| # taz.de -- Exzellenz-Initiative in der Kritik: Wer zuletzt lacht | |
| > Die Bremer Uni ist bei der Exzellenz-Initiative ausgeschieden. Wie stehen | |
| > die anderen Unis im Norden da? Und ist das Exzellenzwesen der Weisheit | |
| > letzter Schluss? | |
| Bild: Da war der Jubel in Bremen groß: Ernennung zur Exzellenz-Uni 2012 | |
| Hamburg taz | Bremen ist raus. Die Uni kann 2019 nicht wieder Exzellenz-Uni | |
| werden. Doch vier Hochschulstädte im Norden können sich noch Hoffnung auf | |
| den Status Exzellenz-Uni machen: Hamburg, Kiel, Hannover und Göttingen. Sie | |
| alle sind eine „Runde weiter“ und dürfen – wenn alles gut geht – Antr�… | |
| für den Wettbewerb um den Exzellenztitel einreichen. | |
| Entsprechend euphorisch lesen sich die Pressemitteilungen, die am 29. | |
| September aus den Landesministerien für Wissenschaft kamen. Der Erfolg der | |
| Christian-Albrechts-Universität in Kiel sei ein „großartiges Signal für den | |
| Wissenschaftsstandort Schleswig-Holstein“, fand die dortige | |
| CDU-Wissenschaftsministerin Karin Prien. | |
| Und Niedersachsens grüne Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić | |
| sprach von einem „großartigen Erfolg“, der Beleg für eine „hervorragende | |
| wissenschaftliche Arbeit und eine gelungene Profilbildung“ an | |
| Niedersachsens Universitäten sei. | |
| Ihre Hamburger Amts- und Parteikollegin Katharina Fegebank sagte, sie freue | |
| sich sehr, dass die Universität Hamburg so erfolgreich in die zweite Phase | |
| des Wettbewerbs einsteige und nun vier Anträge stellen darf. „Das ist eine | |
| beachtliche Leistung und schon jetzt eine Anerkennung ihrer | |
| Forschungsstärke.“ | |
| ## Es geht ums „Branding“ | |
| Exzellenz zieht. Der Erwerb eines Clusters ist prestigeträchtig. „Es geht | |
| eher ums Branding als um Finanzierung“, sagte der frühere | |
| baden-württembergische Forschungsminister Peter Frankenberg laut | |
| Ärzteblatt, als im vergangenen Jahr bei einem parlamentarischen Abend in | |
| Kiel über die Zukunft des Wettbewerbs geredet wurde. | |
| Nur ist der Exzellenzwettbewerb, der neuerdings „Exzellenzstrategie“ heißt, | |
| ein kompliziertes Verfahren, das die Beteiligten länger in Atem hält. Bis | |
| April durften die Unis Anträge für „Cluster“ stellen, das sind Verbünde … | |
| Forschungsprojekten, die sich einer Frage widmen. 195 Anträge wurden | |
| gestellt, von diesen nahmen jetzt 88 die erste Hürde. Nun dürfen die Unis | |
| ausführlichere Anträge stellen, die bis zum 21. Februar 2018 bei der | |
| Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingereicht werden. | |
| Eine „Exzellenzkommission“ wird dann bis zum 27. September 2018 die Anträge | |
| aussieben. Etwa die Hälfte – 45 bis 50 – wird angenommen. Alle Unis, die | |
| dann zwei „Cluster“ durchbekommen haben, wofür es jährlich 7 bis 8 | |
| Millionen Euro gibt, dürfen einen Antrag auf den Titel | |
| „Exzellenz-Universität“ stellen. Das ist der Jackpot mit einer jährlichen | |
| Förderung von rund 15 Millionen Euro. | |
| Insgesamt kam das große Flächenland Niedersachsen mit zehn Cluster-Anträgen | |
| weiter. Die Universität Göttingen hat mit vier Clustern genügend Eisen im | |
| Feuer, um sich Hoffnung auf die Endrunde zu machen. Die Medizinische | |
| Hochschule Hannover und die Leibniz-Uni Hannover haben je zwei Cluster im | |
| Verbund und ein eigenes, womit sie auch noch im Rennen sind. Ebenso kamen | |
| von der CAU Kiel drei, von der Uni Hamburg vier Anträge weiter. Von der Uni | |
| Bremen mit der „Marum“-Meeresforschung nur eines. | |
| Es fällt auf, dass viele Cluster aus dem Bereich Technik und | |
| Naturwissenschaften sind. Heraus fällt hier nur das Cluster | |
| „Schriftartefakte verstehen“ zur Erforschung und Bewahrung vom | |
| Manuskriptkulturen der Uni Hamburg, das Cluster „Konstruktionen von | |
| Religionen“ der Uni Göttingen und das Cluster „Roots – Konnektivität von | |
| Gesellschaft, Umwelt und Kultur in vergangenen Welten“ der Kieler Uni. Und | |
| das Klima-Cluster der Uni Hamburg widmet sich auch dem Thema „Klimawandel | |
| und Gesellschaft“. | |
| Die Mehrzahl der Konzepte sei „multidisziplinär“, schreibt die DFG. Doch | |
| nur 19 Prozent der erfolgreichen Anträge haben das Schwergewicht bei den | |
| Geistes- und Sozialwissenschaften. Spannend wäre die Liste der bisher schon | |
| abgelehnten Anträge, doch die veröffentlicht die DFG nicht, um niemanden zu | |
| „beschädigen“, wie ein Sprecher erklärt. | |
| Und trotz der leichten Nord-Euphorie: Theoretisch kann es auch sein, dass | |
| 2019 keine einzige Nord-Uni unter den elf Gewinnern der nächsten | |
