# taz.de -- Finanzexpertin über Equal Pay in Island: „Fair und transparent“ | |
> Island will bis 2022 keinen Gehaltsunterschied bei Frauen und Männern | |
> haben. Das ist in Deutschland undenkbar, sagt Geldexpertin Henrike von | |
> Platen. | |
Bild: Islandische Gewerkschaften kämpfen für gleichen Lohn für gleiche Arbeit | |
taz: Frau von Platen, Island hat als erstes und einziges Land der Welt seit | |
zwei Jahren ein Gesetz für gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Wie | |
hat das Land das hingekriegt? | |
Henrike von Platen: Als das Gesetz ausgehandelt wurde, saßen | |
Arbeitgeberverbände, Politik und Gewerkschaften, also alle wichtigen | |
Entscheidungsträger, gemeinsam an einem Tisch. Die drei Seiten haben sich | |
letztlich auf den heutigen Equal-Pay-Standard geeinigt. Das ist die ganze | |
Magie. | |
Klingt super einfach. | |
Es braucht natürlich den Willen zur Veränderung und der war in Island auf | |
allen Seiten spürbar. Den Equal-Pay-Standard gab es aber auch schon, bevor | |
das Gesetz die Unternehmen zur Umsetzung verpflichtete. Das Ganze war also | |
schon erprobt. | |
In Deutschland scheint ein solches Verhandlungsgremium mit diesem Erfolg | |
unmöglich zu sein. | |
Hier läuft das meist so: Jemand macht einen Gesetzesvorschlag, und der wird | |
dann von allen Seiten torpediert. Beim Entgelttransparenzgesetz waren das | |
Gewerkschaften, die Arbeitgeberseite, Verbände und einige Parteien. Für | |
mehr Gerechtigkeit zu sorgen, ist in Deutschland sehr viel komplizierter. | |
Wer das nicht tut, zahlt zum Teil hohe Strafen. | |
Nach dem Motto: Da machen wir auf keinen Fall mit? | |
So ähnlich. In Island ist das Denken mittlerweile ein komplett anderes. Als | |
ich im vergangenen November dort war, habe ich verschiedene Unternehmen | |
besucht und mir vor Ort angeschaut, wie Unternehmen und Behörden das | |
machen. Ein Unternehmensmanager, der sich mit People Analytics | |
beschäftigt... | |
... der also Personaldaten sozialpsychologisch auswertet, mit anderen | |
Unternehmensdaten vergleicht und daraus Rückschlüsse für die | |
Unternehmenskultur zieht. | |
Der Mann schaute mich ganz irritiert an, als ich ihn fragte, ob er mir | |
einen Tipp geben könnte, wie man in [1][Deutschland Unternehmen für Equal | |
Pay motivieren] könnte. Er sagte, er verstehe die Frage nicht, faire | |
Bezahlung sei doch eine Selbstverständlichkeit. | |
Equal Pay gab es in Island aber auch nicht schon immer. Wie lief die | |
Debatte dazu ab? | |
Nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull folgte eine schwere | |
Wirtschaftskrise, die Unternehmenserfolge gingen zurück, gute Fachkräfte | |
fehlten. Das schärfte das Bewusstsein für die Gleichstellung. In den | |
Schulen gibt es seit 2008 Unterricht für Geschlechtergerechtigkeit. Das | |
allein bewirkt schon eine veränderte Haltung. | |
Wie haben die Unternehmen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit konkret | |
durchgesetzt? | |
Nehmen wir das Krankenhaus, das ich besucht habe. Das ist ein Unternehmen | |
mit ein paar tausend Beschäftigten. Der Prozess der Lohnangleichung verlief | |
nach einem demokratischen Prinzip: Die Beschäftigten mussten in einem | |
Workshop ihre eigene Arbeit genau beschreiben und bewerten. Diese | |
Ergebnisse wurden in eine Software eingespeist, danach wurden die | |
entsprechenden Gehälter hinterlegt und angeglichen. | |
Klingt leicht und kompliziert zugleich. | |
Am Anfang, wenn die Tätigkeiten verglichen und bewertet werden müssen, ist | |
das durchaus aufwendig und schwierig. Aber danach umso leichter. Und: Je | |
