# taz.de -- Folgen der Ausschreitungen in Biberach: Grüne wählen 110 | |
> Zunehmend radikale Proteste bereiten den Grünen Probleme. Die Absage | |
> ihres Politischen Aschermittwochs macht sie nun zum Thema im Stuttgarter | |
> Landtag. | |
Bild: Bedrohliche Kulisse: Proteste vor der Stadthalle Biberach am Mittwoch | |
BERLIN/JENA taz | Am Tag danach wirkt Robert Habeck ratlos. „Immer wenn die | |
Bauern demonstrieren, versuche ich Räume für Gespräche zu schaffen“, sagt | |
der grüne Vizekanzler am Donnerstag am Rande eines Unternehmensbesuchs in | |
Thüringen. „Ich persönlich habe etliche Gesprächsrunden gemacht.“ Aber d… | |
Szenen vom Mittwoch, als aggressive Demonstrant*innen eine | |
Veranstaltung der Grünen im baden-württembergischen Biberach gesprengt | |
haben? „Das war ein Protest, der ausdrücklich das Gesprächsangebot nicht | |
gewollt hat. Er diskreditiert sich selbst.“ | |
Auf Protestierende zugehen, ihre Anliegen anhören und so den Druck aus dem | |
Kessel nehmen: Auf diese Taktik können sich die Grünen nicht mehr | |
verlassen. Störaktionen von Teilen der Bauernschaft und rechten | |
Aktivist*innen werden für die Partei zunehmend zum Problem. | |
Offensichtlich wurde das bereits im Januar, als Habeck selbst wegen eines | |
aufgebrachten Mobs eine Fähre nicht verlassen konnte. Nun folgte [1][die | |
Absage des Politischen Aschermittwochs in Biberach, zu der Parteiprominenz | |
angekündigt war]. Am Mittwochabend musste zudem in Schorndorf bei Stuttgart | |
Parteichefin Ricarda Lang von Sicherheitskräften gegen Störer abgeschirmt | |
werden. | |
Nach den Szenen in Biberach müsse sich die Polizei kritische Fragen | |
gefallen lassen, [2][sagte schon am Mittwoch Grünen-Urgestein Jürgen | |
Trittin der taz]. Dazu kommt es jetzt im baden-württembergischen Landtag: | |
Die Grünen-Fraktion hat beantragt, das Thema am Mittwoch auf die | |
Tagesordnung des Innenausschusses zu setzen. | |
In einem Brief an den Ausschuss-Vorsitzenden formuliert Fraktionsvize | |
Oliver Hildenbrand zehn Fragen an das Innenministerium. Unter anderem: | |
Welche Erkenntnisse hatten die Sicherheitsbehörden vorab über die | |
Mobilisierung? Wie schätzte die Polizei die Gefährdungslage ein? Und was | |
weiß der Verfassungsschutz über Beteiligte aus dem | |
„verfassungsschutzrelevanten Spektrum“? | |
## Schatten auf den kommenden Wahlkämpfen | |
Andere Fragen stellen sich der Partei selbst: Sind die Grünen gezwungen, | |
die eigenen Sicherheitskonzepte zu verändern – auch mit Blick auf die | |
dieses Jahr anstehenden Wahlkämpfe zu EU-Parlament, Landtagen und | |
Kommunalgremien? | |
Schon der Bundestagswahlkampf 2021, bei dem die Grünen erstmals mit einer | |
Kanzlerkandidatin antraten, stellte die Partei wegen nie dagewesener | |
Sicherheitsvorkehrungen vor Herausforderungen. Wie sie mit der weiter | |
verschärften Bedrohungslage umgehen werden, wollten am Donnerstag weder der | |
Landes- noch der Bundesverband kommentieren. | |
Nur eingeschränkte Unterstützung erhalten die Grünen derweil von der | |
politischen Konkurrenz. CDU-Chef Friedrich Merz sagte bei einer | |
Aschermittwochs-Veranstaltung in Thüringen zwar, Parteiveranstaltungen | |
„müssen stattfinden können“. Gleichzeitig gab er aber den Grünen selbst | |
eine Mitschuld. Er müsse auch an ihre Adresse sagen: „Wenn ihr mit den | |
Landwirten umgeht, wie ihr das in den vergangenen Monaten gemacht habt, | |
dürft ihr euch über die anhaltenden Proteste nicht wundern.“ | |
Eindeutiger klingt da die Solidaritätsadresse des Landesbauernverbands | |
Baden-Württemberg. „Die Auswüchse in Biberach haben der Sache der | |
Landwirtschaft enorm geschadet“, teilte der stellvertretender | |
Hauptgeschäftsführer Horst Wenk der taz mit. Er distanzierte sich von | |
Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt. „Wir wollen ja die Bevölkerung und | |
die Politik überzeugen mit unseren Argumenten und nicht verprellen.“ Seine | |
Organisation, bei der die meisten Landwirte Mitglied sind, habe zu keiner | |
Demonstration am Aschermittwoch in Biberach aufgerufen. | |
## Nicht nur Landwirte | |
Der zweite große und oft radikaler auftretende Agrarverband „Land schafft | |
Verbindung Baden-Württemberg“ ließ Bitten der taz um eine Stellungnahme bis | |
Redaktionsschluss unbeantwortet. Die ökologisch orientierte | |
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte die | |
Ausschreitungen. Ihr Geschäftsführer in Baden-Württemberg, Wolfgang Hees, | |
ergänzte jedoch: „Das sind ja keine reinen Bauernproteste mehr. Wir wissen | |
nicht, wer da verantwortlich war.“ | |
Ein Augenzeuge berichtete der taz, dass vor der Stadthalle, wo die | |
Ausschreitungen stattfanden, weniger Landwirte mit eigenem Betrieb gewesen | |
seien, sondern eher Lohnunternehmer, die für die Landwirtschaft Arbeiten | |
mit Maschinen wie Traktoren oder Mähdreschern erledigen. „Darunter mischte | |
sich dann halt noch allerlei Handwerk, Logistiker, eher einfache Gemüter, | |
die ihren Frust auf die Ampel und die Politik allgemein loswerden wollten.“ | |
Er habe zudem ein paar Leute mit AfD-Mützen und „Wutbürger“ gesehen. „Da | |
waren auch ein paar adrett gekleidete Damen, eher bürgerlich aussehend, die | |
aber im nächsten Moment schreien: ‚Fotze‘. Oder Leute, die offenbar für e… | |
Lohnunternehmen arbeiten und die schwadronieren, dass man mal dem Özdemir | |
und den Grünen so richtig in die Fresse hauen möchte. Dann nehmen sie halt | |
den Schlüsselbund zwischen die Finger und stellen sich vor, dass man das | |
jetzt so dem ins Gesicht hauen möchte.“ | |
15 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Jost Maurin | |
Sabine am Orde | |
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