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# taz.de -- Friedensabkommen Kongo: Der überwachte Staat
> Am Sonntag hat halb Afrika ein regionales Friedensabkommen für den Kongo
> unterschrieben. Das erklärte Ziel: Reformen unter Aufsicht.
Bild: Kongolesen verspotten UN-Blauhelme gern als „Touristen“.
BERLIN taz | Elf afrikanische Regierungen haben am Sonntag unter der Ägide
von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon einen „Rahmenvertrag für Frieden,
Sicherheit und Zusammenarbeit für die Demokratische Republik Kongo“
unterschrieben. Kongos Präsident und seine Amtskollegen aus Ruanda,
Südafrika, Mosambik, Kongo-Brazzaville und Tansania reisten persönlich zur
Unterzeichnung am Sitz der Afrikanischen Union in der äthiopische
Hauptstadt Addis Abeba an. Uganda, Angola, Burundi, Sambia und die
Zentralafrikanische Republik schickten hochrangige Regierungsvertreter.
Das Abkommen verpflichtet die Staaten der Region zur Zusammenarbeit bei der
Lösung der Krise im Kongo und die kongolesische Regierung zu politischen
Reformen. Ban Ki-Moon lobte die Unterzeichnung und mahnte, das sei erst der
Anfang und jetzt müssten die Unterzeichnerstaaten gemeinsame Konzepte
entwickeln.
In dem ehrgeizigen Text verpflichtet sich Kongos Regierung zur Reform der
Sicherheitskräfte und zu Fortschritten bei Dezentralisierung und
Demokratisierung. Ein „nationaler Überwachungsmechanismus“ soll dies
„begleiten und anleiten“. Weiter gibt es einen „regionalen
Überwachungsmechanismus“.
Der Vertrag sollte Ende Januar unterzeichnet werden, musste aber verschoben
und überarbeitet werden. Auch jetzt sollen wichtige Unterstützer der
Kabila-Regierung Bedenken haben. Kein Wunder, denn der Vertrag spiegelt
eine Kontroverse wider: Der Versuch, dem Kongo nach den Kriegswirren 1996
bis 2003 stabile staatliche Strukturen zu geben, ist gescheitert. „Es wird
zunehmend anerkannt, dass der gegenwärtige Pfad unhaltbar ist“, steht in
der Präambel.
Zwar ist Präsident Kabila zweimal vom Volk gewählt worden, 2006 und 2011.
Doch die letzte Wahl ging mit so massiven Manipulationen einher, dass er
von weiten Teilen der politischen Klasse nicht mehr anerkannt wird. Kongo
steckt in einer tiefen Legimitätskrise. In immer mehr Regionen erhalten
bewaffnete Gruppen Auftrieb. Die Zahl der Kriegsvertriebenen liegt bei 2,6
Millionen, Tendenz steigend.
## Ethnische Selbstbestimmung
In allen Landesteilen ist eine Abkehr vom Zentralstaat zu erkennen. Milizen
in Ostkongos Kivu-Provinzen kämpfen schon seit Jahren für ethnische
Selbstbestimmung. Seit einigen Monaten aber gewinnen im ganzen Land
Politiker ohne eindeutige parteipolitische Zugehörigkeit, aber mit klarer
lokaler Verwurzelung, gegen Kabila-treue Kandidaten Gouverneurswahlen.
Jean Bamanisa in Orientale, Jacques Mbadu in Bas-Congo und Alex Kande in
Kasai-Occidental setzen ähnlich wie der erfolgreiche Moise Katumbi in der
Bergbauprovinz Katanga auf Lokalpatriotismus und ihre eigenen erheblichen
finanziellen Mittel, um ihre Provinzen unabhängig vom Zentralstaat zu
entwickeln.
Das ist gefährlich für Kabila, und es ist auffällig, dass gerade in diesen
Provinzen neue Konflikte ausbrechen. In Orientale ist die wichtigste
Fernstraße zwischen der Hauptstadt Kisangani und Uganda seit Monaten
umkämpft: Milizenführer Morgan fordert die Armee heraus und besetzt immer
wieder Städte.
In Katanga ist die Zahl der Kriegsvertriebenen seit Anfang 2012 von 55.000
auf fast eine halbe Million gestiegen. Kämpfer des Milizenführers Gédéon
sowie die Gruppierung Bakata Katanga, die eine Abspaltung der Provinz
fordert, schlagen inzwischen sogar im Herzen des Kupfergürtels im Süden zu.
Am vergangenen Wochenende verübten Bewaffnete Anschläge nur eine Autostunde
außerhalb der Provinzhauptstadt Lubumbashi.
Beobachter mutmaßen, diese Milizen seien von der Zentralregierung
gesteuert, um den Provinzgouverneur zu schwächen. Im Kernland der Milizen
war November 2011 die Wahlfälschung zugunsten Kabilas am größten. Ihr
Führer Gédéon konnte kurz vor der Wahl auf mysteriöse Weise mit Hunderten
Anhängern aus der Haft verschwinden. Auch andere Warlords im Kongo schaffen
es immer wieder, sich erst verhaften zu lassen und dann plötzlich wieder
Krieg zu führen, reicher und stärker als zuvor.
Der Verdacht, dass korrupte Elemente im Zentralstaat bewaffnete Gegner
aufbauen, um daraus einen Bedarf für höhere Militärausgaben abzuleiten und
diese dann in die eigene Tasche zu stecken, ist im Kongo verbreitet. Er
dient als Erklärung für die Niederlagen der Armee gegen die M23-Rebellen im
Osten.
Dass Kongos Zentralstaat das Land zu destabilisieren scheint, nährt auch
Skepsis gegenüber dem „nationalen Dialog“, den Kabila in seiner
Neujahrsansprache 2013 ankündigte und der jetzt die Vereinbarung von Addis
Abeba konkretisieren soll. Viele Parteien verlangen, Dialog müsse unter
ausländischer Vermittlung stattfinden. Und immer mehr Kräfte sehen die
Zukunft des Landes in einer Föderalisierung.
Anmerkung der Redaktion: Der erste Absatz des Textes wurde nach der
Unterzeichnung des Abkommens aktualisiert.
24 Feb 2013
## AUTOREN
Dominic Johnson
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