# taz.de -- Kundgebungen am Antikriegstag: Unfrieden in der Friedensbewegung | |
> Heute gibt es in Hamburg zwei Kundgebungen zum Antikriegstag. Die | |
> Friedensbewegung in der Stadt ist tief gespalten. | |
Bild: Nur ein Teil der Friedensbewegten war da: Hamburger Ostermarsch 2023 | |
In Erinnerung an den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939 ist | |
der heutige 1. September als „Antikriegstag“ ein wichtiges Datum für die | |
deutsche Friedensbewegung. In Hamburg ist diese Bewegung jedoch tief | |
gespalten. Traditionell wird der Antikriegstag hier vom „Hamburger Forum | |
für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ organisiert. Das Problem: | |
In deren Reihen bewegen sich mehrere Personen, die im Querdenker-Milieu, in | |
rechtspopulistischen Parteien wie „Die Basis“ oder in der | |
Reichsbürger-Szene aktiv sind. | |
So beteiligt sich etwa Ilona Dittmar, stellvertretende Vorsitzende der | |
rechten Partei „Deutsche Mitte“ und aktive Querdenkerin, seit Jahren an | |
Veranstaltungen des Forums. Darüber hinaus gibt es zahlreiche personelle | |
Verschränkungen zwischen Funktionären des Forums und den Organisatoren der | |
[1][Querdenken-Demos, die zu Coronazeiten regelmäßig vor der Hamburger | |
Kunsthalle stattfanden]. | |
Beim Antikriegstag am 1. September im vergangenen Jahr waren auch | |
zahlreiche bekannte Personen aus diesem Milieu anwesend. Die Veranstaltung | |
in Hamburg wurde zudem vom rechten Youtuber Eliyah Tabere gefilmt und genau | |
das führte zum Eklat: Das Hamburger „Bündnis gegen Rechts“ richtete sich | |
mit einem offenen Brief an das Hamburger Forum und forderte dieses auf, | |
sich klar von Rechten zu distanzieren. Dort prallte die Kritik ab. In einem | |
Rundbrief vom 14. Oktober 2022 schrieb der Vorsitzende des Hamburger | |
Forums, Markus Gunkel, dass die Gefahr von rechts bei Nazis in der Ukraine | |
liege und man sich gegen diese stellen müsse. Dafür brauche es eine | |
„Volksfront aller Kräfte, die sich der neuen Kriegsgefahr entgegenstellen“. | |
## Antikriegstag in Hamburg: Rechtes Milieu vertreten | |
Auf taz-Nachfrage wollte Gunkel jetzt nicht konkret auf die Vorwürfe | |
eingehen. Zwar sagt er, dass das Hamburger Forum das Ziel verfolge, | |
menschenverachtende Ideologien zurückzudrängen. Wie das jedoch in den | |
eigenen Reihen passieren soll, bleibt unbeantwortet. | |
Seit dem vergangenen Jahr distanzierten sich zahlreiche Organisationen vom | |
Hamburger Forum. [2][Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Linke und | |
die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten | |
(VVN-BdA) nahmen in diesem Jahr erstmals nicht am Ostermarsch des Forums | |
teil]. Am heutigen Antikriegstag veranstalten sie eine alternative | |
Kundgebung. „Wir wollen nicht gemeinsam mit denen auf der Straße stehen, | |
die kein Problem damit hatten und haben, mit Rechten aller Art gegen eine | |
angebliche Coronadiktatur zu demonstrieren“, sagt Cornelia Kerth, die | |
Bundesvorsitzende der VVN-BdA. | |
Das [3][Hamburger Forum] bezeichnet den russischen Angriffskrieg als | |
„geopolitische Auseinandersetzung“ und entschuldigt den russischen Überfall | |
als Reaktion auf die Nato-Osterweiterung. | |
Auf taz-Nachfrage, ob das Hamburger Forum anerkenne, dass der russische | |
