# taz.de -- Expertin über Klimakrise und Kapitalismus: „Eine Abwrackprämie … | |
> Gerade werden Milliarden in die Wirtschaft gepumpt. Für das Klima | |
> bedeutet das nichts Gutes, sagt Ruth Krohn vom Konzeptwerk Neue Ökonomie. | |
Bild: Fridays for Future-Aktivistin fordert am 2.6.2020 in Hamburg ein klimager… | |
taz: Unsere Welt wurde in den letzten Monaten auf den Kopf gestellt. | |
Darunter hat sowohl die Wirtschaft [1][als auch die Klimabewegung | |
gelitten]. Was halten Sie von dem Konjunkturpaket der Bundesregierung? | |
Ruth Krohn: Das Konjunkturpaket der Bundesregierung hätte schlimmer werden | |
können: Immerhin keine Sparpolitik wie nach der letzten Krise, die vor | |
allem Arme und prekär Beschäftigte trifft. Es ist ein kleiner Teilerfolg | |
der Klimabewegung, die in den letzten Wochen gegen die #Abfckprämie mobil | |
gemacht hat, dass sich die Automobilindustrie in diesem Punkt nicht | |
durchsetzen konnte und keine Abwrackprämien für Diesel- und Benzinfahrzeuge | |
vorgesehen sind. | |
Und was ist mit den Punkten, die durchgesetzt wurden? | |
Das Paket dient dem Ankurbeln des Wirtschaftswachstums und setzt dabei | |
durch das Absenken der Mehrwertsteuer bis Ende 2020 auf gesteigerten | |
Konsum. [2][Es ist somit eine indirekte, branchenübergreifende | |
Abwrackprämie auf alles]. Das entspricht dem Wachstumszwang innerhalb des | |
Kapitalismus und steht einer sozial-ökologischen Transformation im Weg. | |
Denn Wachstum basiert auf einem steigenden Ressourcenverbrauch. Im Grunde | |
bleibt damit alles beim Alten und wir verpassen die Chance, jetzt einen | |
grundlegenden Wandel einzuleiten. | |
Sie sind Teil des Konzeptwerk Neue Ökonomie . Was meinen Sie mit neue | |
Ökonomie? | |
Wir sind der Meinung, dass in der aktuellen Wirtschaft soziale und | |
ökologische Ausbeutung stattfindet. Deshalb arbeiten wir an einer | |
Wirtschaft, die das „gute Leben für alle“ in den Mittelpunkt rückt, also … | |
Prozessen, die sich damit beschäftigen, wie ein Leben außerhalb des | |
Kapitalismus aussehen könnte. | |
Was hat das mit der Klimakrise zu tun? | |
Wenn man in der Geschichte zurückblickt, dann sieht man, dass wir ab dem | |
Beginn des Kapitalismus, seit der industriellen Revolution, angefangen | |
haben, fossile Energieträger aus dem Boden zu holen und zu verbrennen. Und | |
damit ist die CO2-Konzentration in der Luft angestiegen. Da wir im | |
kapitalistischen System immer weiter wachsen müssen, um dieses System | |
aufrecht zu erhalten, führt das zu immer mehr CO2 Emissionen und einem sich | |
immer stärker beschleunigenden Klimawandel. Aber die Klimakrise ist nicht | |
nur eine ökologische. Sondern es geht auch darum, wer von dieser Krise | |
besonders betroffen ist. Die Länder im globalen Norden haben diese Krise | |
hauptsächlich vorangetrieben, jedoch auf Kosten der Länder im globalen | |
Süden. Es ist auch inhärent im Kapitalismus, dass der Reichtum von einigen | |
wenigen zu Lasten von ganz vielen Menschen geht. Diese | |
Ausbeutungsmechanismen sehen wir auf globaler Ebene, aber auch innerhalb | |
von Gesellschaften. | |
Was müsste man dagegen tun? | |
Für eine sozial-ökologische Transformation braucht es einen Umbau des | |
Wirtschaftssystems weg von Wachstumszwängen und Profitmaximierung hin zur | |
Orientierung an Bedürfnissen. | |
Wie genau soll sich Wirtschaft „an Bedürfnissen orientieren“? | |
Erste Schritte wären die Vergesellschaftung von so genannten | |
Schlüsselindustrien wie Energiekonzernen, der Automobilindustrie und dem | |
Gesundheitswesen. Dadurch würde eine demokratische Kontrolle dieser | |
Industrien wieder möglich. Im Sinne einer solidarischen und ökologischen | |
Gesellschaft würden Automobilkonzerne dann den ÖPNV innovativ und | |
klimagerecht ausbauen, statt in ressourcenintensiven Individualverkehr zu | |
investieren. Gesundheitsversorgung wäre keine Ware mehr, sondern für alle | |
zugänglich. Die Energieversorgung würde dezentral organisiert und auf | |
hundert Prozent erneuerbar umgestellt. Wenn wir ein Fortschreiten des | |
Klimawandels stoppen und Gesellschaft global gerechter organisieren wollen, | |
müssen wir anfangen, ernsthaft über Maßnahmen in dieser Größenordnung zu | |
sprechen. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel, der sowohl sozial | |
als auch ökologisch ist. | |
Wie sieht eine sowohl soziale als auch ökologische Gesellschaft aus? | |
Ich stelle mir eine viel gerechter gestaltete Gesellschaft vor. Wir | |
brauchen eine Wirtschaft, die Pflegetätigkeiten ins Zentrum stellt und die | |
die ökologischen Grenzen respektiert. Dazu gehört, dass wir rauskommen | |
müssen aus der Lohnabhängigkeit, wir brauchen eine Daseinsvorsorge für alle | |
Menschen. Wir brauchen Arbeitszeitverkürzungen. Also, dass man eine kurze | |
Zeit z.B. 20 Stunden einer Arbeit nachgeht, die für die Gesellschaft | |
nützlich ist und hat so mehr Zeit für andere Aufgaben wie Sorgetätigkeiten | |
und demokratische Beteiligung. | |
Und wie retten wir mit einem Wandel in der Arbeitswelt das Klima? | |
Wir müssen schauen, welche Produktion, welche Wirtschaft und welche Arbeit | |
brauchen wir, um ein gutes Leben zu gewähren. Das ist ein | |
gesellschaftlicher Aushandlungsprozess. Das müssen wir als Gesellschaft | |
gemeinsam entscheiden. Aber wir müssen dann vor allem gucken, was | |
produzieren wir gerade, das überhaupt keinen gesellschaftlichen Nutzen hat | |
oder was richtet sogar Schaden an? Diese Produktion müssen wir | |
zurückfahren, damit wir wieder zurück auf ein Ressourcenniveau zu kommen, | |
das innerhalb unserer planetaren Grenzen funktioniert. Das ist eine große | |
Aufgabe, aber wir müssen sie lösen, weil wir unseren Planeten sonst | |
verheizen. | |
11 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Celine Weimar-Dittmar | |
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