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# taz.de -- 50 Jahre Afrikanische Union: Wieder ein Klub für Diktatoren
> Die Afrikanische Union feiert 50 Jahre Einheitsstreben. Hinter
> vorausschauender Rhetorik verbirgt sich zunehmend rückständige Politik.
Bild: Nkosazana Dlamini-Zuma, Kommissionsvorsitzende der AU am Samstag in Addis…
Als die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) am Samstag
in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba zum „Africa Day“ zusammentrafen,
hatten sie viel zu feiern. Genau vor 50 Jahren entstand in Addis Abeba die
Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) als Bund der
Unabhängigkeitsführer Afrikas.
In der glitzernden neuen AU-Zentrale von Addis Abeba, erbaut von den
Chinesen, werden ihre Nachfolger jetzt auf einem Sondergipfel das Anbrechen
eines hoffentlich besseren Zeitalters für Afrika bejubeln: eines Zeitalters
des Aufbaus, der Stabilisierung, des Aufrückens in den Rang der Großmächte,
der Verwirklichung der Einheitsträume. „Agenda 2063“ heißt das Konzept –
„ein integriertes, wohlhabendes und friedliches Afrika, von seinen eigenen
Bürgern vorangetrieben, eine dynamische Kraft auf der globalen Bühne“, wie
es AU-Kommissionspräsidentin Nkosazana Dlamini-Zuma am Dienstag in einer
Rede ausdrückte.
Schon als die OAU am 25. Mai 1963 entstand, war sie ein Kompromiss: der in
eine Charta gegossene Abschied von der Vision eines geeinten revolutionären
Afrika als Überwindung der kolonialen Aufteilung des Kontinents.
Unantastbarkeit der kolonialen Grenzen, strikte gegenseitige
Nichteinmischung – das waren die Gründungsprinzipien der Organisation. Sie
stand fortan für Bewahrung statt Veränderung, wurde als Club der Diktatoren
verspottet und erwies sich bei jeder Krise in Afrika als ineffektiv. Gerade
deshalb wurde die OAU ja 2002 von der AU abgelöst.
Die AU sollte alles werden, was die OAU nie war: ein Motor des
Fortschritts, ein Antreiber zur Überwindung der nationalen Souveränität,
ein Intervenierer gegen Diktatoren und Verbrecher. Ihr erster
Kommissionspräsident stand glaubhaft dafür: Alpha Oumar Konaré, Held der
Demokratisierung von Mali und ein mutiger Veteran der Politik, dessen
Lebensleistung es ihm erlaubte, deutliche Kritik an Missständen zu üben.
Die AU setzte sich ehrgeizige Ziele und forderte träge Regierungen heraus.
## Machtmittel für Präsidenten
Aber unmerklich hat sich der frische Wind verflüchtigt. Zwar gilt die
Abkehr von den Gründungsprinzipien der OAU weiter. Koloniale Grenzen sind
nicht mehr unantastbar, wie die Entstehung Südsudans 2011 zeigt, und noch
nie waren so viele afrikanische Eingreiftruppen in Afrika unterwegs wie
heute. Aber eingegriffen wird nicht etwa gegen Diktatoren, die Wahlen
fälschen oder Menschen umbringen. Die AU dient jetzt wie in alten Zeiten
als Machtmittel für Präsidenten, die sich gegenseitig stützen.
Das deutete sich bereits 2004 an, als die erste AU-Friedenstruppe entstand:
in Sudans Unruheregion Darfur, auf Drängen des sudanesischen
Gewaltherrschers Bashir als Gegengewicht zur UNO. AU-Truppen haben in
Somalia mit ihrem Krieg gegen Islamisten jahrelang einen Präsidenten
gestützt, der als extrem korrupt galt; erst seit seiner Ablösung kommt das
Land voran.
