Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Linken-Politiker über Konjunkturpaket: „Dann wäre die GroKo bek…
> Mehrwertsteuer runter und dann wieder rauf? Fabio De Masi,
> Wirtschaftsexperte der Linken, warnt davor: Wenn senken, dann dauerhaft.
Bild: Beklatscht und schon wieder vergessen: das überbelastetet Pflegepersonal
taz: Herr De Masi, 2006 hat die Linke die Erhöhung der Mehrwertsteuer
gegeißelt, nun sind Sie gegen deren temporäre Absenkung. Wie passt das
zusammen?
Fabio De Masi: Wir sind nicht gegen eine Senkung. Die SPD wollte einst 0
Prozent Erhöhung und die Union 2 Prozent und dann kamen 3 Prozent raus. Das
war ein Griff ins Portemonnaie. Aber eine Erhöhung wird von Unternehmen
immer stärker an Verbraucher weitergegeben als eine Senkung. Wenn man die
Mehrwertsteuer nach einem halben Jahr wieder erhöht, dann zieht man eine
dicke wirtschaftliche Bremsspur. Wenn man daher die Mehrwertsteuer senkt,
dann dauerhaft.
Die Senkung soll ja jetzt kurzfristig den Konsum ankurbeln.
Ich bin skeptisch, ob sich Leute jetzt [1][einen neuen Kühlschrank kaufen],
die um ihren Job bangen. Um Unsicherheit zu überwinden, muss der Staat mehr
investieren.
Die Deutsche Bahn hat schon angekündigt, sie würde die Senkung an die
Verbraucher weitergeben.
Die Bahn ist ein Staatskonzern, die müssen das wegen der Regierung machen.
Konzerne wie Amazon, die in der Coronakrise ihre Marktmacht ausbauen,
werden das vielleicht einstecken.
Halten Sie es für wahrscheinlich, dass die Mehrwertsteuer im Januar 2021
wieder angehoben wird, also im Bundestagswahljahr?
Dann wäre die Große Koalition richtig bekloppt!
Die Mehrwertsteuersenkung kostet bis Ende des Jahres 20 Milliarden Euro.
Hätte man dieses Geld besser an anderer Stelle ausgeben sollen?
Man hätte natürlich für das Geld auch gezielt Familien länger unterstützen
oder Selbstständige besser finanzieren können. Und Pflegekräfte, für die
man kürzlich noch geklatscht hat, gehen komplett leer aus. Das Problem bei
steuerlichen Maßnahmen ist, sie helfen nur, wo es noch Umsätze gibt.
Es gibt doch im Konjunkturpaket 25 Milliarden Euro direkte Hilfen für
Unternehmen. Ist das zu wenig?
Wir haben ein Problem bei Selbstständigen. Die Hilfen gelten nur für deren
Betriebskosten. Und bei der Grundsicherung für Selbstständige hakt es in
der Praxis.
Nun ist die deutsche Wirtschaft stark exportorientiert. Was bringt es, die
Binnennachfrage anzukurbeln, wenn die Exporte im Ausland wegen der dortigen
Wirtschaftskrisen wegbrechen?
Die fetten Jahre im Export sind vorbei. Wir können in Zeiten des
Klimawandels, in Zeiten von Trump und Corona nicht wieder exportieren, bis
der Arzt kommt.
Das Konjunkturpaket zielt doch vor allem auf Stärkung der Binnennachfrage,
oder nicht?
Es gibt sinnvolle Maßnahmen im Konjunkturpaket – den Kinderbonus, Hilfen
für Kommunen, den Verzicht auf Kaufprämien für Verbrennungsmotoren. Wir
brauchen aber mehr und dauerhafte öffentliche Investitionen, um die
Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen, keine Wunderkerze, die schnell
abfackelt. Die Große Koalition hat zu lange an der schwarzen Null
festgehalten und es verpennt, rechtzeitig zu investieren. Jetzt sind ja
bald [2][schon wieder Wahlen!]
Und jetzt gibt der Staat auf einmal 130 Milliarden Euro aus. Ist das
Konjunkturpaket wenigstens ausreichend dick?
Das Volumen des Konjunkturpakets ist erst mal okay. Es ist aber denkbar,
dass wir mehr brauchen werden.
Noch mehr Geld! Wer soll das bezahlen?