transparenter es in dem Krankenhaus für alle war, umso leichter wurden die | |
Beschäftigten in dem Prozess mitgenommen. Oder ein anderes Beispiel: Das | |
Energieunternehmen Reykjavik Energy hat die Parameter, wie ein Job | |
beschrieben und wonach er bewertet wird, also sowas wie Erfahrung und | |
Leistung, von anfangs über 18 auf 6 reduziert. Das machte den Prozess der | |
Lohnangleichung am Ende leichter. | |
Trotzdem es so gut lief und läuft, hat die Regierung ein Gesetz erlassen. | |
War das noch nötig? | |
Das Gesetz verpflichtet die Unternehmen nicht nur zu fairen Gehältern, | |
sondern auch zu Transparenz. Das heißt, jedes Unternehmen muss nachweisen, | |
dass es geschlechtergerecht bezahlt. Wer das nicht tut, zahlt zum Teil hohe | |
Strafen. | |
Wie hoch sind die? | |
Pro Person und Tag etwa 360 Euro. Das kann für größere Unternehmen teuer | |
werden. Bis 2022 will Island einen Gender Pay Gap von null Prozent haben, | |
also keinen Gehaltsunterschied mehr zwischen Frauen und Männern. Jetzt | |
beträgt dieser etwa 14 Prozent. | |
Im Vergleich zu Deutschland mit einer Lohnlücke von 21 Prozent, klingt das | |
schon revolutionär. | |
Deutschland ist alles andere als ambitioniert, es will den aktuellen Gap | |
auf etwa 10 Prozent halbieren – bis 2030. [2][In Deutschland fehlen sowohl | |
der Druck als auch der Wille zur Umsetzung von fairer Bezahlung.] Und dann | |
ist da diese Angst vor Transparenz. | |
Wie meinen Sie das? | |
Transparenz fürchten vor allem jene, die ahnen, dass es Gehaltsunterschiede | |
zwischen Frauen und Männern gibt, die nicht zu rechtfertigen sind. Diese | |
Haltung gab es übrigens zum Anfang auch in Island. Bei kleinen Unternehmen | |
und bestimmten Jobs war nämlich relativ rasch klar, welche Person sich | |
hinter welcher Stelle verbarg und wieviel sie mehr verdiente. | |
Wenn isländische Gehälter angeglichen werden, geschieht das sicher nach | |
oben, oder? | |
Ja, alle Gehälter wurden und werden nach oben angeglichen. Nur in einem | |
Fall, der mir bekannt ist, wurde nach unten korrigiert. Aber hier war das | |
Gehalt so unverschämt hoch, dass der Betroffene die Rückstufung sogar | |
selbst eingesehen hat. | |
Eine Befürchtung hierzulande ist: Unternehmensergebnisse brechen mit einem | |
Equal-Pay-Gesetz sein. Sind sie in Island eingebrochen? | |
Im Gegenteil, die Unternehmen wurden mit zunehmender Gleichstellung | |
attraktiver vor allem für gut ausgebildete junge Frauen. Und es ist ja so: | |
Fühlen sich in einem Unternehmen die Beschäftigten wohl, bringen sie mehr | |
Leistung. | |
Gab es denn so gar keine Kritik? | |
Nur 2 Prozent der Unternehmen haben im Frühjahr 2019, also zu einer Zeit, | |
als das Gesetz schon längst galt, in einer Umfrage gesagt, sie finden die | |
Vorgaben nicht gut. Das waren im Übrigen jene Firmen, die das Gesetz noch | |
gar nicht umgesetzt hatten. Die also noch gar nicht wussten, was an | |
positiven Dingen auf sie zukommen kann. | |
Zurück zum Unternehmensmanager, den Sie eingangs erwähnten. Hatte er denn | |
einen Tipp für Deutschland? | |
Wie gesagt: Equal Pay ist in Island so selbstverständlich, dass er noch | |
nicht einmal die Frage verstanden hat. Aber er schlug vor, doch einfach mal | |
umgedreht zu rechnen, schließlich wolle ja niemand Geld verschenken. Wer | |
Klarheit über die eigenen Entgeltstrukturen gewinnt, findet schließlich | |
auch heraus, wem bislang zu viel gezahlt wird. | |
9 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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