Ein bleibendes Erbe der Ära Konaré ist der Grundsatz, dass Putschisten
automatisch aus der AU ausgeschlossen werden. Das sollte junge
Mehrparteiendemokratien schützen. Aber in der Praxis sind die meisten
Putsche in Afrika heute Notbremsen gegen Autokraten, die nicht zu Lebzeiten
aus dem Amt scheiden wollen. Nach dem AU-Prinzip wären die
Revolutionsregierungen von Tunesien, Ägypten und Libyen illegitim, die
Diktatoren Ben Ali, Mubarak und Gaddafi aber in Ordnung. Im Libyenkrieg
nahm die AU Partei für den Diktator – allerdings auch weil Gaddafi ihr
Hauptfinanzier war.
## Keine Augenhöhe
Auf den Malier Konaré war 2008 als AU-Kommissionpräsident der blasse Jean
Ping aus Gabun gefolgt, der 2012 in einer Kampfabstimmung von der
Südafrikanerin Nkosazana Dlamini-Zuma verdrängt wurde. Konaré stand als
ehemaliger Staatspräsident noch auf Augenhöhe mit Afrikas Staatschefs. Ping
und Dlamini-Zuma waren beide Außenminister gewesen, also rangniedriger. Das
ist im hierarchiebedachten offiziellen Afrika entscheidend und macht die AU
mundtot gegenüber Diktatoren, ohne dass darüber ein Beschluss fallen muss.
Dass Dlamini-Zuma noch dazu die Exfrau des südafrikanischen Präsidenten
ist, macht die Hackordnung unter Afrikas „Big Men“ noch klarer.
Aufständische und Rebellen gelten heute in Afrika gerade unter jenen
Machthabern, die selbst einmal mit der Waffe an die Macht kamen, als
auszumerzende Störenfriede, egal wogegen sie sich erheben. Dafür hilft man
sich gegenseitig, mit dem Segen der AU oder zumindest einer
Regionalorganisation. So holte Ende 2012 in der Zentralafrikanischen
Republik Präsident François Bozizé Truppen aus Südafrika, als Rebellen die
Hauptstadt Bangui belagerten.
Die Intervention scheiterte grandios, die Rebellen siegten, und Südafrika
erlitt seine schwersten Verluste bei einem Auslandseinsatz seit den Kriegen
des Apartheidregimes. Eine womöglich noch verheerendere Aktion steht in der
Demokratischen Republik Kongo bevor, wo Eingreiftruppen aus Südafrika,
Tansania und Malawi im Osten des Landes gegen Rebellen in den Krieg ziehen
sollen – unter Missachtung eines laufenden Friedensprozesses und ohne
Kenntnis des Terrains und der Akteure.
## Verstärker für autoritäre Außenpolitik
Das Einzige, was diesen Trend aufhalten kann, ist der Geldmangel, der noch
jede Initiative der AU oder afrikanischer Regionalorganisationen zu Fall
gebracht hat. Da kein Herrscher Souveränität abgeben will, bleibt die
Organisation chronisch klamm, eine Hülse zur Produktion von Worthülsen,
hinter der Realpolitik im Stillen betrieben wird.
Seit dem Tode Gaddafis ist Südafrika in der Formulierung panafrikanischer
Politik dominant und nutzt die AU als Bühne und Verstärker für eine
autoritäre Außenpolitik. Aus dem Schulterschluss der Befreiungsbewegungen
wird ein Schulterschluss der Präsidenten. Die Sprache der internationalen
Solidarität wird missbraucht, um Kritik als ungehörig abzutun.
Vom Jubelgipfel in Addis Abeba sind afrikanische zivilgesellschaftliche
Gruppen ausgeladen, zum ersten Mal seit Bestehen der Afrikanischen Union.
Die Begründung, vorgetragen von Kommissionspräsidentin Dlamini-Zuma: Sie
hätten nichts zu sagen, also sei ihre Anwesenheit nicht erforderlich.
26 May 2013
## AUTOREN
Dominic Johnson
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