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# taz.de -- Ostermärsche im Norden: Vermehrung der Friedensbewegung
> Die Ostermärsche waren teils weniger besucht als im Vorjahr. Das hat auch
> mit der Spaltung in der Linken zu tun, wie sich in Hamburg zeigte.
Bild: Frieden mit Russland und China: Linke auf dem Hamburger Ostermarsch
Hamburg taz | „Selbstverständlich sind wir solidarisch mit den Menschen in
der Ukraine“, sagte am Montagnachmittag vom Lautsprecherwagen aus einer
[1][der Initiator:innen des Hamburger Ostermarsches] – just in dem
Moment, als die Friedensdemo auf Widerspruch stieß: Kurz vor dem Endpunkt
des Marsches hatten sich rund 50 Ukrainer:innen am Straßenrand
aufgestellt und ein langes Banner gegen russische Kriegsverbrechen
hochgehalten. „Keine Verhandlungen mit Terroristen“ stand auf einem
anderen.
Doch ob die Solidaritätserklärung ernst gemeint war? Zwei ältere
Ostermarschierer schlenderten jedenfalls mit erhobenem Mittelfinger an den
Ukrainer:innen vorbei. Von 2.500 Teilnehmer:innen sprachen die
Organisator:innen des Hamburger Ostermarschs zum Kundgebungsabschluss
am Fischmarkt.
Tatsächlich dürften es deutlich unter 2.000 gewesen sein, die mit durchaus
widersprüchlichen Positionen gemeinsam für den Frieden demonstrierten: Da
gab es einerseits die zwingende Forderung, Frieden mit Russland zu
schließen und Transparente, die Journalist:innen als „Kettenhunde der
Nato-USA“ bezeichneten – und andererseits Rufe, die Wladimir Putin
aufforderten, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Großteils jedoch
überwog, wie erwartet, die massive Hervorhebung der Nato als Verursacher
von Kriegsleid.
Zugleich war am Montag der traditionelle Ostermarsch nicht die einzige
Friedensveranstaltung in Hamburg – was auch die geringere
Teilnehmer:innenzahl im Vergleich zum Vorjahr erklärt: Der Riss durch
die Friedensbewegung geht auch [2][mitten durch die Linkspartei.] Sie war
seit ihrer Gründung elementarer Bestandteil der Bewegung und sieht sich
selbst seit jeher als einzig übriggebliebene relevante Friedenspartei. Eine
Friedensdemo ohne eine Fahne der Linken? Unvorstellbar.
## Linke auf beiden Demos
Doch seit Beginn des Ukrainekriegs stehen sich zwei Lager unversöhnlich
gegenüber, im Vorfeld zum diesjährigen Ostermarsch kochte parteiintern die
Debatte mal wieder hoch: Der Parteivorstand beschloss, nicht am
traditionellen Ostermarsch teilzunehmen.
Stattdessen ging er ein neues „Hamburger Bündnis gegen Militarisierung und
Krieg“ ein, etwa mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund
der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), der Hamburger
Regionalgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) und den Omas
gegen Rechts. Rund 300 Personen nahmen an dem von ihnen organisierten
„Friedensfest“ teil, das zeitgleich zum Ostermarsch stattfand.
Doch unumstritten war das parteiintern erwartungsgemäß nicht. Intern
kursierte harsche Kritik an den „Bellizisten“, die mit einem eigenen
Friedensfest die „Spaltung der Friedensbewegung“ betrieben. Und das
ausgerechnet auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz, benannt nach einem
überzeugten Pazifisten, dessen Name durch die Veranstaltung „missbraucht“
werde, wurde in Schreiben kritisiert.
Und so wehten am Montagnachmittag Linken-Fahnen auf beiden Veranstaltungen,
sprachen Bundespolitiker:innen der Linken auf beiden
Veranstaltungen: Beim Ostermarsch war das die Bundestagsabgeordnete Żaklin
Nastić, die Sahra Wagenknechts Worte wiederholte, die Grünen seien „die
gefährlichste Partei“ im Bundestag und schlimme Kriegstreiber. Beim
Friedensfest warb Daphne Weber, die im Bundesvorstand der Linken sitzt,
dafür, neue linke Antworten auf die aktuellen Fragen des Kriegs zu finden.
„Ich habe jedenfalls noch keine endgültigen Antworten parat“, sagte sie und
warb für differenzierte Debatten.
## Spaltung der Linken rückt näher
Dass beide Seiten längst keine Zukunft mehr in einer gemeinsamen Partei
haben, zeigte sich schon in den beiden Aufrufen zu den Kundgebungen: Beim
vom Hamburger Forum organisierten Ostermarsch wurde Kritik ausschließlich
an den USA und dem Westen geübt, Russland als Opfer dargestellt. Ganz
anders klang der Aufruf zum Friedensfest: Der „völkerrechtswidrige Angriff
Russlands auf die Ukraine“ habe zu hunderttausenden Toten und Verletzten
sowie Millionen Geflüchteten“ geführt.
Während sich am Montag in Hamburg schon die Spaltung der Friedensbewegung
zementierte, dürfte die Spaltung der Linken in Kürze weiter fortschreiten:
Anfang Mai soll es zu einem größeren Kongress in Hannover kommen: Unter dem
Titel „Was tun?! Die Linke in Zeiten des Krieges“ wollen innerparteiliche
Gruppen aus dem ganzen Bundesgebiet darüber beratschlagen, „welche Chancen
ein organisationspolitischer Neuanfang haben könnte“.
Teilnehmen wollen auch Linke aus Bremen, Hamburg und Niedersachsen. In
ihrem Aufruf kritisieren sie nicht nur, dass die Parteispitze [3][die
Friedensbewegung behindere] und auch zerstörerisch in den eigenen Reihen
wirke. Auch würde durch Teile der Partei „Klassenpolitik durch
Identitätspolitik verdrängt“, der „Kulturkampf“ habe den Blick nur auf …
kleines akademische Milieu verengt und die Partei gespalten.
Augenfällig hauen die Kongress-Initiator:innen damit in dieselbe
Kerbe wie Sahra Wagenknecht mit ihrer Kritik an der „woken“ Linken. Damit
zeigen sich auch sehr konkret erste parteiinterne Unterstützungsgruppen,
die bei der weiterhin ausstehenden Parteispaltung wohl mit abwandern
würden. Dass das noch in diesem Jahr geschehen wird, damit rechnen die
meisten. Für Wagenknecht wäre es rechtzeitig, um den Europa-Wahlkampf im
Mai 2024 mit einer eigenen Truppe zu bestreiten.
10 Apr 2023
## LINKS
[1] /Friedensdemo-2023/!5923173
[2] /Friedensbewegung-und-Ostermaersche/!5923326
[3] /Ostermaersche-der-Friedensbewegung/!5926900
## AUTOREN
André Zuschlag
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Ostermarsch
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Friedensbewegung
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