| # taz.de -- Bürgerkrieg im Südsudan: Am Nil sollen die Waffen schweigen | |
| > Die Kriegsparteien unterzeichnen zwei Abkommen zum Abschluss ihrer | |
| > Verhandlungen in Addis Abeba. Politische Gefangene kommen nicht frei. | |
| Bild: Delegationsleiter reichen sich die Hände: Nhial Deng Nhial (Regierung, l… | |
| BERLIN taz | Nach fast sechs Wochen Krieg, der Schätzungen zufolge 10.000 | |
| Tote und über eine halbe Million Flüchtlinge gefordert hat, haben Regierung | |
| und Rebellen Südsudans eine erste Friedensvereinbarung erzielt. Zum | |
| Abschluss von Verhandlungen, die unter Ägide der Regionalorganisation IGAD | |
| (Regierungsbehörde für Entwicklung) in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba | |
| stattgefunden hatten, unterzeichneten hochrangige Vertreter beider Seiten | |
| am Donnerstag abend ein Waffenstillstandsabkommen sowie ein Abkommen über | |
| den Status politischer Gefangener. Der Waffenstillstand soll am Freitag | |
| abend um 18 Uhr 30 in Kraft treten. | |
| Im Südsudan herrscht Bürgerkrieg, seit sich die Regierungspartei SPLM | |
| (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) am 15. Dezember faktisch spaltete | |
| und der ehemalige Vizepräsident Riek Machar mit Teilen der Armee in den | |
| Aufstand trat. Die Rebellen kontrollierten zeitweise mehrere | |
| Provinzhauptstädte und drohten mit dem Marsch auf die Hauptstadt Juba. | |
| Dort brachten regierungstreue Sicherheitskräfte des Präsidenten Salva Kiir | |
| zu Beginn der Auseinandersetzungen mehrere hundert Menschen von Machars | |
| Volksgruppe der Nuer um, was Nuer-Soldaten der Armee landesweit dazu bewog, | |
| sich den Rebellen anzuschließen und wiederum Dinka anzugreifen. Das genaue | |
| Ausmaß der wechselseitigen Pogrome, Vertreibungen und Massaker ist nicht | |
| bekannt, da auch die UN-Mission im Südsudan (UNMISS) machtlos gegen den | |
| Bürgerkrieg war. | |
| ## Schluss mit Gewalt, Folter und Vertreibung | |
| Im Abkommen vom Donnerstag wird der Krieg nun eingefroren, damit politische | |
| Gespräche beginnen können. Beide Seiten verpflichten sich, alle | |
| Militäroperationen unverzüglich einzustellen und ihre Streitkräfte an den | |
| gegenwärtigen Standorten zu belassen. Sie werden alle Aktionen unterlassen, | |
| die den Friedensprozess untergraben könnten, einschließlich | |
| Truppenverstärkung und Aufrüstung. | |
| Unterlassen werden auch „Gewaltakte, einschließlich summarische | |
| Hinrichtungen, Vertreibung von Bevölkerungen, alle Arten der Folter, | |
| Zerstörung von Eigentum, Angriffe auf zivile Flugzeuge, Fahrzeuge oder | |
| Boote, Rekrutierung von Kindersoldaten“ - eine Auflistung, die eine Ahnung | |
| davon gibt, wie dieser Krieg geführt worden ist. „Feindliche Propaganda“ | |
| soll aufhören, humanitäre Korridore zur Versorgung von Flüchtlingen | |
| geöffnet und Bewegungsfreiheit garantiert werden. All das wird von einer | |
| noch zu bestimmenden ausländischen Beobachtermission überwacht. | |
| Die Kriegsparteien werden außerdem sicherstellen, dass mit ihnen verbündete | |
| Kräfte sich daran halten und „bewaffnete Gruppen und verbündete | |
| Streitkräfte umgruppieren und/oder allählich zurückziehen“. Dies zielt in | |
| erster Linie auf die Armee Ugandas, deren Eingreifen auf Seiten der | |
| südsudanesischen Regierung entscheidend dazu beigetragen hat, dass die | |
| Rebellen in die Defensive gedrängt wurden. | |
| Sie haben mittlerweile alle drei von ihnen zeitweise gehaltenen | |
| Provinzhauptstädte - Bentiu, Bor und Malakal - an die gemeinsam kämpfenden | |
| südsudanesischen und ugandischen Regierungstruppen verloren. Unbestätigten | |