Angriff auf die Ukraine ein völkerrechtliches Verbrechen sei, antwortet | |
Gunkel: „Es ist unredlich, das Völkerrecht immer nur dann zu beschwören, | |
wenn es einem nützt.“ Stattdessen seien die Sanktionen des Westens | |
völkerrechtswidrig. | |
Diese Entschuldigung des Angriffskrieges findet in dem Aufruf zur | |
alternativen Veranstaltung von DGB & Co nicht statt. „Dass das Hamburger | |
Forum den russischen Angriffskrieg zum Krieg der Nato gegen Russland | |
umdefiniert, geht aus unserer Sicht gar nicht“, sagt Kerth. Auch hier heißt | |
es jedoch: „Wir warnen eindringlich vor dem Irrglauben, immer mehr Waffen | |
für die Ukraine würden zu einem schnelleren Ende des Krieges führen.“ | |
Stattdessen werden primär Verhandlungen gefordert. Wie diese umgesetzt | |
werden sollen, obwohl Russland nicht verhandeln will, wird nicht erläutert. | |
## Hamburger Forum definiert Angriffskrieg um | |
„Ich fühle mich von beiden Veranstaltungen vor den Kopf gestoßen“, sagt | |
dazu die ukrainische Aktivistin Kateryna Rumyantseva, die seit dem 24. | |
Februar 2022 mit dem Verein „Feine Ukraine“ Demonstrationen der | |
ukrainischen Diaspora in Hamburg organisiert. „Diese Menschen haben kein | |
Interesse an unseren Perspektiven. Sie sprechen lieber über uns statt mit | |
uns. Dabei sind doch wir Ukrainer*innen die Betroffenen dieses Krieges.“ | |
Auch eine Vertreterin der ukrainischen Diaspora-Organisation „VilniDeUa“ | |
erzählt, dass die Veranstaltungen sie wütend machen. Beim diesjährigen | |
Ostermarsch habe sie deshalb einen Gegenprotest organisiert. „Unsere Gruppe | |
wurde von Teilnehmenden des Ostermarschs beschimpft. Wir wurden Nazis | |
genannt und sie haben uns Mittelfinger gezeigt“, erzählt sie. „Friedliche | |
Menschen nennen andere doch nicht einfach Nazis und zeigen den Opfern eines | |
Angriffskriegs keinen Mittelfinger.“ | |
## Praktische Solidarität | |
Sie wünscht sich mehr praktische Solidarität mit den Betroffenen von | |
Kriegen. Mit der Organisation VilniDeUa veranstaltet sie dafür Aktionen und | |
Kundgebungen zur Unterstützung der Ukraine und sammelt Spenden, um den | |
Menschen vor Ort zu helfen. | |
Außerdem braucht es aus ihrer Perspektive ganz dringend weiterhin | |
militärische Unterstützung für die Ukraine. „Natürlich wünsche ich mir | |
auch, dass die Waffen schweigen. Aber diese Forderung muss man in Russland | |
platzieren. Man kann Angegriffene nicht dazu auffordern, dass sie aufhören, | |
sich zu verteidigen.“ | |
So sieht es auch Kateryna Rumyantseva: „Echten Frieden in der Ukraine kann | |
es nur geben, wenn russische Truppen abziehen und die Bevölkerung nicht | |
mehr terrorisieren.“ | |
Die Autorin kennt die beiden ukrainischen Aktivistinnen aus politischen | |
Kontexten persönlich. | |
Die beiden Kundgebungen am 1. September in Hamburg: DGB-Gewerkschaftshaus, | |
„Die Welt braucht Frieden“, 15 Uhr, Besenbinderhof 60 und Hamburger Forum | |
„Nieder mit den Waffen!“, 15.30 Uhr, Hachmannplatz | |
1 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Wie-sich-eine-Querfront-bildet/!5882536 | |
[2] /Friedensdemo-2023/!5923173 | |
[3] https://www.hamburgerforum.org/ | |
## AUTOREN | |
Marta Ahmedov | |
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