| Exzellenzrunde sein wird. Da Hochschulen mit der neuen „Exzellenzstrategie“ | |
| künftig auf Dauer gefördert werden, wäre das bitter. | |
| Für Torsten Bultmann, den Geschäftsführer des Bundes demokratischer | |
| Wissenschaftler (BDWI) in Marburg, wäre das gar nicht mal verwunderlich. | |
| Denn nicht nur die Exzellenzstrategie, sondern auch die Vergabe von | |
| Forschungsdrittmitteln geschehe seit Jahren nach dem sogenannten | |
| „Matthäus-Prinzip“: Wer hat, dem wird noch mehr gegeben. | |
| Es gibt in Deutschland rund 110 Universitäten und Technische Universitäten. | |
| „Es gibt die Top-Liga von 20 Universitäten, die streichen 60 Prozent der | |
| Drittmittel ein und erhalten auch 70 bis 80 Prozent aller Exzellenzmittel“, | |
| sagt Bultmann. Die Gutachter der Exzellenz-Anträge wären angehalten, auch | |
| die Höhe der Drittmittel einer Uni zu beachten. | |
| ## Die Grundfinanzierung der Unis stagniert | |
| Man schaue sich also das jüngste Ranking der Deutschen | |
| Forschungsgemeinschaft (DFG) an. Während die Grundfinanzierung der Unis | |
| seit Jahren stagniert, steigt der auch vom Staat vergebene | |
| Drittmittelanteil Jahr für Jahr an. Ganz oben steht die | |
| Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München auf Platz 1 mit 277,8 | |
| Millionen DFG-Mitteln insgesamt, gefolgt von Heidelberg (274,7 Mio.) und | |
| der RWTH Aachen auf Platz 3 (272,5 Mio.), danach die TU München und die FU | |
| Berlin. Auf Platz 40 steht die Uni Halle-Wittenberg mit 68,4 Mio. | |
| Dazwischen die Uni Göttingen auf Platz 6, Uni Hamburg auf Platz 18, | |
| Hannover auf Platz 24, Kiel 26 und Bremen 27. | |
| Geht es wieder nach diesem „Matthäus-Prinzip“, hat eventuell die Uni | |
| Göttingen eine echte Chance. Sie war von 2006 bis 2012 schon einmal | |
| Exzellenz-Universität, verlor dann aber den Status. Stattdessen rückte | |
| damals unter anderem Bremen mit seinem Zukunftsleitbild „Ambitioniert und | |
| agil“ auf. Böse Zungen behaupten, das sei passiert, weil man auch einer | |
| mittelgroßen Uni und einer der Neugründungen aus den 1970er-Jahren eine | |
| Chance geben wollte. | |
| Doch nun der Schock an der Weser. Er habe zunächst an einen Tippfehler | |
| geglaubt, sagt Bremens Rektor Bernd Scholz-Reiter. Die Uni Bremen sei nicht | |
| schlechter geworden, sondern „die Bedingungen sind härter geworden“, sagte | |
| Bremens Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD). | |
| Sie war dabei, als im Sommer vorigen Jahres die Wissenschaftsminister mit | |
| den Ministerpräsidenten der Länder um eine Fortsetzung des 2006 gestarteten | |
| Programms rangen, das damals heftig umstritten war. Eine Online-Petition, | |
| die über 3.000 Wissenschaftler unterzeichneten, forderte ein Ende der | |
| Exzellenz-Initiative. Sie befördere den Trend zu „Pseudo-Märkten“ im | |
| Hochschulsektor und treibe die Forschenden in eine „künstlich initiierte | |
| Dauerkonkurrenz um staatliche Mittel“. | |
| ## Hamburgs Uni-Präsident wollte eine Exzellenz-Pause | |
| Der Hamburger Uni-Präsident Dieter Lenzen hatte schon 2012 eine Pause für | |
| den Exzellenzwettbewerb gefordert. Einige Unis hätten sich zu Tode gesiegt, | |
| andere „an den Rand der Erschöpfung geantragt“. | |
| Doch der Protest war verhalten. „Viele haben ohne Namen unterzeichnet, | |
| damit sie sich und ihrer Hochschule nicht schaden“, berichtet ein Professor | |
| einer norddeutschen Uni. | |
| Im Sommer 2016 beschlossen die 16 Ministerpräsidenten die Fortsetzung der | |
| Förder-Arie auf Grundlage der Vorschläge der sogenannten | |
| „Imboden-Kommission“, die den bisherigen Wettbewerb evaluierte und | |
| verschärfte. Die sogenannten „Graduiertenschulen“ und der Wettbewerb um | |
| „Zukunftskonzepte“ fallen weg, sodass es nur noch zwei „Förderlinien“ … | |
| Für den Exzellenztitel sind nun zwei Cluster nötig, und eine Förderperiode | |
| dauert sieben statt fünf Jahre. Danach wird jede Exzellenz-Uni evaluiert, | |
| sie muss sich aber nicht erneut bewerben. | |
| Hamburgs Senatorin Fegebank, die zunächst die Einigung blockierte, zeigte | |
| sich zufrieden, als vereinbart wurde, dass zu den Exzellenz-Unis 2026 noch | |
| vier weitere hinzu kommen dürfen, die Spitze also etwas „breiter“ wird. | |
| Kritiker Torsten Bultmann tröstet das nicht. Die geplante Evaluation sei | |
| nur ein Alibi, das die „institutionelle Dauerförderung“ eines | |
| Zwei-Klassen-Systems von Universitäten kaschiere. Das sei auch schon vorher | |
| das Problem der Exzellenz-Ini gewesen, sagt er. Künftig werde sie „nicht | |
| mal mehr als Wettbewerb getarnt“. | |
| 13 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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