| Berichten zufolge haben die ugandischen Streitkräfte dabei selbst hohe | |
| Verluste erlitten. | |
| ## Freilassung politischer Gefangener gestrichen | |
| ## | |
| Dieser militärische Durchbruch der Regierungsseite war wohl der Schlüssel | |
| zu diesem Abkommen und vor allem dazu, dass sich die Rebellen mit einer | |
| zentralen Forderung nicht durchsetzen können: Die Freilassung jener | |
| verhafteten SPLM-Führungsmitglieder im Umfeld des flüchtigen Riek Machar, | |
| deren Festnahme unter dem Vorwurf des Putschversuchs Mitte Dezember den | |
| Bürgerkrieg mit ausgelöst hatte. Wochenlang war das ein zentraler | |
| Streitpunkt in Addis Abeba gewesen. | |
| Noch am Donnerstag morgen zirkulierte ein Abkommensentwurf, der die | |
| Freilassung vorsah. Im unterzeichneten Text ist jetzt nur noch davon die | |
| Rede, dass beide Parteien „die Rolle anerkennen, die die Häftlinge im | |
| laufenden Dialog im Südsudan spielen können“ und dass sie „anerkennen, da… | |
| IGAD und ihre Partner bestrebt sind, jede Anstrengung zur Beschleunigung | |
| der Freilassung der Häftlinge zu unternehmen“. Warum die Rebellen sich auf | |
| eine so unverbindliche Formulierung einließen, ist nur mit ihren | |
| Niederlagen an der Kriegsfront zu erklären. | |
| Internationale Diplomaten begrüßten die Unterzeichnung der Abkommen dennoch | |
| als ersten Schritt zum Frieden. UN-Generalsekretär Ban KiMoon | |
| beglückwünschte IGAD für ihre „erfolgreiche Vermittlung“ und rief beide | |
| Seiten dazu auf, das Abkommen „unverzüglich uzmzusetzen“. | |
| Der UN-Sicherheitsrat erklärte, nun müsse eine umfassende Versöhnung folgen | |
| und beide Seiten müssten mit der UN-Mission UNMISS zusammenarbeiten und | |
| Angriffe auf sie beenden - erst vor wenigen Tagen hatte es in Juba untre | |
| Regierungskontrolle Demonstrationen gegen UNMISS gegeben, deren Chefin | |
| Hilde Johnson persönliche Nähe zu Riek Machar nachgesagt wird. | |
| Zahlreiche Vermittler und Politiker betonten, es müsse jetzt rasch zu einem | |
| politischen Dialog kommen. Ob die politischen Häftlinge in Juba daran | |
| teilnehmen können, gilt allgemein als Test für die Ernsthaftigkeit der | |
| Regierung. | |
| ## "Nur der erste Schritt" | |
| Das Abkommen sei „nur der erste Schritt, um Raum und Zeit für einen | |
| substantiellen politischen Dialog zu schaffen“, sagte der Historiker und | |
| Südsudan-Experte Douglas Johnson. Ein Angehöriger der Rebellendelegation in | |
| Addis Abeba sagte gegenüber Reuters: „Dieses Abkommen ist keine Antwort auf | |
| Südsudans gegenwärtige Probleme. Wir brauchen eine umfassende politische | |
| Lösung.“ | |
| Südsudans Präsident Salva Kiir kündigte an, er werde jetzt umfassende | |
| Reformen in Armee und Staatsapparat angehen, und rief zu einem Ende der | |
| ethnischen Massaker auf. „Wer denkt, dass er mich unterstützt, sollte | |
| niemanden anrühren. Wenn ihr in meinem Namen Leute tötet, beschmutzt ihr | |
| mein Image“, erklärte der Präsident. Zum Schicksal der politischen | |
| Häftlinge sagte er, sie könnten durchaus amnestiert werden - aber erst, | |
| nachdem sie vor Gericht gestanden haben. | |
| Das Misstrauen zwischen den Kriegsparteien, deren Führer sich seit | |
| Jahrzehnten persönlich kennen, bleibt groß. Am Freitag nachmittag warfen | |
| die Rebellen den Regierungstruppen vor, den Waffenstillstand gebrochen zu | |
| haben. Die Regierung wies das zurück und sagte, die gemeldeten Vorfälle | |
| seien vor der Unterzeichnung geschehen. | |
| 24 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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