Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flüchtlinge im Südsudan: Opfer des ethnischen Hasses
> Der Präsident ein Dinka, sein Vize ein Nuer. Weil sie streiten, töten
> sich die Volksgruppen nun gegenseitig. Besuch in einem gespaltenen Land.
Bild: UN-Lager in Juba.
JUBA taz | Ein Kind macht einen Haufen neben dem Feuer, auf dem seine
Mutter Bohnen kocht. Frauen stehen Schlange am Wasserhahn während im
Schatten der wenigen Bäume Männer miteinander reden. Die UN-Basis Tonping
in Südsudans Hauptstadt Juba ist ein Flüchtlingslager geworden.
„Ich bin nicht nur ein Flüchtling sondern auch ein Gefangener“, sagt Duop,
ein Soziologe, der im Lager lebt. „Ich kann nicht raus, sonst tötet mich
die Regierungsarmee. Die haben ja eine Kaserne hier nebenan.“
Duop gehört zur Volksgruppe der Nuer und musste sein Haus verlassen, als
Mitte Dezember der Machtkampf zwischen Südsudans Präsident Salva Kiir,
einem Dinka, und dem ehemaligen Vizepräsident Riek Machar, einem Nuer, in
Gewalt zwischen widerstreitenden Armeeeinheiten eskalierte. In Juba gingen
Dinka-Soldaten von Tür zu Tür auf der Suche nach Nuer. Hunderte sollen
getötet worden sein, auch Duops Mutter und Schwester wurden erschossen.
Mehr als 17.000 Menschen flohen auf die UN-Basis am Rand des
internationalen Flughafens von Juba.
200 Kilometer südlich, in Nimule an der Grenze zu Uganda, sitzt die
17-jährige Dorcas im Schatten einer Schulmauer. Auf einer Matte neben ihr
schläft ihre Mutter. Ihre ältere Schwester spielt mit ihren zwei Kindern.
Die Frauen sind aus Bor geflohen, eine Stadt nördlich von Juba, die bei den
Kämpfen komplett verwüstet wurde. In Bor leben überwiegend Dinka. Zwei
Tagen nach dem Blutbad in Juba hatten Nuer-Rebellen Bor angegriffen und für
ihre Toten in der Hauptstadt blutige Rache geübt. Inzwischen ist Bor wieder
unter Regierungskontrolle.
„Mein Vater war Soldat und wurde getötet“, erzählt Dorcas. „Auch meine
jüngere Schwester überlebte nicht. Warum töten Nuer und Dinka einander? Wir
haben keinen Streit, es sind doch nur Kiir und Machar.“
## Konflikte zwischen Rebellenführern
Südsudans neuer Krieg ist eine Wiederholung der Geschichte. Schon 1991,
während des Befreiungskrieges gegen Sudan, stritt Riek Machar sich mit der
Dinka-Führung der SPLA-Guerilla (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung)
unter dem mittlerweile verstorbenen John Garang. Der damals junge Machar
beschuldigte Garang, ein diktatorischer Führer zu sein. Seine Milizen
massakrierten in Bor zahlreiche Dinka.
Vor dem Friedensabkommen zwischen der SPLA und Sudans Regierung von 2005,
das Südsudan die Unabhängigkeit brachte, hatte sich Machar mit Garang
versöhnt. Aber jetzt leidet Südsudan erneut unter einem Krieg zwischen
ehemaligen Rebellenführern, die ihre Konflikte mit Waffengewalt lösen
wollen.
Der Grund für den Machtkampf: Kiir fühlt sich bedroht. 2015 stehen Wahlen
an. Der Führer der Regierungspartei SPLM, dem politischen Flügel der SPLA,
wird quasi automatisch Präsident. Machar würde Salva Kiir gerne diesen Job
streitig machen.
„Die einzige Lösung für die Krise ist, dass Kiir und Machar verschwinden
und eine Regierung von Technokraten gebildet wird“, meint Peter Adwok
Nyaba. Der 69-Jährige hat sein halbes Leben in der SPLM verbracht, aber
seinen kritischen Geist bewahrt. Bis zur Entlassung der Regierung war er
Minister für Höhere Bildung. In Dezember wurde er mit elf anderen
Politikern verhaftet. Der Verdacht: Machar zu unterstützen und einen Putsch
vorzubereiten. Adwok ist wieder auf freiem Fuß, steht aber steht unter
Hausarrest und sein Pass wurde ihm abgenommen.
Adwoks Haus in Juba liegt in einem Viertel, in dem viele Armeeoffiziere
wohnen. Als im Dezember mitten in Juba die Kämpfe tobten, versteckte er
sich mit seiner Familie unter den Betten. Die Dinka- und Nuer- Soldaten
beschossen sich mit Panzern und Flugabwehrgeschützen.
Der Politiker findet, dass die ganze Armee von der UNO entwaffnet gehört.
„Die Streitkräfte sind ein Flickenteppich von Milizen. Wer nach der
Unabhängigkeit 2011 nicht den gewünschten Posten bekam, schickte Milizen
los. Präsident Kiir belohnte sie dann für Waffenruhe mit Posten. Wir
brauchen Streitkräfte, die eine Einheit sind, keine Ansammlung von
Milizen.“
Kiir selbst holte voriges Jahr Tausende junge Männer aus seiner
Heimatregion Warrap nach Juba, als parallele Präsidialgarde. Die
Militärführung war dagegen, der Präsident setzte sich durch. Es waren die
beiden Garden, die jetzt die Kämpfe begannen.
