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# taz.de -- Fifa-Chef auf Friedensmission: Mit 20 Bällen um die Welt
> Fifa-Präsident Gianni Infantino tritt beim G20-Gipfel als Friedensstifter
> auf. Zugleich gerät er nach einer „SZ“-Recherche in Erklärungsnot.
Bild: Infantino auf dem Weg zum Weltgipfel – mit Gefolge und Statussymbol
Das Geschenk, das Gianni Infantino für jeden einzelnen Repräsentanten des
G20-Gipfels in Bali im Gepäck hatte, [1][war wie gewohnt dröge.] Den
offiziellen WM-Ball des am Sonntag beginnenden Turniers in Katar bekamen
die Staats- und Regierungschefs überreicht. Umso origineller aber war der
politische Vorstoß, den der Präsident des Weltfußballverbands unternahm.
Eingeladen in den Kreis der Mächtigsten, schien Infantino von seiner
eigenen Größe und vielleicht auch der des Fußballs etwas berauscht zu sein
und regte einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg während der Zeit der
Weltmeisterschaft an. Das Turnier könne „Anlass für eine positive Geste
oder ein Zeichen“ sein.
Schade für die Welt und die Ukraine, mögen nun kritische Geister einwenden,
dass die WM dieses Jahr in den Winter verlegt werden musste, sonst hätte es
viel früher Anlass zur Hoffnung gegeben. „Vielleicht, vielleicht,
vielleicht kann die aktuelle Weltmeisterschaft, die in fünf Tagen beginnt,
wirklich der positive Auslöser sein“, sagte der Fifa-Chef in Nusa Dua im
Süden Balis.
Einige Fußballfunktionäre dürften am Dienstag gestaunt haben, hatte
Infantino doch erst vor gut einer Woche an alle Mitgliedsverbände in einem
Brief appelliert: „Konzentrieren wir uns auf den Fußball.“ Politische
Debatten sollten nicht mehr im Mittelpunkt stehen. [2][Die ewige
Menschenrechtskritik am WM-Ausrichter] und an der Fifa, die sich immer noch
dazu ausschweigt, ob sie einen Entschädigungsfonds für Arbeitsmigranten in
Katar unterstützen möchte, gingen Gianni Infantino so knapp vor WM-Anpfiff
sichtlich auf die Nerven.
Für die Schaffung des Weltfriedens kann man indes von seinen Prinzipien
schon mal abrücken. Obgleich die Lenker großer Sportorganisationen selbst
sehr schwankende Ansichten haben, wann man als politischer Akteur auftreten
sollte und wann nicht. Infantino wurde im Dezember 2018 erstmals zum
G20-Gipfel nach Buenos Aires eingeladen und lobte damals neben dem
russischen Volk den Präsidenten Wladimir Putin persönlich für die
Ausrichtung der besten Weltmeisterschaft, die es je gegeben habe. Und den
chinesischen Präsidenten Xi dafür, welche Entwicklung der Fußball in China
unter seiner Führung genommen habe.
## Noch ein präpotenter Sportführer
Vermutlich, erklärte er damals bei seiner G20-Premiere, würden es einige
ungewöhnlich finden, dass er in diesem Rahmen spreche, und stellte wenig
später halbwitzig klar, dass die Fifa über die Wirtschaftskraft eines
mittelgroßen Landes verfüge und eines Tages vielleicht Mitglied der G20
werde.
In Bali war [3][noch ein anderer präpotenter Sportführer] geladen. Thomas
Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, musste
ebenfalls zum Ukrainekrieg noch einen Vorschlag loswerden. Er rief dazu
auf, nach Möglichkeiten für einen Frieden zu suchen.
Gianni Infantino muss sich derweil wieder mit den Mühen des Alltags
beschäftigen. Die Süddeutsche Zeitung deckte in einer Recherche auf, dass
er im Oktober 2015, als er noch Uefa-Generalsekretär war und die Fifa unter
Beschuss der US-Justiz stand, nach New York flog, den Verband aber über den
wahren Grund seiner Reise täuschte. Das angegebene Vorstandstreffen mit
einem Uefa-Partner hatte er vor seiner Reise im Videoformat von Europa aus
absolviert. Laut den Informanten der SZ hatte Infantinos US-Trip „im
Zusammenhang mit den Ermittlungen der US-Justiz zu anrüchigen
Geschäftspraktiken im Weltfußball“ gestanden.
Es soll dabei auch um einen TV-Vertrag gegangen sein, den Infantino
unterschrieben hatte. Letztlich blieb der Deal für Infantino ohne Folgen.
Die Fifa kürte 2018 unter der Führung von Infantino die USA zusammen mit
Mexiko und Kanada zum Gastgeber der WM 2026. Und die SZ stellt fest, dass
seit dieser Vergabe der Ermittlungswille der US-Justiz gegen die Fifa
spürbar nachgelassen habe.
Gut möglich, dass Infantino diese Recherche so kurz vor dem Beginn der
Festspiele in Katar als politisch motivierten Angriff abkanzelt und darum
bittet, sich endlich auf den Fußball zu konzentrieren.
15 Nov 2022
## LINKS
[1] /Fifa-Chef-Gianni-Infantino/!5562126
[2] /Kritik-vor-der-Fussballweltmeisterschaft/!5890624
[3] /Korruptes-IOC-und-Olympia/!5828719
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Fifa
Gianni Infantino
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Bali
Fußball-WM
Schwerpunkt Boykott Katar
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Fußball
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