In der Krise ist es immer teurer, zu kürzen. Die Ausgaben des Staates sind
die Einnahmen der Unternehmen und die Löhne. Aus Schulden muss man
rauswachsen und die Milliardäre besteuern. Damit würgt man nicht die
Konjunktur ab. Und: Die Europäische Zentralbank muss die Staatsausgaben
garantierten, denn sie kann in Euro nie pleitegehen!
Die Bundesregierung setzt jetzt auf Wachstum und will ab 2023 Schulden
tilgen. Halten Sie das für realistisch?
Es ist denkbar, dass sich die Wirtschaft bis 2023 wieder erholt. Aber man
sollte längerfristig tilgen – etwa über 50 Jahre wie in Nordrhein-Westfalen
statt über 20 Jahre. Sonst sediert man die Wirtschaft, wenn man zu schnell
tilgt.
Man sollte die Schulden also am besten an die nächste Generation
weiterreichen?
Den nächsten Generationen gehören auch die Enkel der Quandts oder Klattens
an. Die kann man besteuern. Warum sollen Universitäten für unsere Enkel nur
von der Großmutter bezahlt werden? Ein Haus baut man auch auf Raten.
Eigentlich gilt doch die Schuldenbremse. Der Bund musste bereits einen
ausgeglichenen Haushalt vorlegen, die Bundesländer müssen es ab diesem
Jahr. Ist die Schuldenbremse passé?
Sie steht noch im Grundgesetz. Aber sie muss weg. Man muss Investitionen
auch über Kredite finanzieren. Solange es die Schuldenbremse aber gibt,
brauchen wir nach der Coronakrise eine Vermögensabgabe für die oberen 1
Prozent.
Und wenn die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt würde, dann bräuchte man
keine Vermögensabgabe mehr?
Wir als Linke wollen ja wieder eine dauerhafte Vermögenssteuer. Wenn die
Schuldenbremse aber in Kraft bleibt, droht ein Kürzungshammer nach der
Bundestagswahl. Dann braucht es zunächst eine einmalige Vermögensabgabe wie
nach dem Zweiten Weltkrieg, die verfassungsrechtlich mit der besonderen
Last begründet wird. Damit nicht wieder jene die Rechnung bezahlen, die den
Laden am Laufen halten.
18 Jun 2020
## LINKS
[1] /Expertin-ueber-Klimakrise-und-Kapitalismus/!5692303
[2] /Olaf-Scholz-praesentiert-Corona-Haushalt/!5689943
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Konjunkturpaket
Die Linke
Mehrwertsteuer
Fabio de Masi
Schwerpunkt Coronavirus
Konjunkturpaket
Schwerpunkt Coronavirus
Olaf Scholz
Bundeswehr
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Linken-Politikerin Żaklin Nastić: Die Aufsteigerin
Żaklin Nastić ist die designierte Spitzenkandidatin von Hamburgs Linken für
den Bundestagswahlkampf. Um den zweiten Platz bewirbt sich Deniz Çelik.
Mehrwertsteuer-Senkung im Einkaufsalltag: Großer Aufwand für wenig Geld
Längst nicht alle Firmen geben die Mehrwertsteuersenkung an die Verbraucher
weiter. Ökoläden zum Beispiel klagen, die Umstellung lohne sich nicht.
Konjunkturpaket in der Coronakrise: Ziemlich zurückgelehnt
Der Bundestag hat wichtige Teile des Corona-Konjunkturpaketes beschlossen.
Auf Kritik aus der Opposition ging die Regierung nicht ein.
Grüne und Linke zur Rolle der Opposition: „Nicht umklammern lassen“
In der Krise kommt es auf die Exekutive an? Stimmt nicht, sagen die
FraktionsmanagerInnen von Grünen und Linkspartei im Bundestag.
Olaf Scholz präsentiert Corona-Haushalt: Gut für die Wirtschaft, gut für ihn
Finanzminister Olaf Scholz will es mit seinem Nachtragshaushalt allen recht
machen. Zumindest in der SPD ist er damit sehr erfolgreich.
Aufrüstung der Bundeswehr: Wohin mit dem Geld?
Von den 130 Milliarden Euro aus dem jüngsten Konkjunkturpaket soll auch die
Bundeswehr etwas abkriegen. Was will die Armee kaufen?
Expertin über Klimakrise und Kapitalismus: „Eine Abwrackprämie auf alles“
Gerade werden Milliarden in die Wirtschaft gepumpt. Für das Klima bedeutet
das nichts Gutes, sagt Ruth Krohn vom Konzeptwerk Neue Ökonomie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.