## Es geht ums Geld
Alfred Taban, Eigentümer und Chefredakteur der Zeitung Juba Monitor,
glaubt, dass Kiirs Berater den Gewaltausbruch schon lange geplant hatten.
„Beide Seiten haben in den letzten Jahren massiv geklaut, sowohl von
unseren Öleinnahmen als auch von den internationalen Entwicklungsgeldern.
Wer die Macht hat, hat Zugang zum Geld. Darum dreht sich alles.“
Als Südsudan 2011 unabhängig wurde, herrschte Freude und Optimismus.
Jahrzehnte von Krieg waren endlich vorbei, der Aufbau konnte losgehen.
Jetzt herrscht Angst und Misstrauen. Die Städte Bor, Malakal und Bentiu
sind zerstört. Das Gift des ethnischen Hasses hat das Land rasend schnell
überflutet. Aber die ethnische Spaltung ist nicht so scharf, wie viele in
der Bevölkerung das erfahren. An der Seite von Kiir stehen auch Nuer, bei
seinen Gegnern gibt es auch Dinka – darunter die Witwe von John Garang.
Aber Opfer von Gewalt und Vertreibung sehen die Situation wenig nuanciert.
„Kiir hat einen ethnischen Konflikt daraus gemacht“, meint der Nuer-Student
Biel im UN-Lager in Juba. „Er versuchte Machar zu töten, wie Tausende von
anderen Nuer. Machar bleibt nichts anderes übrig, als eine Rebellion zu
führen. Die Dinka müssen lernen, die Macht zu teilen.“
Der Dinka Bul in Nimule wiederum kämpft mit den Tränen, als er erzählt, wie
er in seinem abgebrannten Haus in Bor die verkohlten Reste seiner Familie
fand. „Warum haben die Nuer mir meinen Vater weggenommen? Ohne ihn habe ich
keine Zukunft.“
30 Jan 2014
## AUTOREN
Ilona Eveleens
## TAGS
Südsudan
Bürgerkrieg
Nuer
Dinka
UN
Südsudan
Südsudan
John Kerry
Südsudan
Südsudan
Südsudan
Afrika
Südsudan
SPLA
Südsudan
Südsudan
Südsudan
Südsudan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Gewalt droht im Südsudan: Trockenzeit ist Kampfeszeit
Der Bürgerkrieg ist aufgrund schlechten Wetters zum Stillstand gekommen.
Jetzt endet die Regenzeit und man rüstet sich zur nächsten Runde.
Waffenstillstand im Südsudan: Ein erster Schritt zum Frieden
Nach fünf Monaten Bürgerkrieg unterzeichnen Präsident Kiir und Rebellenchef
Machar eine erste Friedensvereinbarung. Doch es bleiben viele
Stolpersteine.
Nach dem Massaker im Südsudan: Leichenberg und Sonnenschein
Pünktlich zur Eskalation im Südsudan kommt US-Außenminister Kerry zum
Friedensverhandlungsort Äthiopien.
Gewaltexzesse im Südsudan: Massaker in Moschee
200 Menschen sollen in der vergangenen Woche im Südsudan getötet und
weitere 400 verletzt worden sein. Übers Radio liefen Aufrufe zu
Vergewaltigungen.
Angriff auf UN-Stützpunkt im Südsudan: Unbewaffnete Zivilisten getötet
Bewaffnete greifen einen UN-Komplex an, in dem Zivilisten Zuflucht vor der
Gewalt im Land suchten. Dabei werden mindestens 58 Menschen getötet und
über 100 verletzt.
Bürgerkrieg im Südsudan: Der Kampf ums Öl geht weiter
Im ölreichen Norden des Südsudans sind schwere Kämpfe zwischen
Regierungstruppen und Rebellen entbrannt. Im Januar war eine Waffenruhe
ausgehandelt worden.
Militärisches Engagement in Afrika: Deutsche in Mali erwünscht
In Berlin werben Malis Friedensminister Diarrah und der SPD-Politiker
Rainer Arnold für ein militärisches Engagement Deutschlands in Westafrika.
Bürgerkrieg im Südsudan: Am Nil sollen die Waffen schweigen
Die Kriegsparteien unterzeichnen zwei Abkommen zum Abschluss ihrer
Verhandlungen in Addis Abeba. Politische Gefangene kommen nicht frei.
Krieg im Südsudan: Regierungsarmee erobert Bor
Mit Hilfe ugandischer Verbände machen die Truppen von Präsident Kiir
Geländegewinne. Möglicherweise gab es Hunderte Tote bei der Schlacht um
Bor.
Bürgerkriege in Afrika: Rebellen fördern ist out
Niemals zuvor gab es so viele Gipfeltreffen. Afrika hat ein Mittel
gefunden, mit Bürgerkriegen fertigzuwerden. Vorbild ist Ugandas Präsident
Museveni.
Bürgerkrieg im Südsudan: Hunderte Flüchtlinge ertrunken
Eine Fähre voller Bewohner, die vor schweren Kämpfen um die nördliche Stadt
Malakal fliehen, kentert im Nil. Die Zahl der Flüchtlinge hat sich in einer
Woche fast verdoppelt.
Krieg im Südsudan: Ugandas Armee greift ein
Während Uganda in den Bürgerkrieg eingreift, fliehen Südsudanesen nach
Uganda. Am Grenzposten Nimule sammeln sich die Flüchtlinge.
Debatte UN im Südsudan: Schutz und Vernichtung
Der neue Bürgerkrieg mit seinen Massenfluchtbewegungen und Massakern
markiert ein eklatantes Versagen der Vereinten Nationen
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.