsche waren teils weniger besucht als im Vorjahr. Das hat auch
mit der Spaltung in der Linken zu tun, wie sich in Hamburg zeigte.
Friedensbewegung und Ostermärsche: Kein Frieden in der Bewegung
Die Friedensbewegung ist gespalten: Wie scharf soll man die russische
Aggression verurteilen? Und wie soll man mit Querdenkern und Rechten
umgehen?
Ostermärsche der Friedensbewegung: Appelle für mehr Verhandlungen
Bundesweit sind in den kommenden Tagen Ostermärsche der Friedensbewegung
geplant. Die Forderung an die Bundesregierung: mehr Einsatz für Diplomatie.
Bundesweite Friedensbewegung: Weiter marschieren für Frieden
Die Ostermärsche sind im zweiten Jahr nach dem russischen Angriff auf die
Ukraine. Gegen Unterwanderung von rechts versuchen sie sich abzugrenzen.
Proteste bei Sicherheitskonferenz: Friedenswirrwarr in München
Wer ist die „Friedensbewegung“? Altgediente Anti-Siko-Protestierende
geraten ins Hintertreffen, Pro-Ukraine-Demonstrant:innen auch. Rechte
jubilieren.
Friedensbewegung in Deutschland: Wachsam gegenüber Imperialismen
Pazifist*innen geraten zunehmend in die Defensive. Dabei wird gern
vergessen, dass ihre Kontakte zu Gorbatschow mit zur Abrüstung führen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.