# taz.de -- Folgeprobleme der Elbvertiefung: Auf Sand gebaut | |
> Die vertiefte Elbfahrrinne ist nach 20 Jahren frei für den | |
> Schiffsverkehr. Doch niemand will den Schlick, der beim ständigen | |
> Freibaggern anfällt. | |
Bild: Stets was zu tun: Ein Bagger holt Sediment aus einem Hamburger Hafenbecken | |
HAMBURG taz | Diesen Augenblick haben Vertreter der Hamburger Wirtschaft | |
und Politik zwei Jahrzehnte lang herbeigesehnt: Mit der „CMA CGM Jacques | |
Saadé“ hat am Montag das erste Schiff die [1][frisch vertiefte Fahrrinne | |
der Elbe] ausgenutzt. | |
Doch die Freude über die Durchfahrt des [2][400 Meter langen | |
Containerfrachters der Megamax-Klasse] könnte von kurzer Dauer sein, warnt | |
das [3][Bündnis „Lebendige Tideelbe“]. Es bezeichnete die Teil-Freigabe der | |
Elbvertiefung als „verkappten Verzweiflungsakt, der gesichtswahrend als | |
Erfolg gefeiert wird“. | |
Der Grund dafür ist das Versanden des Hafens. Die wiederholten | |
Elbvertiefungen haben dazu geführt, dass immer mehr Sand und Schlick in den | |
Hafen gespült wird. Dieses [4][Sediment muss ausgebaggert und möglichst | |
weit weggebracht werden], sodass es nicht einfach wieder zurückschwappt. | |
Doch Hamburg geht der Platz aus und die Nachbarbundesländer haben keine | |
Lust, sich schadstoffbelastetes Baggergut vor ihre Küste kippen zu lassen, | |
wie die schwarz-rote niedersächsische Landesregierung in einer Antwort an | |
die Grünen deutlich gemacht hat. Die Grünen bezeichneten entsprechende | |
Pläne als „illegal“. | |
## Unterwasserdeponie fast voll | |
Hamburg hat, abgesehen von einem Teil, der an Land entsorgt wird, zuletzt | |
jeweils die Hälfte seines Baggerguts knapp unterhalb der Stadt bei Neßsand | |
in die Elbe gekippt oder an der „Tonne E3“ bei Helgoland. Doch das | |
Unterwasserloch bei Helgoland ist bald gefüllt, sodass der Hamburger Senat | |
erwägt, den Schlick bei der Mini-Insel Scharhörn vor der Elbmündung zu | |
versenken. | |
Praktisch: Scharhörn gehört den Hamburgern. Mit genügend Kaltschnäuzigkeit | |
könnte der Senat versuchen, den Hafenschlick dort als Notfallmaßnahme | |
einfach zu versenken. Doch in einem so dynamischen Naturraum wie der | |
Elbmündung und dem Wattenmeer ließe sich die Fiktion einer isolierten | |
Maßnahme wohl nur schwer aufrecht erhalten. | |
Niedersachsen, das hat Umweltminister Olaf Lies (SPD) wiederholt deutlich | |
gemacht, lehnt das Vorhaben komplett ab, „da Schäden für das Ökosystem im | |
Bereich der Elbmündung zu befürchten sind“. Eine Schlickdeponie bei | |
Scharhörn wäre nach Einschätzung der Niedersachsen nicht stabil. Feines | |
Sediment mit darin festhängenden Giften könnte an die Küsten gespült | |
werden. „Das ist nicht akzeptabel“, stellte das Umweltministerium fest. | |
Noch nicht ganz verschließen will sich die niedersächsische Landesregierung | |
der Idee, den Neuen Lüchtergrund vor Cuxhaven zum Verklappen des | |
Hafenschlicks zu nutzen. Mehr als acht Millionen Kubikmeter Baggergut aus | |
seinem Elbabschnitt von der Hamburger Landesgrenze bis zur Nordsee darf der | |
Bund dort verklappen, pro Jahr. | |
Die Stadt verhandelt darüber mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt | |
des Bundes. Das Land Niedersachsen macht seine Zustimmung davon abhängig, | |
wie eine neu zu erstellende „Auswirkungsprognose“ ausfallen wird. Sprich: | |
Mit wie viel Gift ist zu rechnen und wo wird es landen? | |
Die Grünen berufen sich auf eine erste Auswirkungsprognose der | |
Bundesanstalt für Gewässerkunde aus dem Jahr 2017. Demnach überschreiten | |
die Schadstoffgehalte an DDT und Hexachlorbenzol aus den Hamburger | |
Sedimenten die Grenzwerte der „Gemeinsamen Übergangsbestimmungen zum Umgang | |
mit Baggergut in Küstengewässern“ um das Zwei- bis Dreifache. Damit falle | |
eine Verklappung unter das Verschlechterungsverbot der | |
Wasserrahmenrichtlinie. | |
„Auch die Nordsee ist keine Müllkippe“, sagt Tanja Schlampp, ehemals | |
Mitstreiterin der [5][Bürgerinitiative „Rettet das Cuxwatt!“] und | |
Betreiberin der Website [6][Wattenmeerschutz]. Schon durch die seit 2007 | |
laufenden Verklappungen habe sich das Cuxhavener Sandwatt stark verändert. | |
Das Wasser sei viel brauner geworden. Im Sandwatt breiteten sich | |
Schlickfelder aus. Wegen der großen Mengen, die eingetragen würden, könne | |
sich das Ökosystem nicht erholen. „Alle reden vom Artensterben“, sagt | |
Schlampp, „und wir machen das gerade.“ | |
Die Schlickentsorgung aus der Zufahrt zum Hamburger Hafen sei für die | |
Region um Cuxhaven immer schon ein Ärgernis gewesen, sagt die örtliche | |
Landtagsabgeordnete Eva Viehoff von den Grünen. Wenn das zu verklappende | |
Baggergut nun auch noch giftig sei, werde das Problem weiter verschärft. | |
Viehoff fordert eine grundsätzliche, gemeinsame Lösung. „Dass jedes Schiff, | |
das es gibt, den Hamburger Hafen anlaufen können muss, ist die falsche | |
Strategie“, findet sie. Hamburg sollte sich für eine Hafenkooperation | |
interessieren, sonst mache irgendwann Rotterdam das Rennen. | |
Um seines Problems Herr zu werden, erwägt der Hamburger Senat die | |
Verklappung seines Hafenschlicks jenseits von Helgoland in Deutschlands | |
ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ). Dafür müsste eine | |
Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden. Ein entsprechender Antrag | |
wurde beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie aber noch nicht | |
gestellt. | |
4 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Hafenwirtschaft-schlaegt-Umwelt/!5686600 | |
[2] https://www.hamburg.de/schiffe/14596562/jacques-saade/ | |
[3] https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/tideelbe/lebendige-tidee… | |
[4] /Ausbaggern-der-Elbe/!5481445 | |
[5] https://www.wattenrat.de/2020/09/08/baggergutverklappung-im-watt-newsletter… | |
[6] https://www.wattenmeer-schutz.de/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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